Zur Datenschutzbelehrung/-erklärung gem. § 13 TMG; Abmahnfähigkeit

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 27.06.2013, Az.: 3 U 26/12 (http://www.landesrecht.hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml;jsessionid=D0EE59E4F4B727BF37EAB3766448FAB8.jpj4?showdoccase=1&doc.id=KORE217662013&st=ent) einem Unternehmen u.a. untersagt, Nutzern gegenüber innerhalb eines Angebotes von Telemedien personenbezogene Daten zu erheben und/oder erheben zu lassen, ohne gleichzeitig die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und/oder die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen zu lassen.

§ 13 TMG, wonach der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs u.a. über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form zu unterrichten hat, sei eine im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnde Norm. Denn nach den Erwägungsgründen der dieser Norm zugrundeliegenden Datenschutzrichtlinie 95/46/EG solle durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers geschützt werden. Den Erwägungsgründen zur Richtlinie sei darüber hinaus zu entnehmen, dass die in § 13 TMG geregelten Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme dienen, weil sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen.

Das Gericht führt u.a. dazu aus:

„Angesichts der vorgenannten, der Datenschutzrichtlinie zugrundeliegenden Erwägungen ist darüber hinaus anzunehmen, dass die Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme, also beim Abschluss von Austauschverträgen über Waren und Dienstleistungen, dienen, indem sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen (vgl. auch Köhler, a.a.O., Rn. 11.35d).“

Keine Störerhaftung eines Hoteliers bei von Anfang an beschränkter Nutzungsüberlassung des Internetanschlusses

Das LG Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 28.06.2013, Az.: 2-06 O 304/12, (http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/1tpi/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE130010794&documentnumber=3&numberofresults=25&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true#focuspoint) festgestellt, dass der Inhaber einer Ferienwohnung, der Gästen einen Zugang zum Internet zur beruflichen Nutzung, insbesondere für den E-Mail-Verkehr, zur Verfügung stellt, nicht als Störer für von den Gästen über den Anschluss verursachte Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing-Aktivitäten haftet. In dem entschiedenen Fall stand aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Anschluss ausdrücklich nur für berufliche Zwecke und nur für die Abwicklung des E-Mail-Schriftverkehrs zur Verfügung gestellt wurde.

Das Gericht stellte fest, dass es aufgrund der Sonderkonstellation dieses Falles keiner grundsätzlichen Entscheidung der Störerhaftung von Hoteliers und bezüglich der Pflichten von Hoteliers bedürfe.

Und weiter:

„(Zumindest) Im Fall einer von Anfang an beschränkten Nutzungsüberlassung bedarf es keines ausdrücklichen Verbots von illegalen Internetaktivitäten unter Einschluss des Filesharings.“

Die umstrittene Frage der Haftung von Hoteliers bleibt weiterhin offen, die Diskussion dürfte aber durch die vorliegende Entscheidung um eine weitere Facette bereichert worden sein.

Impressumspflicht auch für Werbung auf Internet-Plattformen

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.06.2013, Az.: I-20 U 145/12 = http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2013/I_20_U_145_12_Urteil_20130618.html) hat entschieden, dass auch diejenigen, die geschäftsmäßig auf einer Internetplattform für Waren werben, ohne eine Bestellmöglichkeit anzubieten, ein Impressum im Sinne des § 5 TMG vorhalten müssen.

Im entschiedenen Fall wurde auf der Internetseite www.b…com eine Internet-Plattform angeboten, die Dritten die Gelegenheit  gewährte, Verkaufsangebote für Baumaschinen, insbesondere für Straßenfertiger, Straßenfräser, Walzen, Asphaltmischmaschinen, Brecher und Siebmaschinen zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten.

Juristisch entscheidend war die Frage, ob die Werbenden damit zu Diensteanbietern im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG werden.

Das OLG sagt dazu:

