AG Köln: Begrenzung des Schadensersatzes und der Abmahnkosten in Filesharing-Fällen

Das AG Köln hat mit Teil-Versäumnis-Urteil und Urteil vom 10.03.2014, Az.: 125 C 495/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2014/125_C_495_13_Teil_Versaeumnis_und_Urteil_20140310.html), den Schadensersatz in Filesharing-Fällen auf 10,00 Euro pro Musiktitel begrenzt und zudem als Gebührenstreitwert für die Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten 1000,00 Euro angenommen.

Zur Begründung der Begrenzung des Schadensersatzes auf 10,00 Euro verweist das Gericht auf die technischen Zusammenhänge beim Filesharing, die einen höheren Schadensersatz pro Musiktitel als übersetzt erscheinen ließen.

Das Gericht hierzu wörtlich:

„Filesharing ist die über spezielle Netzwerke oder Protokolle wie C bewirkte Weitergabe und damit Verbreitung von Dateien an eine unbestimmte Vielzahl von Internetteilnehmern. Dabei wird sowohl bei den Netzwerken als auch bei Nutzungen des C-Protokolls der Download der Dateien, die ein Benutzer nachfragt, regelmäßig mit dem Upload derselben Dateien verbunden. Dies führt dazu, dass alle, zumindest fast alle Internetnutzer, die sich die betroffene Datei über Filesharing illegal aus dem Internet „besorgen“, durch die entsprechende Software automatisch und häufig ohne es zu wissen oder zu wollen an der Weiterverbreitung der Dateien beteiligt werden. Damit unterscheidet sich Filesharing von fast allen anderen Urheberrechtsverletzungen insoweit, als das nicht einzelne Verletzer das Werk nutzen und an eine regelmäßig wesentlich größere Öffentlichkeit weiterverbreiten, sondern die Gruppe der Weiterverbreiter, (also der Urheberrechtsverletzer) und der Nutzer (zumindest weitgehend) identisch ist.

Vor dem oben beschriebenen technischen Hintergrund stellt die „Nutzung des verletzten Rechts“ i. S. d. Gesetzes nicht mehr als die Teilnahme an der Verbreitung der Dateien durch ein Einzelmitglied eines Netzwerkes dar, an das häufig viele Millionen Menschen angeschlossen sind. Vor dem beschriebenen technischen Hintergrund würde sich das Lizenzentgelt grundsätzlich an dem Entgelt für eine legale Nutzung der entsprechenden Dateien orientieren. Beträge in der Größenordnung mehrerer 100,00 € pro Musiktitel erscheinen als völlig übersetzt.“

Bezüglich der Abmahnkosten erwähnt das Gericht die Vorschrift des neuen § 97 a Absatz 3 UrhG, lehnt dessen Anwendung auf den hier vorliegenden „Altfall“ aber ab. Gleichwohl gelangt das Gericht aufgrund einer sozusagen entsprechenden Anwendung des § 97 a Absatz 2UrhG zu einer Festsetzung des Gebührenstreitwertes auf 1000,00 Euro.

Mit sehr deutlichen Worten distanziert sich das Gericht von der gängigen Praxis der Festsetzung hoher Gebührenstreitwerte für die Berechnung der Abmahnkosten, nennt diese einen „faulen Kompromiss“ und geht dabei auch auf die Motivationen des Gesetzgebers bei der Schaffung des „Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ ein.

Das Gericht mit erstaunlich klaren Worten:

„Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 130,50 € gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit einem Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen. Diesen Streitwertansatz gibt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem durch es eingeführten § 97 a Abs. 3 UrhG vor. Allerdings gilt diese Bestimmung erst ab dem 9. Oktober 2013 und damit nicht im vorliegenden Fall. Doch ist vorliegend der seit 2008 geltende alte § 97 a UrhG anzuwenden, der nach seinem Absatz 2 Gebühren für eine erstmalige Abmahnung bei in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 € begrenzte. Diese Voraussetzungen liegen hier bis auf den Umstand, dass es sich bei Filesharing nach Auffassung des Gerichts nicht um einfach gelagerte Fälle von Urheberrechtsverletzung handelt, vor. Von den Rechtsfolgen her legt diese Regelung daher auch ein Streitwert von 1.000,00 € nahe. Jedenfalls erscheinen Streitwertbemessungen von 50.000,00 € oder gar 10.000,00 € pro Musiktitel mithin im vorliegende Fall von 130.000,00 € als völlig übersetzt.

Es entsteht der Eindruck, dass die herrschende Rechtspraxis die beiden, die anwaltlichen Abmahngebühren bewusst begrenzenden gesetzlichen Regelungen aus den Jahren 2008 und 2013 offensichtlich soweit irgend möglich, ignoriert. In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein „Abmahnunwesen“ bzw. eine „Abmahnindustrie“ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. Insoweit darf auf die oben zitierten Worte der Bundesregierung und die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2013 verwiesen werden, nach der die herrschende Abmahnpraxis in der Öffentlichkeit als „Abzocke“ wahrgenommen und das Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird.

