AG Kassel: Unternehmereigenschaft eines eBay-Verkäufers

Das AG Kassel (Urteil vom 02.05.2018, Az.: 435 C 419/18 = http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8063559) hat entschieden, dass ein Verkäufer bei eBay als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB zu behandeln ist, wenn er in zwei Jahren mehr als 200 Verkäufe/Käufe auf eBay getätigt hat.

Zitat aus dem Urteil:

„Zwar hat er sich unstreitig auf seinem eBay-Account als Privatverkäufer bezeichnet. Maßgeblich ist jedoch nicht diese Selbstbezeichnung, sondern das tatsächliche Erscheinungsbild (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.07.2007 – 6 W 66/07, zit. n. juris). Unternehmer ist nach der letztgenannten Vorschrift jedermann, der am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet, ohne dass es – jedenfalls beim Verbrauchsgüterkauf – auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankommt (BGH NJW 2006, S. 2250). Nach diesen Kriterien ist der Beklagte Unternehmer, weil er planmäßig und dauerhaft entgeltliche Leistungen auf der Internetplattform eBay anbietet. Die Unternehmereigenschaften eines Verkäufers auf dieser Internetplattform ist dann anzunehmen, wenn in zwei Jahren mehr als 200 Verkäufe/oder Käufe stattgefunden haben, die Dauer und/oder der Umfang der Verkaufstätigkeit auf eine unternehmerische Tätigkeit hinweist oder der Auftritt auf der Internetplattform in geschäftsformmäßiger Ausgestaltung erfolgt (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).“

Weiter heißt es im Urteil:

„In Anwendung dieser Kriterien liegt eine unternehmerische Tätigkeit vor, weil der Kläger unwidersprochen im Monat zwischen 17 und 25 Verkäufe über die genannte Internetplattform angeboten. Unwidersprochen hat er im Zeitpunkt der Klageerwiderung, welche unter dem 04.04.2018 datiert, 17 gleichartige Artikel gleichzeitig angeboten. Hochgerechnet bedeutet dies, dass die Schwellenzahl von 200 Verkaufsvorgängen pro Kalenderjahr vom Kläger ohne weiteres überschritten wird. Auch die Gleichartigkeit der Artikel – nach dem auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten bietet der Kläger nahezu ausschließlich Waren aus dem Segment der Computerspiele, Spielkonsolen und Comics an – deutet auf eine geschäftsformmäßige Tätigkeit hin, zumal sich – wiederum unwidersprochen geblieben – auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Verkäufen von Neuwaren findet. Dem steht die Anzahl von 51 Bewertungen im Zeitraum von sechs Monaten bis zum 19.03.2018 nicht entgegen, weil die Anzahl der Bewertungen lediglich ein Indiz für die Tätigkeit einer Person auf der Internetplattform eBay darstellt. Denn es kann nicht unterstellt werden, dass jeder Verkaufsvorgang auch zu einer Bewertung führt. Andererseits belegt bereits dieser Zeitraum, dass der Kläger diese Tätigkeit auf Dauer angelegt hat, zumal auch aus den davorliegenden weiteren sechs Monaten weitere (wenn auch weniger) Bewertungen bekannt sind. Dies führt lediglich zu dem Schluss, dass der Kläger in jüngerer Zeit seine Tätigkeit intensiviert hat.“

BGH: Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut Kaufpreiszahlung verlangen

BGH, Urteile vom 22. November 2017, VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16
(Quelle: Pressemitteilung des BGH)

Der Bundesgerichtshof hat sich in zwei Entscheidungen erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz befasst.

Problemstellung:

Der Online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei Internetgeschäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (namentlich der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie) geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer den bestellten Kaufgegenstand nicht erhalten hat oder dieser erheblich von der Artikelbeschreibung abweicht. Hat ein Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.