„Die der Art ihres Gewerbes nach geschäftsmäßig handelnden Anbieter von (Straßen-)Baumaschinen auf der Plattform der Beklagten sind impressumspflichtige Diensteanbieter im Sinne des § 5 TMG. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Dabei ist auch eine bloße Werbung für Waren ohne unmittelbare Bestellmöglichkeit und sonstige Interaktionsmöglichkeit auf einer Internetplattform als Telemedium anzusehen (Senat, MMR 2008, 682, 683  m. Verw. a. OLG Frankfurt, MMR 2007, 379; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011 f.; Stickelbrock, GRUR 2004, 111, 112). Desweiteren ist es unerheblich, wie der Diensteanbieter das Angebot bewerkstelligt. Auch derjenige, der selbst nicht über einen eigenen Server verfügt, sondern fremde Speicherkapazitäten nutzt, bietet Teledienste an, sofern er über den Inhalt und das Bereithalten des Dienstes bestimmen kann. Dass geschäftsmäßig handelnde Anbieter im Rahmen eines Internetportals für ihre Unterseite impressumpflichtig sind, obwohl sie den „übergeordneten“ Teledienst nicht betreiben, ist allgemein anerkannt (Senat, Urt. v. 28. Dez. 2012, I – 20 U 147/11). Auch bloße Inserenten von Werbeanzeigen auf einem Onlineportal sind demnach impressumspflichtig, wenn sie geschäftsmäßig handeln (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 315 – Impressumspflicht bei gewerblichen eBay-Kleinanzeigen). Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot hindert den Gesetzgeber nicht, wegen der Intensität der werblichen Ansprache im Internet an die Selbstbezeichnung des Werbenden höhere Anforderungen zu stellen als an Werbende in Druckmedien (Senat, MMR 2008, 682, 683). Notwendig für die Annahme einer impressumspflichtigen Diensteanbietereigenschaft ist insoweit lediglich eine kommunikationsbezogene Eigenständigkeit des Onlineauftritts (Holznagel/Ricke in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 2 Rn. 3). Dem ist schon genügt, wenn die Einzeldarstellung des Produktanbieters nicht derart in den Gesamtauftritt des Portals eingebunden ist, dass er lediglich als unselbstständiger Teil eines Unternehmens- oder Konzernauftritts erscheint, sondern sich die einzelnen Angebote für den Nutzer erkennbar vom Rest der Webseite abheben (Senat, MMR 2008, 682, 683; Holznagel/Ricke a. a. O.), wobei Nutzer – auch im Hinblick auf die Plattform der Beklagten – die potentiellen Kunden des Anbieters sind. Vorliegend erkennt der Verkehr, dass es sich bei der Beklagten als Betreiberin der Plattform und den einzelnen Werbenden um verschiedene Anbieter handelt. Der potentielle Kaufinteressent rechnet die Herrschaft über die einzelnen Angebote an Baumaschinen aufgrund der Gesamtgestaltung des Portals nicht der Beklagten, sondern den jeweiligen Anbietern zu. Anderes behauptet auch die Beklagte nicht. Dass einzelne über die Navigationsleiste angebotene Informationen standardisiert sind, ist unerheblich. Soweit vom Landgericht ein eigener Gestaltungsspielraum des Werbenden zur Begründung der kommunikationsbezogenen Eigenständigkeit gefordert wird, findet diese Auffassung im Gesetz keine Stütze. Auch der vorzitierten Entscheidung des Senats ist eine solches Merkmal gerade nicht zu entnehmen; aus der Beschreibung des damals konkret vorliegenden Internetauftritts kann auf entsprechende Mindestanforderungen nicht geschlossen werden.“

Die zu begrüßende Entscheidung macht bewusst, dass im Online-Bereich strengere Regeln gelten als im Printbereich.

Die Entscheidung legt dem Portalbetreiber auch die Pflicht auf, dafür zu sorgen, dass die Werbenden ihrer Impressumspflicht nachkommen können. Dazu müssen die Werbeplätze bzw. die Plattform entsprechend gestaltet werden.

 

Zulässigkeit einer qualifizierten Container-Signatur beim EGVP

Der BGH hat mit Beschluss vom 14.05.2013, Az.: VI ZB 7/13, (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20130109) entschieden, dass die im EGVP-Verfahren eingesetzte Container-Signatur den Anforderungen des § 130a ZPO genügt.

Im entschiedenen Fall war eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist mittels EGVP eingereicht worden, wobei nicht die Einzeldokumente der Sendung je für sich signiert worden waren, sondern der Gesamtinhalt der Sendung (sog. Container) mit einer einzigen Signatur versehen worden war. Die Vorinstanz sah darin keine wirksame Einreichung und wies die Berufung aus formalen Gründen der nicht rechtzeitigen Berufungsbegründung zurück. Ein Wiedereinsetzungsgesuch scheiterte.

Der BGH hob diese Entscheidungen der Vorinstanz auf.  Er entschied damit eine Streitfrage, bezüglich der bis zuletzt eine eventuelle gesetzliche Klarstellung diskutiert worden war, die Frage nämlich, ob es ausreicht, wenn die vorgeschriebene qualifizierte elektronische Signatur sich auf dem Container der zusammengefassten Einzeldokumente befindet oder ob demgegenüber die Einzelsignatur jedes einzelnen Dokumentes erforderlich ist. Der BGH schloss sich der im Schrifttum hierzu bislang überwiegend vertretenen Meinung an, dass der Zweck der Signatur, die Sicherstellung von Authentizität und Integrität des Dokuments auch mit der Signatur des Containers erreicht wird. Der BGH sagt insoweit: „Die qualifizierte Container-Signatur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur die jeweils übersandte Einzeldatei, sondern die gesamte elektronische Nachricht umfasst, mit der die Datei an das Gericht übermittelt wird.“

Der BGH stellt abschließend fest, dass nur ein solches Verständnis des Begriffs der qualifiziert elektronischen Signatur dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ausreichend Rechnung trägt, der es u.a. verbietet, an die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens überspannte Anforderungen zu stellen.

Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen, lässt sie doch auch die Tendenz erkennen, dass prozessuale und formale Vorschriften mittlerweile auch vom BGH im Lichte der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgelegt werden.

Immer Ärger mit Formularen?

Drei kürzlich ergangene Entscheidungen verschiedener Gerichte befassten sich mit der Gestaltung von Formularen.

Das LG Dortmund entschied mit Beschluss vom 24.04.2013, Az.: 9 T 118/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/dortmund/lg_dortmund/j2013/9_T_118_13_Beschluss_20130424.html), dass die farbliche Gestaltung eines Formulars für einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst dann nicht zwingend zur gesetzlich vorgeschriebenen Form gehört, wenn das vorgeschriebene Formular zuvor im Bundesgesetzblatt abgedruckt worden war. Die farbliche Gestaltung sei nicht von der bindenden Form nach § 3 ZVFV (Zwangsvollstreckungsformularverordnung) umfasst.

Das Gericht führt zu Sinn und Zweck der vorliegend verwendeten Formulare aus:

„Im Gegenteil ist formuliertes Ziel durch die Vereinheitlichung der Formulare deren Handhabung zu erleichtern (vgl. S. 26 zur BR-Drucksache 326/12; siehe auch Fechter, a.a.O.). Diese Vereinfachung erfordert jedoch nach Auffassung der Kammer weder für die Justiz noch für den Bürger/die Bürgerin die Verwendung farbiger Formulare. Gewollte Hervorhebungen werden auch im schwarz-weißen Ausdruck sichtbar (s.o.).“

Das LG Mannheim entschied mit Beschluss vom 22.05.2013, Az.: 10 T 26/13 (http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Art=en&Datum=2013&nr=16940&pos=1&anz=279) einen etwas anders gelagerten Fall. Dort hatte die Beschwerdeführerin im Feld D des verwendeten Formulars zusätzlich zu den fünf vorgedruckten Alternativen weitere drei Alternativen als formularmäßigen Text hinzugefügt und im Feld F darüber hinaus den amtlichen Text inhaltlich abgeändert. Das Gericht entschied, dass die Beschwerdeführerin damit kein amtlich vorgeschriebenes Formular mehr benutzt habe und wies die Beschwerde ab.

Das Gericht formuliert hier zum Sinn und Zweck der Formularanordnung:

„Dass das Amtsgericht einem nicht auf dem zwingend vorgeschriebenen amtlichen Formular eingereichten Antrag nicht stattgeben muss, ergibt sich aus dem Zweck dieses Formulars. Es wäre widersinnig, ein Formular zwingend einzuführen, um dann selbst erstellten Formularen dieselbe Bedeutung zuzumessen. Zwar ist ausweislich der gesetzlichen Begründung ein Grund für den Formularzwang die Vorbereitung der elektronischen Bearbeitung, die bisher noch nicht umgesetzt ist. Darauf beschränkt sich die Zielsetzung aber erkennbar nicht, sondern folgerichtig soll auch schon vor der elektronischen Bearbeitung durch die Benutzung von Formularen die Arbeit der Amtsgerichte durch Vereinfachung erleichtert werden (vgl. in der amtlichen Begründung BR Drucksache 326/12 unter A III). Dies würde in das Gegenteil verkehrt, wenn eine umständliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit selbstgemachter Formulare erforderlich wäre.“

Schließlich entschied der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 20.03.2013, Az.: VI R 9/12 (zu finden über http://www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen/entscheidungen-online), dass die unübersichtliche Ausgestaltung des ElsterFormulars für den Veranlagungszeitraum 2008 kein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen begründe. In dem entschiedenen Fall hatte der Steuerpflichtige Unterhaltsleistungen nicht angegeben. In den Anwenderhinweisen war auf die Angabe dieser Unterhaltsleistungen nicht im Rahmen des betreffenden Formular-Feldes, sondern erst am Ende einer weiteren Anlage hingewiesen worden. Die durch eine derartig unübersichtliche Gestaltung der elektronischen Formulare versäumte Angabe von Unterhaltsleistungen müsse sich der Steuerpflichtige nicht als grobes Verschulden anrechnen lassen.

