Hinweise für Webseiten-Ersteller

Am 14.05.2024 ist das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) in Kraft getreten. Es löst das Telemediengesetz ab. In § 5 DDG sind die allgemeinen Informationspflichten für Diensteanbieter geregelt. Diese entsprechen weitgehend den Regelungen des früheren § 5 TMG.

Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung wird nach der Annahme der Verordnung (EU) 2024/3228 zum 20. Juli 2025 eingestellt. Der letzte Termin für die Einreichung neuer Beschwerden über die bisherige OS-Plattform ist der 20. März 2025. Verbraucher können die Plattform noch bis zum 19. Juli 2025 für Beschwerden nutzen, die bis zum 20. März 2025 allerdings eingereicht sein müssen.

Beobachtungen aus der Praxis

1

Aus einem Verfahren vor dem Landgericht Saarbrücken gebe ich nachfolgend meinen kleinen Dialog mit dem Vorsitzenden Richter (aus der Erinnerung) wieder.

Hintergrund war, dass ein Sachverständiger in der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Beklagtenseite gehört werden sollte zu Feststellungen eines von Beklagtenseite beauftragten anderen Gutachters. Ich hatte die Ladung zum Termin erhalten, dort stand am Ende die Anweisung, dass der Beklagte einen Kostenvorschuss „… Euro“ zu leisten habe. Das private Gutachten der Beklagtenseite war nicht beigefügt.

Es kam (sinngemäß) zu folgendem kleinen Dialog:

„Das Gutachten liegt mir nicht vor, ich rüge die Verletzung rechtlichen Gehörs.“
„Aber Sie haben doch die Ladung bekommen, da stand doch der angeforderte Kostenvorschuss drauf.“
„Das stimmt, aber wenn ich mich auf eine Befragung vorbereiten will, muss ich doch wenigstens das Gutachten der Gegenseite vorliegen haben.“
„Das Gutachten muss Ihnen zugegangen sein, ich habe dies verfügt.“
„Ich habe aber kein eEB abgegeben.“
„Das stimmt, es ist keines in der Akte, ich hatte den Versand aber verfügt, dann ist das nicht rausgegangen. Wissen Sie, wir haben so wenig Beschäftigte in der Geschäftsstelle, ich bin manchmal froh, wenn überhaupt irgendwas funktioniert…“
„Die Geltung der ZPO ist von der Stellensituation im mittleren Justizdienst unabhängig.“

Der Sachverständige wurde dann rein informatorisch gehört, weil er eben da war, Anreise ca. 250 km.

2

Einem Rechtspfleger sollte eine dringende Zustellung gemacht werden, die dem/der Richter/in vorgelegt werden sollte. In einem Telefonat vorab wurde der Rechtspfleger bereits über den Inhalt informiert. Er sagte, schicken Sie mir das bitte vorab per Telefax, bis ich es bzw. der Richter/die Richterin über beA auf dem Tisch habe(n), dauert ca. 3-4 Tage….

3

Diese o.g. Liste ließe sich erweitern.

Am 01.01.2026 soll und muss nach den bislang (noch) geltenden Gesetzen bei den Gerichten die elektronische Aktenführung eingeführt sein und muss funktionieren. Während die Anwaltschaft mit dem besonderen elektronischen Postfach (beA) bereits einige Jahre vorher sozusagen „vorleisten“ musste – das war die Kröte, die die Anwaltschaft angesichts des von den Experten ausgemachten sog. „Henne-Ei-Problems“ schlucken musste – muss ab dem 01.01.2026 auch die Justiz die Kommunikation komplett umstellen bzw. umgestellt haben.

Für Länder mit guter finanzieller Ausstattung ist dies ein kleineres Problem als für Länder mit stark defizitären Haushalten, wo es bereits am Nötigsten fehlt, was jedem Rechtsanwalt / jeder Rechtsanwältin im Saarland klar vor Augen ist, wenn er/sie z.B. das Gebäude „HKD II“ in Saarbrücken betritt.