In beiden Revisionsverfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Im Verfahren VIII ZR 83/16 kaufte die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vom Kläger auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rund 600 €, den sie über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Klägers eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (vereinbarungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Beklagte zu 1. Diese teilte dem Kläger anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachforschungsauftrag des Klägers beim Versanddienstleister blieb erfolglos. Daraufhin beantragte die Beklagte zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nachdem der Kläger auf Aufforderung von PayPal keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt hatte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Klägers auf das PayPal-Konto der Beklagten zu 1 zurück. Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Klägers hat in zweiter Instanz Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 erwarb der Beklagte von der Klägerin über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 € ebenfalls über den Online-Zahlungsdienst PayPal. Der Beklagte beantragte Käuferschutz mit der Begründung, die von der Klägerin gelieferte Säge entspreche nicht den von ihr im Internet gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Beklagte ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten vor, wonach die Säge – was die Klägerin bestreitet – von „sehr mangelhafter Qualität“ und „offensichtlich ein billiger Import aus Fernost“ sei. Daraufhin forderte PayPal den Beklagten auf, die Metallbandsäge zu vernichten, und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück. In diesem Fall ist die auf Kaufpreiszahlung gerichtete Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises zwar erlischt, wenn der vom Käufer entrichtete Kaufpreis vereinbarungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Jedoch treffen die Kaufvertragsparteien mit der einverständlichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.

Im Einzelnen:

Die Vereinbarung, zur Tilgung einer Kaufpreisschuld den Online-Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, wird von den Vertragsparteien in der Regel als Nebenabrede mit Abschluss des Kaufvertrags getroffen. In diesem Fall ist die vom Käufer geschuldete Leistung bewirkt und erlischt somit der Kaufpreisanspruch des Verkäufers, wenn der betreffende Betrag dessen PayPal-Konto vorbehaltlos gutgeschrieben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer frei über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.

Dennoch steht dem Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, vereinbaren die Vertragsparteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels PayPal) getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn – wie in den vorliegenden Fällen geschehen – das PayPal-Konto des Verkäufers nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird.

Dies ergibt sich aus einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der zwischen PayPal und den Nutzern des Zahlungsdienstes jeweils vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Diese hebt unter anderem ausdrücklich hervor, dass PayPal „lediglich“ über Anträge auf Käuferschutz entscheidet. In der im Verfahren VIII ZR 83/16 verwendeten (neueren) Fassung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie heißt es zudem, diese berühre „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht“ und sei „separat von diesen zu betrachten“. Namentlich mit Rücksicht auf diese Bestimmungen besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen sein soll, anstelle eines Antrags auf Käuferschutz oder auch nach einem erfolglosen Antrag die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer gar nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Leistung Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es allein interessengerecht, dass umgekehrt auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut – im Wege der Wiederbegründung seines Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises – berechtigt sein muss, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Wiederbegründung der Kaufpreisforderung ist auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlegt, der eine sachgerechte Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien – anders als das gesetzliche Mängelgewährleistungsrecht – nicht sicherzustellen vermag. Gleichwohl ist ein erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz für den Käufer von Vorteil, weil er danach den (vorgeleisteten) Kaufpreis zurückerhält, ohne den Verkäufer auf Rückzahlung – gegebenenfalls im Klageweg – in Anspruch nehmen zu müssen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Revision der Beklagten im Verfahren VIII ZR 83/16 zurückgewiesen, da das Berufungsgericht hier im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos in Folge des Antrags auf PayPal-Käuferschutz erneut ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zustehe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten das Mobiltelefon nach ihrer Behauptung nicht erhalten haben, denn mit der unstreitig erfolgten Versendung desselben ging die Gefahr des zufälligen Verlustes auf dem Versandweg – anders als es bei einem hier nicht vorliegenden Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer (Verbrauchsgüterkauf) der Fall wäre – auf die Beklagte zu 1 über.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 hatte die Revision demgegenüber Erfolg, weil das Berufungsgericht trotz der Rückbuchung aufgrund des Antrags auf PayPal-Käuferschutz den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung verneint hatte. Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, damit es Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob und inwieweit sich der Beklagte gegenüber dem wiederbegründeten Kaufpreisanspruch der Klägerin auf gesetzliche Mängelgewährleistungsrechte berufen kann.