Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 13.06.2024, 16 U 195/22, https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240000784 entschieden, dass die Haftung des Hostproviders für rechtsverletzende Inhalte eine konkrete Verdachtsmeldung voraussetzt. Ein Plattformbetreiber hafte für rechtsverletzende Inhalte (hier: Beanstandungen eines Antisemitismusbeauftragten) von Nutzern der Plattform nur, wenn die Beanstandungen eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein können – so konkret gefasst seien, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden könne.
Das OLG hat dies für die nachfolgend wiedergegebenen Äußerungen (siehe unten „Zitate“) verneint und damit eine Haftung des Hostproviders ausgeschlossen. Das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 14.12.2022, 2-03 O 325/22) war noch anderer Ansicht gewesen. Der Streitwert wurde auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Zitate:
„1. „Hat der antisemitische Bürokrat C @(…) eine Nähe zur Pädophilie, weil C Kontakt mit einer ‚möglicherweise minderjährigen Asiatin‘ aufgenommen hat?“,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 6 des Nutzers @A vom XX.XX.2022 um 18:36 Uhr ersichtlich:
(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)
2. „C @(…) war auf der Suche nach ‚einer minderjährigen Asiatin‘“,
„Duldet @(…) Cs sexuelles Fehlverhalten? Duldet Cs Frau D (…) sein sexuelles Fehlverhalten?.“,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 4 von @A vom XX.XX.2022 um 21:34 Uhr ersichtlich:
(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)
3. „Kollegen von Cs Frau D sagen, dass C @(…) einen Seitensprung gemacht hat. Seitensprung war mit E“,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 3 von @A vom XX.XX.2022 um 21:34 ersichtlich:
(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)
4. „Ich bekomme auch die ‚persönlichen Daten‘ von dem Pack der Antisemiten um @(…) C“,
„Ich kann die Namen der Antisemiten wie @(…) in meinem Artikel über Antisemitismus nennen“,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 1 von @A vom XX.XX.2022 um 19:24 Uhr ersichtlich:
(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)
5. „Das ist gut für mich und für dich als Antisemit und für das Pack von Antisemiten um @(…)“,
wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 2 von @A vom XX.XX.2022 um 19:30 Uhr ersichtlich:
(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)“
Eigener Kommentar:
Bei der Auslegung lässt das OLG die Intention der zeitlich nach dem hier gegenständlichen Vorfall ergangenen EU-Verordnung 2022/2065 vom 19.10.2022 (siehe dazu vor allem Erwägungsgrund 50) leider außer Acht. Danach haftet der Hostprovider nach Art. 6 Abs. 1 der EU-VO nicht, wenn er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht. Wenn in diesem Zusammenhang das Gericht z.B. der Ansicht ist, dass der Antragsteller konkret dazu vorzutragen habe, dass es sich bei dem Antragsteller um den Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg handele, verkennt und überspannt das Gericht m.E. die vom BGH für eine tatsächliche Kenntnis von Umständen aufgestellten Grundsätze und lässt die Wertung, die sich aus § 291 ZPO (offenkundige Tatsachen) – wohlgemerkt für die Gerichtsperspektive (!) – ergibt, unbeachtet. Wenn die oben im Einzelnen aufgeführten Rechtsverstöße, zu denen jeweils noch ergänzend Bildmaterial von Antragstellerseite vorgelegt wurde, nicht hinreichend konkret sind, werden die Anforderungen für den Vortrag einer Rechtsverletzung m.E. unzulässig überspannt. Will man es unfreundlicher formulieren, kann man auch von einem skandalösen Urteil sprechen.