Probleme entstanden vor allem wegen der Länderzuständigkeit für die Justiz, was in der Anfangsphase zu sog. „Entwicklerverbünden“ von bestimmten Ländern und zur parallelen Entwicklung verschiedener „Lösungen“ führte. Dies behinderte anschließend die Zusammenarbeit aller Länder, so dass – zunächst ohne Rechtsgrundlage, diese kam erst im Jahr 2008/2009 dazu – Bund-Länder-Kommissionen gebildet wurden, die diese Fragen zumindest einmal abgestimmt und im Dialog zu lösen versuchten. In diesem Zusammenhang dürfen die Arbeit der Bundesrechtsanwaltskammer, der Bundesnotarkammer, von bestimmten „Pionieren“ des Elektronischen Rechtsverkehrs im Bund und in den Ländern, ebenso die Arbeit des EDV-Gerichtstages e.V. mit seiner „Kommission Elektronischer Rechtsverkehr“ nicht geringgeschätzt werden. Allerdings litten diese Arbeiten immer unter einer der Sache absolut abträglichen hohen Fluktuationsrate der dort tätigen Personen, so dass sehr viel wichtiges Erfahrungswissen nach bestimmten Zeitabständen immer wieder verlorenging und von nachrückenden Mitarbeitern zunächst wieder neu erarbeitet werden musste.

Bezeichnend ist angesichts dieser Gesamtsituation, dass die Bundesrechtsanwaltskammer, flankiert von der Bundesnotarkammer, für die Entwicklung des beA zuständig war. Die erste Version scheiterte, man hatte dann einen neuen Entwickler gefunden. beA läuft mittlerweile, ist aber lange nicht so anwenderfreundlich wie sich dies viele Anwälte wünschen würden. Dies liegt an einem Phänomen, das man als typisch deutsch bezeichnen kann, denn die Vorstellung war, dass die Integrität und die Authentizität der Lösung die höchste Priorität haben sollten. Dies bedeutet, dass man auch ungewöhnliche und in der Praxis in nur sehr geringem Ausmaß vorkommende Sonderfälle abbilden und gelöst haben wollte, was dazu führte, dass die umfangreichen technischen Vorgaben zu Lasten der Bedienerfreundlichkeit gingen und somit die Akzeptanz von Anfang an behinderten. Hinzu kam und kommt, dass die Justizseite mit derartigen Eingängen zunächst und noch bis heute technisch, organisatorisch und personell überfordert ist, denn es ist eine Sache, wenn Anwälte über beA elektronisch kommunizieren, andererseits die Systeme und die Abläufe der Justiz hierauf gar nicht ausreichend vorbereitet sind. Hier wirkt sich dann wie oben gesagt das Datum 1.1.2026 und die zeitliche Vorleistung der Anwaltschaft äußerst negativ aus.

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber: für die Zukunft sollte in diesen übergreifenden Bereichen m.E. über mehr Zuständigkeit des Bundes nachgedacht werden.

Keinesfalls bedeutet dies Kritik an der Justiz und den dort Tätigen. Allerdings sollten diese Praktiker/innen einmal gründlich und ehrlich nach ihren Erfahrungen befragt werden, um eine ehrliche und belastbare Bestandsaufnahme (neudeutsch: Evaluation) auf dem Tisch zu haben.

Stattdessen besteht in den entsprechenden Kreisen der Justiz eher die Tendenz sich neuen Fragen wie Künstliche Intelligenz zuzuwenden. Sicherlich darf man in diesem Bereich den Anschluss nicht verpassen, aber vorher sollten doch eher die herkömmlichen Abläufe in der Justiz „passen“.

Diesen Eindruck habe ich persönlich nicht, vielleicht haben andere Kollegen andere Erfahrungen gemacht, ich bin da für jedes Feedback dankbar.

Ich bleibe Rechtsanwalt…

Beruflich habe ich mich zum 01.03.2025 verändert und bin nun in eigener kleiner Kanzlei tätig. Die Partnerschaft wurde vertraglich zum 28.02.2025 beendet. Die Trennung verlief fair. Über die Gründe wurde vertraglich Stillschweigen vereinbart.

Bereits vor ca. 2 Jahren hat ein Mitglied des Sulzbacher Stadtrates zu mir gesagt, wenn Du mal Probleme mit dem Job hast, trete in die CDU ein, dann wird alles gut. Das habe ich damals nicht verstanden, denn es gab seinerzeit keinerlei Probleme. Ein Eintritt in die CDU geht leider nicht, wegen meines Rückens. Denn dort ist bei mir ein Rückgrat und ich lasse mich nicht verbiegen. Damit ist kein Pauschalurteil über Mitglieder der CDU verbunden, aber ich habe eben gewisse persönliche Erfahrungen gemacht.