Was allen drei Entscheidungen zugrunde liegt, ist die Frage, wie Sinn und Zweck von Formularanordnungen, die tatsächliche Gestaltung von Formularen und schließlich die vom Pflichtigen gemachten Angaben in das richtige Verhältnis zueinander gesetzt werden. Im Idealfall laufen alle drei Aspekte zusammen. In diesem Fall hat man ein perfekt ausgefülltes Formular, das der adressierten Stelle alle gewünschten Informationen liefert. Diese Fälle erreichen die Gerichte nicht. In den notleidenden Fällen ist m.E. aber zu fragen – und diese Frage stellt sich bei der Umsetzung in die elektronische Welt noch verstärkt – ob der empfangenden Stelle alle gewünschten und benötigten Informationen vorliegen und ob der Aufwand, diese Informationen zu erschließen, vertretbar ist, d.h. ob ggf. eine maschinelle Auswertung des Formulars ohne umfangreiche Rückfragen beim Antragsteller erfolgen könnte. Ist dies der Fall, dürfen aus meiner Sicht gestalterische Fragen keine entscheidende Rolle spielen.

Keine Erfüllung des Schriftformerfordernisses einer Kündigung bei Übersendung einer Kopie eines mittels EGVP eingereichten Schriftsatzes

Das Amtsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 12.03.2013 entschieden, Az.: 92 C 4921/12, dass dem Schriftformerfordernis für die Kündigung eines Mietvertrages durch die Übersendung einer Kopie eines Schriftsatzes, der mittels EGVP (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) eingereicht wird, nicht genügt wird.

Das Gericht führt aus:

„Ist die Kündigung in einem prozessualen Schriftsatz enthalten, so ist der Zugang einer vom erklärenden unterzeichneten Abschrift des Schriftsatzes beim Gegner erforderlich. Hat der Prozessbevollmächtigte des Vermieters die Kündigung selbst ausgesprochen und führt dieser als Rechtsanwalt den Prozess selbst, so wird dem Formerfordernis im Allgemeinen auch dann genüge getan, wenn der Anwalt den Beglaubigungsvermerk auf der Abschrift des Schriftsatzes unterschrieben hat (…). Zwar bezeugt die Unterschrift auf dem Beglaubigungsvermerk regelmäßig nur ihre Übereinstimmung mit der Urschrift, allerdings übernimmt der Prozessbevollmächtigte des Vermieters bei einem von ihm selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk  im Allgemeinen zugleich die Verantwortung auch für den Inhalt der Urkunde. Diesen Anforderungen wird die Übersendung einer Kopie eines Schriftsatzes, der mittels EGVP eingereicht wird, nicht gerecht. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich um einen förmlich zuzustellenden Schriftsatz, wie z.B. der Klageschrift handelt, bei der die Abschriften von der Geschäftsstelle zu beglaubigen sind (…) oder einen sonstigen Schriftsatz, bei dem die Beglaubigung durch die Geschäftsstelle nicht notwendig ist. Denn die Beglaubigung durch die Geschäftsstelle stellt keinen vom Vermieter oder seinem Bevollmächtigten unterschriebenen Beglaubigungsvermerk dar. Nur mit einem derartigen Beglaubigungsvermerk wird allerdings der Anforderung gerecht, dass der Kündigungsberechtigte bzw. sein Prozessbevollmächtigter mit der Beglaubigung zugleich auch die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde übernimmt. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die gesetzliche Schriftform der Kündigung durch einen Prozessschriftsatz, der mit EGVP übermittelt wird, in der Regel nicht vorliegt.“

Die Kommentarliteratur sieht hinsichtlich der Schriftform die Einreichung der Kündigung mittels Fax nicht als ausreichend an, auch nicht zur Fristwahrung, lässt es aber genügen, wenn die Kündigung per Anwaltsschriftsatz erfolgt, sofern auf dem zugestellten Exemplar der Beglaubigungsvermerk unterschrieben ist. Die Rechtsfrage ist also, ob die Einreichung der unterschriebenen Kopie durch den Anwalt per EGVP einem unterschriebenen Beglaubigungsvermerk des Anwalts auf Papier gleichsteht.

Hinsichtlich Beglaubigungen ist zu unterscheiden in eine Beglaubigung einer Unterschrift, die alleine die Echtheit der Unterschrift und etwaiger Vertretungsberechtigungen bestätigen soll, nicht dagegen den Urkundeninhalt. Daneben gibt es die Beglaubigung einer Abschrift, die bestätigen soll, dass eine Abschrift inhaltlich mit der Vorlage (Urschrift) identisch ist. Diese Beglaubigung bescheinigt nicht zugleich die Echtheit oder Gültigkeit der Vorlage, sondern lediglich die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Vorlage und der Abschrift. Der zweite Fall ist hier betroffen.