Der herrschenden Meinung ist schließlich entgegenzuhalten, dass sie völlig im Unklaren lässt, wie die angesetzten Streitwerte bemessen werden: Das Interesse an dem Unterlassen eines Filesharings eines populären Werks insgesamt ist sicherlich regelmäßig mit Streitwerten von Millionen von Euro anzusetzen, das Interesse daran, dass eine Person weniger, nämlich der jeweilige Beklagte an diesem teilnimmt, ist mit 1.000,00 € sicherlich nicht zu niedrig angesetzt. Damit stellen sich die gängigen Wertfestsetzungen als faule Kompromisse dar.“

Es bleibt für die Anwälte, die Interessen der Abgemahnten vertreten, zu hoffen, dass mehr und mehr Amtsgerichte sich diesen Argumenten anschließen.

VGH Baden-Württemberg: Journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV

In einem Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 25.03.2014, Az.: 1 S 169/14, (http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Art=en&Datum=2014&Seite=1&nr=17986&pos=12&anz=202) war die Frage von Bedeutung, ob es sich bei einem Internetangebot eines Unternehmens, das Internetportale für Ausschreibungen in der Bauwirtschaft anbietet, um ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV handelt.

In dem entschiedenen Fall hatte der Betreiber der Portale an mehrere öffentliche Stellen, u.a. an die Antragsgegnerin, Anfragen wegen Informationen zu Einzelheiten zu Vergabeverfahren gestellt, die nach kurzer Zeit nicht mehr beantwortet worden waren. Der Betreiber der Portale verlangte darauf hin, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, der Antragstellerin jeweils auf Antrag und ein entsprechendes Auskunftsersuchen nach Ablauf der Bindefrist und damit nach Beendigung des Vergabeverfahrens die im entsprechenden Umfang (Auftragnehmer, Zahl der Bieter, Auftragssumme) verlangte Auskunft zu erteilen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde beim VGH hatte keinen Erfolg.

Der VGH entschied, dass Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV nur solche sind, die sowohl journalistisch als auch redaktionell gestaltet sind. Dies bedeutet nach Ansicht des VGH, dass beide Bestandteile, d.h. „journalistisch“ und „redaktionell“ kumulativ vorliegen müssen. Auch auf kleine Zielgruppen zugeschnittene Angebote können nach Ansicht des VGH journalistisch sein, wenn sie eine erkennbare publizistische Zielsetzung haben, d.h. von der Intention her auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – jedenfalls innerhalb der Zielgruppe – angelegt sind. Letzteres verneinte der VGH:

„Entscheidend ist, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht festgestellt werden kann, dass das Angebot insgesamt oder einzelne abgrenzbare Teile (E-Mail-Service, Suche nach Vergabeverfahren, Kontakt- oder Adress-Center) eine publizistische Zielsetzung haben. Vielmehr sind die Angebote auf die Geschäftsinteressen der gewerblichen Nutzer aus dem Bereich der Bauwirtschaft und auf die eigenen Geschäftsinteressen der Antragstellerin (Gewinnung zahlender Premiumnutzer) zugeschnitten. …. Schließlich spricht auch die Gestaltung des Impressums der Internetportale der Antragstellerin dagegen, dass es sich bei ihr um einen Anbieter mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten handelt. Als solcher müsste sie nach § 55 Abs. 2 RStV einen Verantwortlichen für die Webseite benennen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es wird lediglich ein „Ansprechpartner/Webmaster“ benannt und darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin als Diensteanbieter gemäß § 7 Abs. 1 TMG für eigene Inhalte auf diesen Seiten nach allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist.“

FG Münster: Mehrdeutige Rechtsbehelfsbelehrung führt zu verlängerter Einspruchsfrist

Die Familienkasse hatte vom späteren Kläger Kindergeld in Höhe von über 5.000 Euro zurückgefordert. Der Bescheid wurde ihm im März 2011 zugestellt und enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf eine einmonatige Einspruchsfrist hinwies. Sie enthielt außerdem noch folgende Formulierung: „Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse“.

Das Finanzgericht Münster entschied mit Urteil vom 09.01.2014, Az.: 3 K 742/13:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, wenn sie in einer der gemäß § 356 Abs. 1 AO, § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint . Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung noch andere als die notwendigen Angaben, so müssen auch diese Angaben richtig, vollständig und unmissverständlich sein. …

Grundsätzlich sollen nach der Rechtsprechung des BFH die von den Familienkassen verwendeten „wichtige Hinweise“ regelmäßig keine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung darstellen. Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob die Rechtsbehelfsbelehrung selbst den Anforderungen des § 356 Abs. 1 AO entspricht. …

In der Rechtsbehelfsbelehrung im Streitfall entstand nämlich aufgrund der ergänzenden Angaben in den Hinweisen der Familienkasse unmittelbar im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung, dass sich der Kläger an die zuständige Familienkasse wenden soll, wenn er mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sei, eine Mehrdeutigkeit mit der Folge, dass hierdurch die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet war. Die Familienkasse hat durch die Beifügung dieses Satzes die zuvor erteilte Rechtsbehelfsbelehrung in ihr Gegenteil verkehrt.“

Das Gericht sah den Einspruch des Klägers vom August 2011 folglich als innerhalb der verlängerten Einspruchsfrist von einem Jahr eingelegt an.