Entgegen aller Unkenrufe arbeite ich sehr gerne in einem Team und zwar in allen Lebensbereichen (Beruf, Vereine, Verbände, Sport, Freizeitaktivitäten etc…), aber ich mag es nicht, wenn „Kameradschaft“ im Kern bedeutet, dass nur „de Kamerad schafft“.

Auf geht’s: ich will am 05.03.2025 nach den Faschingstagen starten, ich hoffe es klappt…

Viele Grüße Euer Wolfgang!!

P.S. die Version des Textes wurde am 01.03.2025 nach dem Vollzug der Trennung geringfügig angepasst.

Frankfurter IT-Rechtstag 2024

Der mittlerweile 13. Frankfurter IT-Rechtstag fand von Freitag 15.11.2024, 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr, und von Samstag 16.11.2024, 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr, als eine sog. Hybrid-Veranstaltung, d.h. sowohl als Präsenzveranstaltung in Frankfurt a.M. als auch als Online-Veranstaltung per Stream statt.

Programm Freitag 15.11.2024:
13:00 Begrüßung durch Dr. Thomas Lapp und Stephan Schmidt
13:15 KI und Haftung: Wer haftet für Fehler Künstlicher Intelligenz? Wesentliche Elemente des Richtlinienvorschlags über KI-Haftung – Anja Wyrobek, Referentin im Europäischen Parlament für MdEP Birgit Sippel
14:15 Künstliche Intelligenz: Ein Kreislauf von Daten, Datenschutz und Sicherheit? – Prof. Dr. Kristian Kersting, TU Darmstadt
15:15 Pause
15:45 Algorithmen in der Rechtsanwendung – Prof. Dr. Roland Broemel, Goethe-Universität Frankfurt
16:45 Rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI im Unternehmen – Dr. Antonia von Appen
17:45 Pause
18:00 Der Einfluss technologischer Fortschritte auf die Cybersicherheitslandschaft – Prof. Dr. Haya Schulmann, Goethe-Universität Frankfurt
19:00 Ende

Programm Samstag 16.11.2024:
9:00 Model Multiplicity – Emma Kiem, Legal Tech Lab Frankfurt am Main
10:00 Der Data Act: Das neue EU-Datenrecht – Dr. Michelle Weber
11:00 Pause
11:15 IT- und Datenschutzrecht im Gesundheitswesen, aktuelle Entwicklungen – Charlotte Guckenmus, LL.M., Frankfurt a.M.
12:15 Mittagspause
12:45 Digitale Beweismittel – bis hin zu Deep Fakes – Prof. Dr. Christian Gomille, Universität des Saarlandes, Richter am Saarländischen Oberlandesgericht
13:45 Pause
14:00 Kauf und Miete von Standardsoftware – aktuelle Rechtsfragen – Dr. Thomas Lapp, IT-Kanzlei dr-lapp.de GbR, Frankfurt am Main
15:00 Ende

Besonders interessant waren aus meiner Sicht die Vorträge über die Haftung für Fehler der Künstlichen Intelligenz, über IT- und Datenschutzrecht im Gesundheitswesen und über die Digitalen Beweismittel. Im Rahmen des Vortrages zur KI wurde bewusst, dass man hier auf EU-Ebene noch in einer Art „Findungsphase“ steckt, wo verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchaus auch noch offen diskutiert werden können. Im Vortrag über IT- und Datenschutzrecht im Gesundheitswesen wurde deutlich, wie viele IT-rechtlich relevante Regelungen sich sozusagen vor allem im SGB V „verstecken“. Der Beitrag zu den Digitalen Beweismitteln hatte als Aufhänger den tragischen Fall eines tödlichen Verkehrsunfalls in den USA mit einem autonom fahrenden Fahrzeug, über welches der Verantwortliche Elon Musk in einem YouTube Video sinngemäß gesagt haben soll, dass ein Unfall nahezu ausgeschlossen sei. Im Prozess war dann von den Anwälten Musks die Echtheit des Videos angezweifelt worden. Der Fall wurde von Prof. Gomille ins Deutsche Recht übertragen und besprochen, mit sehr vielen äußerst interessanten Folgefragen. Insgesamt war es wieder ein sehr gelungener IT-Rechtstag, vielen Dank vor allem an den Kollegen Dr. Thomas Lapp (Frankfurt a.M.) für die Erinnerung an den Termin!