Auf der per EGVP eingereichten Kopie kann ein Beglaubigungsvermerk nicht angebracht werden, da dieser Beglaubigungsvermerk ebenfalls kopiert und nicht original unterschrieben wäre. Folglich wäre, da die Beglaubigung durch das Gericht die fehlende Beglaubigung durch den Rechtsanwalt nicht ersetzen kann, bei 1:1 Übertragung der Papierwelt auf die elektronische Welt die Beglaubigung einer Abschrift durch den Anwalt niemals mittels einer Einreichung per EGVP möglich. Genau so argumentiert das Amtsgericht Wiesbaden.

Man muss aber wissen, dass zur Wahrung der Vertraulichkeit von per EGVP versandten Nutzdaten Teile der generierten OSCI-Nachricht verschlüsselt werden. Daher werden bei Anlage eines jeden nicht anonymen Postfaches Zertifikatsinformationen vom Benutzer abgefragt oder ein eigenes Software-Zertifikat generiert und im Verzeichnisdienst hinterlegt. Hierzu muss sich der Inhaber des Postfaches zunächst identifizieren und legitimieren. Es ist von daher ausgeschlossen, dass ein Dritter, d.h. z.B. eine außerhalb der Kanzlei des betreffenden Rechtsanwaltes stehende Person, sich über dieses Postfach anmelden und hierüber Nachrichten versenden kann.

Ich plädiere daher vorliegend für folgende Auslegungsregel:

Kann ein elektronischer Vorgang den Ablauf in der Papierwelt nicht exakt nachbilden, muss es bei Auslegung nach dem Sinn und Zweck der mittlerweile seit dem Inkrafttreten des Justizkommunikationsgesetzes im Jahr 2005 auf Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgerichteten Verfahrensvorschriften ausreichen, wenn der Rechtsanwalt als Inhaber des EGVP-Postfaches eine von ihm unterschriebene Kündigungserklärung per EGVP einreicht.

Die Legitimation des Inhabers ist nämlich bereits bei der Einrichtung des EGVP-Postfaches geprüft worden und eine mangelnde Übereinstimmung der Kopie mit dem Original könnte allenfalls mit einem Fälschungseinwand begründet werden.

Die oben genannte Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden ist für den Elektronischen Rechtsverkehr, sehr gelinde gesagt, äußerst „kontraproduktiv“. Seit Jahren bemühen sich nicht wenige Personen in den Ministerien, den Gerichten, in der Rechtsanwaltschaft und unter den Notaren darum, den Elektronischen Rechtsverkehr voranzubringen. Vor wenigen Wochen wurde hierzu ein Gesetzentwurf zur „Förderung des Elektronischen Rechtsverkehrs“ auf den weiteren Weg gebracht.  Hier hat bereits die Expertenanhörung stattgefunden. Diesen Bemühungen stehen Entscheidungen wie die vorliegende gegenüber, in denen deutlich wird, dass der Transfer von der Papierwelt in die elektronische Welt von der Praxis nicht vollzogen wird.

Die Tribünen-Frage bei „Wer wird Millionär“

Die Fernsehsendung „Wer wird Millionär?“ vom 06.05.2013 hat einige Berühmtheit erreicht durch die gestellte Frage „Wer auf der ‚Tribüne‘ Platz nimmt, tut dies der Wortherkunft zufolge eigentlich, um …?“. RTL gab hier „Recht zu sprechen“ als richtige Antwort aus. Über die Richtigkeit dieser Antwortmöglichkeit ist eine wissenschaftliche Diskussion entbrannt. Fest steht, dass die Herleitung des Begriffes „Tribüne“ und die Verknüpfung des Begriffes mit „Rechtsprechung“ etymologisch äußerst zweifelhaft, zumindest aber wissenschaftlich umstritten sind.

Dies führt zu der Frage, ob dem Kandidaten ein rechtlicher Anspruch auf eine erneute Chance in der Sendung zusteht. Dieser Frage bin ich in einem Beitrag für LTO („Legal Tribune Online“ vom Verlag Wolters Kluwer) nachgegangen, der unter folgendem Link

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/wer-wird-millionaer-jauch-tribuene-wiederholung/

abgerufen werden kann.

Übrigens: „Legal Tribune“ wäre ein Pleonasmus, wenn „Tribüne“ (wie von RTL angenommen) bereits „Rechtsprechung“ assoziieren würde.

Zulässigkeit der Speicherung von Daten von Verkehrsunfällen im Informationssystem der Kfz-Versicherungen

Das Amtsgericht Kassel entschied  mit Urteil vom 07.05.2013, Az.: 435 C 584/13, dass einem Fahrzeughalter kein Löschungsanspruch bzw. Unterlassungsanspruch hinsichtlich von im Informationssystem der Versicherungen gespeicherten Daten zu Verkehrsunfällen zusteht.