OLG Frankfurt: zur Haftung des Hostproviders

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 13.06.2024, 16 U 195/22, https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240000784 entschieden, dass die Haftung des Hostproviders für rechtsverletzende Inhalte eine konkrete Verdachtsmeldung voraussetzt. Ein Plattformbetreiber hafte für rechtsverletzende Inhalte (hier: Beanstandungen eines Antisemitismusbeauftragten) von Nutzern der Plattform nur, wenn die Beanstandungen eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein können – so konkret gefasst seien, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden könne.

Das OLG hat dies für die nachfolgend wiedergegebenen Äußerungen (siehe unten „Zitate“) verneint und damit eine Haftung des Hostproviders ausgeschlossen. Das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 14.12.2022, 2-03 O 325/22) war noch anderer Ansicht gewesen. Der Streitwert wurde auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Zitate:

„1. „Hat der antisemitische Bürokrat C @(…) eine Nähe zur Pädophilie, weil C Kontakt mit einer ‚möglicherweise minderjährigen Asiatin‘ aufgenommen hat?“,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 6 des Nutzers @A vom XX.XX.2022 um 18:36 Uhr ersichtlich:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)

2. „C @(…) war auf der Suche nach ‚einer minderjährigen Asiatin‘“,

„Duldet @(…) Cs sexuelles Fehlverhalten? Duldet Cs Frau D (…) sein sexuelles Fehlverhalten?.“,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 4 von @A vom XX.XX.2022 um 21:34 Uhr ersichtlich:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)

3. „Kollegen von Cs Frau D sagen, dass C @(…) einen Seitensprung gemacht hat. Seitensprung war mit E“,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 3 von @A vom XX.XX.2022 um 21:34 ersichtlich:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)

4. „Ich bekomme auch die ‚persönlichen Daten‘ von dem Pack der Antisemiten um @(…) C“,

„Ich kann die Namen der Antisemiten wie @(…) in meinem Artikel über Antisemitismus nennen“,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 1 von @A vom XX.XX.2022 um 19:24 Uhr ersichtlich:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)

5. „Das ist gut für mich und für dich als Antisemit und für das Pack von Antisemiten um @(…)“,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag 2 von @A vom XX.XX.2022 um 19:30 Uhr ersichtlich:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen - die Red.)“

Eigener Kommentar:

Bei der Auslegung lässt das OLG die Intention der zeitlich nach dem hier gegenständlichen Vorfall ergangenen EU-Verordnung 2022/2065 vom 19.10.2022 (siehe dazu vor allem Erwägungsgrund 50) leider außer Acht. Danach haftet der Hostprovider nach Art. 6 Abs. 1 der EU-VO nicht, wenn er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht. Wenn in diesem Zusammenhang das Gericht z.B. der Ansicht ist, dass der Antragsteller konkret dazu vorzutragen habe, dass es sich bei dem Antragsteller um den Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg handele, verkennt und überspannt das Gericht m.E. die vom BGH für eine tatsächliche Kenntnis von Umständen aufgestellten Grundsätze und lässt die Wertung, die sich aus § 291 ZPO (offenkundige Tatsachen) – wohlgemerkt für die Gerichtsperspektive (!) – ergibt, unbeachtet. Wenn die oben im Einzelnen aufgeführten Rechtsverstöße, zu denen jeweils noch ergänzend Bildmaterial von Antragstellerseite vorgelegt wurde, nicht hinreichend konkret sind, werden die Anforderungen für den Vortrag einer Rechtsverletzung m.E. unzulässig überspannt. Will man es unfreundlicher formulieren, kann man auch von einem skandalösen Urteil sprechen.

BFH: Pflicht zur Nutzung des beSt für Steuerberatungsgesellschaften ab dem 01.01.2023

Der BFH hat mit Beschluss vom 23.01.2024, IV B 46/23, zur Frage Stellung genommen, ab welchem Zeitpunkt Steuerberatungsgesellschaften verpflichtet sind, das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu benutzen.