Es fehle bereits an der Speicherung personenbezogener Daten, da vorliegend nur das Kfz-Kennzeichen und die Fahrzeugidentifikationsnummer gespeichert worden seien. Dies seien keine personenbezogenen Angaben. Zwar liege die Bestimmbarkeit einer Person auch dann vor, wenn die speichernde Stelle mittels der bei ihr vorhandenen Kenntnisse, Mittel, Möglichkeiten und verfügbaren Hilfsmitteln ohne unverhältnismäßigen Aufwand den Bezug zur gesuchten Person herstellen könne, ein solcher geringer Aufwand liege aber nicht vor, wenn die Daten zum Halter zuerst  über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle erfragt werden müssten.

Die überwiegende Rechtsprechung hat dies zumindest bezüglich IP-Adressen anders gesehen und dort die bloße „Personenbeziehbarkeit“ ausreichen lassen. Über den ggf. erforderlichen „geringen Aufwand“ hätte man bei IP-Adressen ebenfalls trefflich streiten können.

Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folge, finde sich in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG eine hinreichende Grundlage für die Speicherung der konkreten Fahrzeugdaten. Danach ist die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung dann zulässig, wenn kein Grund zur Annahme schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss von Erhebung und Speicherung vorliegt. Dies sei vorliegend der Fall.

Das Gericht sagt hierzu:

„Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. Ein schutzwürdiges Interesse des betroffenen Fahrzeughalters vermag das Gericht indessen nicht zu erkennen. Denn es fehlt an den hierfür erforderlichen konkreten Anhaltspunkten, die Grund zur Annahme dafür liefern, dass die Speicherung der Daten den Rechtskreis der betroffenen Person, hier des Klägers, beeinträchtigen könnte (vgl. Gola/Schomerus, § 29 BDSG Rdnr. 10, 12).“

Das Gericht geht auch auf Einwände in der Literatur hinsichtlich der Speicherung der Daten durch Versicherungen ein:

„Der in der Literatur geäußerten Auffassung, mit Hilfe eines solchen Systems könne das Datenschutzrecht ausgehebelt und faktisch eine ‚schwarze Liste‘ für unerwünschte Risiken in der Versicherung geschaffen werden (so z.B. Riemer, ZRP 2009, S. 111), vermag das erkennende Gericht nicht zu folgen. Denn im Falle einer Neuversicherung des Betroffenenfahrzeuges könnte selbst dann, wenn entgegen den vorgelegten Statuten des … ein Versicherungsunternehmen bei der Risikoprüfung den Datensatz abrufen würde, daraus kein Erkenntnis gewonnen werden, das Auswirkungen auf die Beurteilung des Risikos hätte. Denn der Fahrzeughalter ist nicht als Schadensverursacher registriert. Im konkreten Fall ist dies nämlich der Unfallgegner des Klägers. Bei der genannten Auffassung dürfte es sich deswegen um eine rein spekulative Vermutungen handeln.“

Die Entscheidung des Amtsgerichts Kassel birgt einigen Sprengstoff. Die Entscheidung stellt nämlich alleine auf die im entschiedenen Fall betroffenen Daten ab. Die Kritik der Literatur beschäftigt sich hingegen nicht so sehr mit einzelnen Daten, sondern sieht die Gesamtheit der von den Versicherungen erhobenen und gespeicherten Daten, die durchaus zu einem System der Risikominimierung für die Versicherungen führen können.

Im Kommentar von Gola/Schomerus (BDSG Kommentar, 11. Auflage, § 29 Rdnr. 7) ist das Funktionieren des Informationssystems HIS näher beschrieben. Dort ist formuliert:

“…Hierbei leiten die einzelnen Versicherungen die Daten derjenigen Personen, die als besonderes Risiko erkannt wurden oder in dubiose Versicherungsfälle verwickelt waren, an das Hinweissystem weiter. Als ‚dubios‘ werden ggf. auch Fälle behandelt, in denen der Versicherte häufig ‚auffällig‘ geworden ist.“

Ob die Kritik der Literatur angesichts dessen als „rein spekulative Vermutung“ bezeichnet werden kann, erscheint fraglich.

Kein Wettbewerbsverstoß bei Fehlen eines Hinweises auf die Berufshaftpflichtversicherung

Das LG Dortmund hat mit Urteil vom 26.03.2013, Az.: 3 O 102/13, entschieden (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/dortmund/lg_dortmund/j2013/3_O_102_13_Urteil_20130326.html), dass das Fehlen eines Hinweises auf eine Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwaltes im Impressum des Internetauftritts der Kanzlei keinen Wettbewerbsverstoß begründet. Das Gericht begründet dies zum einen damit, dass kein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 11 der DL-InfoV vorliege. § 2 Abs. 2 DL-InfoV räume dem Dienstleistungserbringer vier alternative und gleichwertige Möglichkeiten zur Erfüllung der Pflicht aus § 2 Abs. 1 DL-InfoV ein. So erlaube es der § 2 Abs. 2 Nr. 2 DL-InfoV dem Dienstleistungserbringer seine Pflicht zur Bereitstellung der Informationen dadurch zu erfüllen, dass am Ort der Leistungserbringung oder aber des Vertragsschlusses die erforderlichen Informationen so vorgehalten werden, dass sie dem Dienstleistungsempfänger leicht zugänglich sind. Dazu zähle beispielsweise auch ein Aushang im Geschäftslokal, der leicht zu sehen sein muss. Dies sei im vorliegenden Fall unwidersprochen vorgetragen worden. Zudem würde es auch an der nach § 3 Abs. 1 UWG erforderlichen spürbaren Beeinträchtigung eines etwaigen Verstoßes fehlen. Denn bei Verstößen gegen Vorschriften wie der DL-InfoV sei stets sorgfältig zu prüfen, ob nicht ein Bagatellverstoß anzunehmen ist. So könne die Spürbarkeit nämlich zu verneinen sein, wenn die unlautere geschäftliche Handlung allenfalls geeignet ist, für den Handelnden einen geringfügigen Wettbewerbsvorsprung zu begründen.

Die Entscheidung des LG Dortmund ist zu begrüßen. Insbesondere die Annahme eines Bagatellverstoßes ist angesichts der ohnehin bestehenden gesetzlichen Verpflichtung für Rechtsanwälte eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, naheliegend. Wettbewerbsvorteile sind daher in diesem Bereich kaum begründbar.

Dürfen Hörbücher und E-Books weiterverkauft werden?

Mit der Frage, ob per Download auf einer Internetseite des Anbieters erworbene Hörbücher und E-Books weiterverkauft werden dürfen, hatte sich das LG Bielefeld in einem Urteil vom 05.03.2013, Az.: 4 O 191/11 (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bielefeld/lg_bielefeld/j2013/4_O_191_11_Urteil_20130305.html) zu befassen. Gegenstand des Rechtsstreits war die vom Bundesverband der Verbraucherzentralen angegriffene Klausel

„§ 10 (3). Im Rahmen dieses Angebotes erwirbt der Kunde das einfache, nicht übertragbare Recht, die angebotenen Titel zum ausschließlich persönlichen Gebrauch gemäß Urheberrechtsgesetz in der jeweils angebotenen Art und Weise zu nutzen.

Es ist nicht gestattet, die Downloads in irgendeiner Weise inhaltlich und redaktionell zu ändern oder geänderte Versionen zu benutzen, sie für Dritte zu kopieren, öffentlich zugänglich zu machen bzw. weiterzuleiten, im Internet oder in andere Netzwerke entgeltlich oder unentgeltlich einzustellen, sie nachzuahmen, weiterzuverkaufen oder für kommerzielle Zwecke zu nutzen.“

Das LG Bielefeld hielt die Klausel in dem o.a. Urteil für wirksam und entschied damit, dass Hörbücher und E-Books, die per Download erworben werden, nicht weiterverkauft werden dürfen.

Rechtlicher Streitpunkt ist die urheberrechtliche Regelung der Erschöpfung, die in § 17 Abs. 2 UrhG allgemein und in § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG speziell für Computerprogramme geregelt ist. Diese Regelungen besagen, dass die Weiterverbreitung (mit Ausnahme der Vermietung) zulässig ist, wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sind.

Hier entstehen nun verschiedene Streitfragen, die das LG Bielefeld in seiner Entscheidung behandelte. Zum einen ist dies die Frage, ob § 17 Abs. 2 UrhG auch für heruntergeladene Dateien gilt, d.h. für nicht „körperliche“ Werke. Das LG Bielefeld ist hierzu der Ansicht, dass von § 17 Abs. 2 UrhG lediglich die Weiterverbreitung des konkreten körperlichen Werkexemplares erfasst sei, nicht aber das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) oder das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Ein allgemeiner und ggf. analog anzuwendender Grundsatz der Erschöpfung könne aus § 17 Abs. 2 UrhG nicht hergeleitet werden, da § 17 Abs. 2 UrhG vor dem Hintergrund der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen sei, die die Frage der Erschöpfung bei Online-Diensten ausdrücklich ausnehme.