Der BFH entschied, dass Berufsausübungsgesellschaften nach § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 des Steuerberatungsgesetzes, die in das Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, gemäß § 52d Satz 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung verpflichtet sind, seit dem 01.01.2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu nutzen.

Der BFH hatte außerdem über die Auslegung des § 52d Satz 3 FGO zu entscheiden. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften (zum Beispiel durch Telefax) zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 52d Satz 4 FGO). § 52d Satz 3 FGO greift bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt ein. In einem derartigen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns im Sinne des § 52d Satz 4 FGO ist eng zu fassen (vgl. BGH-Beschluss vom 21.06.2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883, Rz 22, zu § 130d Satz 3 ZPO). Zur Glaubhaftmachung gehört jedenfalls eine Schilderung der tatsächlichen Umstände, die eine vorübergehende technische Unmöglichkeit rechtfertigen können.

LG Saarbrücken: Haftung bei Beschädigung der Tür eines parkenden Fahrzeugs

Das LG Saarbrücken hatte in einem Berufungsverfahren über Ansprüche auf Schadensersatz zu entscheiden, denen eine Beschädigung einer geöffneten Tür eines parkenden Fahrzeugs zugrunde lagen.

Folgendes hatte sich ereignet:

Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte sind die Erben des am 16.08.2021 verstorbenen X der zum Zeitpunkt des Unfallereignisses mit seinem von ihm gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug die Y-Straße Richtung A befuhr, als der Kläger sein von ihm gehaltenes Fahrzeug, das am Straßenrand parkte, durch die hintere Tür auf der Fahrerseite belud. Hierbei kam es zu einer Kollision des Beklagtenfahrzeugs mit der am klägerischen Fahrzeug geöffneten Fahrzeugtür. Die Drittbeklagte regulierte ausgehend von einer Schadensteilung den Schaden am klägerischen Fahrzeug in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands von 3.135,00 Euro und einer Kostenpauschale von 25,00 Euro zzgl. der sich aus diesem Betrag ergebenden vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Der Kläger hat behauptet, die hintere linke Tür seines Fahrzeugs sei im Zeitpunkt der Kollision nur leicht geöffnet gewesen und habe nicht in den Verkehrsraum hineingeragt. Dies sei für heranfahrende Fahrzeuge bereits aus einigem Abstand erkennbar gewesen. Der Unfallgegner sei mit unzureichendem Seitenabstand am klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren und habe dabei die Tür beschädigt, wobei er hierbei den Verkehrsraum verlassen habe.

Die Beklagten haben behauptet, die Tür des klägerischen Fahrzeuges sei plötzlich geöffnet worden, als sich das Beklagtenfahrzeug der späteren Unfallstelle genähert habe. Ein Ausweichen oder Bremsen sei nicht mehr möglich gewesen.

Das LG Saarbrücken entschied mit Urteil vom 10.11.2023, 13 S 8/23 (Leitsätze):

1.Wer an einem stehenden Fahrzeug vorbeifährt, muss nach dem allgemeinen Gebot der Gefährdungsvermeidung aus § 1 Abs. 2 StVO einen angemessenen Seitenabstand einhalten. Grundsätzlich reicht zwar ein Seitenabstand von ca. 50 cm. eines vorbeifahrenden Pkw zu einem geparkten Pkw aus. Ein Seitenabstand von unter 1 m genügt jedoch dann nicht, wenn auf dem Seitenstreifen neben der Fahrbahn ein Pkw mit geöffneter Fahrzeugtür steht und jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden muss oder in der geöffneten Fahrzeugtür eine Person steht.

2.Im Rahmen der Abwägung zwischen einem Verstoß gegen § 14 StVO und einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO tritt erster komplett zurück, wenn der Fahrer des parkenden Fahrzeugs auf einer gut einsehbaren Straße schon mindestens 10 Sekunden in der geöffneten Tür mit dem Verladen von Gegenständen befasst ist.

Der Volltext des Urteils ist unter https://recht.saarland.de/bssl/document/JURE230058547/part/L zu finden.

LG Saarbrücken: Anspruch auf Unterlassung von Videoaufnahmen

Das LG Saarbrücken entschied mit Urteil vom 13.10.2023, Az. 13 S 32/23, (= https://recht.saarland.de/bssl/document/JURE230057218/part/L) über einen mittels einstweiliger Verfügung geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung von Videoaufnahmen durch mehrere Kameras, die vom Nachbargrundstück auf das Grundstück des Antragstellers gerichtet gewesen sein sollen.

Das Gericht entschied (LS):

1.Ein Anspruch auf Entfernung von durch den Nachbarn installierten Kameras aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet.

2.Ein Anspruch auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen scheidet aus, wenn nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn die durch den Nachbarn installierten Kameras lediglich Ausschnitte des Nachbargrundstücks erfassen können, welche nicht durch den Mietvertrag des Klägers erfasst sind und der Grundstückseigentümer mit einer Videoaufzeichnung einverstanden ist.

Das LG Saarbrücken begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Dem Kläger steht schon deshalb kein Anspruch auf Entfernung der installierten Kameras aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu, weil ein Störer nur dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden kann, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 – V ZR 98/03 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; LG Hamburg, Urteil vom 28. Dezember 2018 – 306 O 95/18 –, juris, Rn. 31). Hier sind neben der Entfernung als einschneidenste Maßnahme auch andere Abhilfemöglichkeiten denkbar, durch die der Kläger in gleicher Weise geschützt werden könnte. Es käme – sofern der klägerische Bereich betroffen wäre – insbesondere eine Neuausrichtung der Kameras dergestalt in Betracht, dass nur noch solche Grundstücksteile betroffen sind, welche nicht zu dem Bereich des Klägers gehören.

Die beiden neuen Kameras können nun aber nur noch das eigene Grundstück des Beklagten sowie einen kleinen Teilbereich des Gartens des klägerischen Grundstücks erfassen. Hiervon konnte sich die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2023 durch Einsichtnahme in die Videoübermittlungen des Beklagten auf dessen Mobiltelefon überzeugen. Da der teilweise erfasste Garten des klägerischen Grundstücks durch die Vermieterin des Klägers nicht an diesen mitvermietet wurde, hat der Kläger aber kein Recht, den von der Kamera betroffenen Bereich zu betreten. Schon deshalb ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht betroffen. Im Übrigen ist die Vermieterin des Klägers unstreitig mit einer etwaigen Aufnahme ihres Gartens einverstanden.

OLG Saarbrücken: Vergütung eines vorzeitig aus dem Amt entlassenen Testamentsvollstreckers

In dem u.a. Fall wurde der Beklagte von unserer Kanzlei RAe Münster & Russo PartGmbB vertreten. Die Entscheidung ist unter https://recht.saarland.de/bssl/document/JURE230052655/part/L
im Volltext abrufbar.

Der Kläger macht mit seiner Klage gegenüber dem Beklagten Vergütungsansprüche aus seiner Tätigkeit als ehemaliger Testamentsvollstrecker über den Nachlass der am 5. November 2011 verstorbenen Frau D. (im Folgenden: Erblasserin) geltend. Er wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Homburg vom 19. Juli 2019 – 8 VI 505/13 – gemäß § 2227 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grunde entlassen, zugleich wurde der Beklagte zum neuen Testamentsvollstrecker über den Nachlass bestellt.