Das LG Bielefeld geht dann im Folgenden auf die Frage ein, ob sich aus der Entscheidung des EuGH vom 03.07.2012, Rs. C-128-11 (UsedSoft/Oracle) (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20120112), etwas anderes ergebe. Der EuGH hatte dort bezüglich eines heruntergeladenen Computerprogrammes entschieden, dass körperliche Weitergabe und unkörperliche Weitergabe durch Herunterladen des Programmes aus dem Internet gleichzustellen seien und hatte eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts angenommen. Der EuGH hatte diese Ansicht mit der Anwendung und Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG begründet, da in dem gegebenen Fall ein Computerprogramm zugrunde lag. Das LG Bielefeld lehnte eine Anwendung dieser Grundsätze auf Hörbücher und E-Books ab, da insoweit nicht die Spezialregelungen für Computerprogramme eingreifen könnten. Die europarechtliche Auslegung des § 17 Abs. 2 UrhG habe nicht im Lichte der zu Computerprogrammen ergangenen Richtlinie 2009/24/EG, sondern alleine auf der Grundlage der Richtlinie 2001/29/EG zu erfolgen. Der EuGH habe den Erschöpfungsgrundsatz zudem in seiner Entscheidung nicht auf das Vervielfältigungsrecht ausgedehnt.

Die Entscheidung des LG Bielefeld wird in den ersten Kommentierungen überwiegend abgelehnt. Diese Kommentierungen sehen in der EuGH-Entscheidung vom 03.07.2012 einen allgemeinen Rechtsgrundsatz hinsichtlich der Erschöpfung. Die Entscheidung des LG Bielefeld widerspreche daher der europarechtlichen Auslegung. Auch wird von den Kommentatoren der substantielle Unterschied zwischen Computerprogramm per Download einerseits und Multimedia-Datei per Download andererseits in Zweifel gezogen. Die Richter des LG Bielefeld hätten die Frage, ob hier ein wirklicher Unterschied bestehe, bewusst unbeantwortet gelassen.

Das LG Bielefeld kommt in seiner Entscheidung zu dem gleichen Ergebnis wie das LG Hamburg (Urteil vom 20.09.2011, Az.: 312 O 414/10) und das OLG Stuttgart (Urteil vom 03.11.2011, Az.: 2 U 49/11 (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20120056)), wobei diese beiden Entscheidungen wohlgemerkt noch vor der zitierten EuGH-Entscheidung ergangen waren.

Ich gebe die folgenden beiden Punkte zu bedenken:

1)Der EuGH hat in seiner Entscheidung (Tz. 52) formuliert:

„Wie der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge ausführt, geht aus Art. 6 Abs. 1 des Urheberrechtsvertrags, in dessen Licht die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/29 nach Möglichkeit auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2008, Peek & Cloppenburg, C‑456/06, Slg. 2008, I‑2731, Randnr. 30), hervor, dass eine „[Handlung] der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 durch eine Eigentumsübertragung zu einer Handlung der Verbreitung im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie wird, die, wenn die Voraussetzungen von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt sind, ebenso wie der „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen kann.“

Geht man in Subsumtion dieser Aussage des EuGH davon aus, dass die Weitergabe der heruntergeladenen Hörbuch-Datei eine öffentliche Wiedergabe („einschließlich des öffentlichen Zugänglichmachens“) ist, dann könnte durch eine Eigentumsübertragung hinsichtlich der Datei, auf die es dann – entgegen der Ansicht des LG Bielefeld – ankäme, eine Handlung der Verbreitung angenommen werden, die dann gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen könnte.

2) Der EuGH lässt in Tz. 60 seiner Entscheidung ausdrücklich offen, ob die Richtlinie 2001/29/EG hinsichtlich der unter die Erschöpfung des Verbreitungsrechts fallenden Werke nur materielle, also körperliche, Werke betreffen soll.

Der EuGH formuliert insoweit:

„Doch selbst wenn sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 in seiner Auslegung im Licht der Erwägungsgründe 28 und 29 der Richtlinie sowie des Urheberrechtsvertrags, der durch die Richtlinie 2001/29 umgesetzt werden soll (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C‑277/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59), ergäbe, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei den unter diese Richtlinie fallenden Werken nur materielle Güter beträfe, ließe dies die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 unberührt, da der Unionsgesetzgeber im konkreten Kontext dieser Richtlinie einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat.“

Wäre der EuGH davon überzeugt gewesen, dass die Richtlinie 2001/29/EG insoweit in jedem Fall nur körperliche Werke erfasst, hätte der EuGH dies entsprechend formulieren können. Die gewählte Formulierung des EuGH lässt auch andere Deutungen zu. Jedenfalls ist die vom LG Bielefeld vorgenommene Auslegung angesichts dieser Formulierung des EuGH nicht zwingend.

Die Sache bleibt in jedem Fall spannend, da der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berufung gehen wird.