Der Kläger hat sich angesichts der entsprechenden testamentarischen Anordnung der Erblasserin für berechtigt gehalten, für die von ihm ausgeübte Tätigkeit eine Vergütung nach Maßgabe der „Neuen Rheinischen Tabelle“ zu fordern. Vermeintliche Pflichtverletzungen, wie sie der Beklagte, gestützt auf den Beschluss des Senats vom 6. August 2019 aufzeige, seien bei Lichte betrachtet überhaupt nicht gegeben, jedenfalls rechtfertige dies nicht die Annahme einer vollständigen Verwirkung seines Vergütungsanspruchs, der auch im Übrigen der Höhe nach angemessen sei. Verzögerungen in der Abwicklung des Nachlasses seien durch besondere Schwierigkeiten, insbesondere aufgrund von Auseinandersetzungen im Erbscheinverfahren, bedingt gewesen, in der Zeit vom 13. Dezember 2011 bis zum 10. Oktober 2016, der Rücknahme der Beschwerde durch den Ehemann der Antragstellerin, habe seine Tätigkeit mehr oder weniger geruht. Auskunftspflichten gegenüber einzelnen (vermeintlichen) Miterben habe er nicht gehabt und daher sowie angesichts der zunehmend persönlichen Anwürfe ihres Verfahrensbevollmächtigten auf entsprechende Anfragen berechtigterweise nicht mehr reagiert.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit Auffassung, der Kläger habe seine Pflichten als Testamentsvollstrecker derart massiv verletzt, dass dies eine Verwirkung seines Vergütungsanspruches, zumindest aber seine Kürzung (Bl. 91 GA) rechtfertige. Schon in dem Beschluss vom 6. August 2018 – 5 W 2/18 – habe der Senat festgestellt, dass erhebliche Verdachtsmomente im Sinne einer eigenen Bevorteilung des Klägers und einer groben Verkennung und Vernachlässigung der den Erben gegenüber bestehenden Pflichten vorgelegen hätten; insbesondere habe der Kläger seine Auskunftspflichten aus §§ 2218, 666 BGB dadurch verletzt, dass er in Bezug auf die Eigentumsübertragung des Hausanwesens auf seine Ehefrau Belege nur verspätet vorgelegt habe. Außerdem habe er nachhaltig gegen seine Pflichten zur unaufgeforderten Benachrichtigung sowie zur Erteilung begehrter Auskünfte nebst Unterlagen gegenüber der Erbengemeinschaft verstoßen; der erst im Juni 2020 vorgelegte Tätigkeitsbericht sei zur Erfüllung der Pflicht zur unverzüglichen Vorlage eines Nachlassverzeichnisses nach § 2215 Abs. 1 BGB nicht mehr geeignet gewesen. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche rechtfertigten sich daraus, dass der Kläger erst im Jahre 2020 geeignete Belege zu den Rentenzahlungen vorgelegt und dem Nachlass durch diese Pflichtverletzung und das aus diesem Grunde gebotene Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Nachlassvermögens Kosten in – unstreitiger – Höhe von 5.253,85 Euro entstanden seien.

Das Landgericht Saarbrücken hat den Beklagten unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 20.669,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Juni 2021 verurteilt.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien jeweils selbständig Berufung eingelegt. Der Beklagte verfolgt mit seiner Erstberufung sein vormaliges, auf vollständige Klagabweisung gerichtetes Begehren weiter. Er wiederholt seine Ansicht, der Kläger habe seinen Vergütungsanspruch in voller Höhe verwirkt; hierfür sei nicht die Verwirklichung einer Straftat erforderlich, es genügten auch massive Verstöße gegen Treue- und Sorgfaltspflichten, die hier daraus folgten, dass der Kläger gegen seine „Kardinalpflichten“ zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 Abs. 1 BGB) und zur Auskunft und Rechnungslegung (§§ 2218, 666 BGB) verstoßen habe.

Das OLG Saarbrücken hat mit Urteil vom 26.07.2023, Az. 5 U 98/22, entschieden: Auf die (Erst-)Berufung des Beklagten wird das am 30. November 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 9 O 122/21 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.291,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Juni 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die (Zweit-)Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Das OLG begründete dies wie folgt:

Gründe, die zur Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB geführt haben, müssen nicht stets auch für die Verwirkung seines Vergütungsanspruchs ausreichen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Sach- und Streitstand bei der Entscheidung des Prozessgerichts über den Vergütungsanspruch und nicht nach dem Kenntnisstand des Nachlassgerichts zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Amtsenthebung.

Hat der Erblasser im Jahre 2010 angeordnet, dass sich die Vergütung des Testamentsvollstreckers „nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers in ihrer jeweils gültigen Fassung berechnet“, so verweist dies auf die Vorgaben der sog. „Neuen Rheinischen Tabelle“. Das dem Testamentsvollstrecker eingeräumte, im Zivilprozess über die Angemessenheit der Vergütung voll nachprüfbare Ermessen bei der Bestimmung der Vergütung nach §§ 315 ff. BGB wird dadurch eingeschränkt mit der Folge, dass die auf einer unzutreffenden Anwendung der Tabelle beruhende Abrechnung unverbindlich und durch gerichtliche Entscheidung zu korrigieren ist.