OLG Frankfurt: Wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis von Verbänden – Anforderungen an die Mitgliederzahl

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 02.05.2019, Az.: 6 U 58/18, über die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbandes entschieden.

Das Gericht entschied (Leitsatz des Gerichts):
Bei der für die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbands maßgeblichen Frage, ob dem Verband im Sinne von § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG eine erhebliche Zahl von Mitbewerbern des Verletzers angehört, sind auch die Bedeutung und das wirtschaftliche Gewicht der in Betracht kommenden Mitglieder auf dem betreffenden Markt zu berücksichtigen. Dabei kommt Mitgliedsunternehmen, die auf einer Verkaufsplattform einen online-Shop betreiben und dort neben einer Vielzahl unterschiedlicher Artikel in geringem Umfang auch Erzeugnisse anbieten, die ein Wettbewerbsverhältnis mit dem Verletzer begründen, ein eher geringes Gewicht zu (ausreichende Mitgliederzahl im Streitfall verneint).

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der laut seiner Satzung die Interessen von Onlineunternehmen vertritt. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder, in streitigen Fällen durch Abmahnung und Prozessführung.

Der Beklagte handelt als gewerblicher Verkäufer über die online Plattform eBay mit Comics. Bei dem Angebot eines Comics auf eBay fügte er seinem Angebot kein Musterwiderrufsformular zu. Des Weiteren fehlte es an Informationen über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrecht für Waren. Im Hinblick auf den Versand findet sich im Angebot die Angabe „für Lieferung in andere Länder bitten wir um Kontaktaufnahme“. Eine Angabe zur Umsatzsteuer fehlt bei der Preisangabe im streitgegenständlichen Angebot. Schließlich fehlen Angaben darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert würden und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht.

Nach Kenntniserlangung von den Verstößen mahnte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 27.6.2016 ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, was der Beklagte verweigerte.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 27. 2. 2018, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Er ist der Auffassung, es fehle schon der Prozessführungsbefugnis des Klägers, da in dessen Mitgliederliste kein einziger Händler enthalten sei, den in echter Konkurrenz mit ihm stehe. Weiterhin handele es sich bei dem Kläger um einen Abmahnverein, der aus rein finanziellen Interessen Abmahnungen im großen Stil durchführe. Deshalb sei das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Das OLG nahm vorliegend keine Klagebefugnis des betreffenden Verbandes an.

„Verbände sind nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine „erhebliche Zahl“ von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Von dieser Einschränkung der Anspruchsberechtigung verspricht sich der Gesetzgeber eine Austrocknung von „Wettbewerbsvereinen“, die vornehmlich aus Gebühreninteresse gegen Wettbewerbsverstöße vorgehen. Welche Anzahl von Gewerbetreibenden „erheblich“ ist, lässt sich nicht von vornherein und generell bestimmen (BGH GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Jedenfalls ist keine Mindestanzahl erforderlich (BGH GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; Amtl. Begr. WPR 1994, 369, 378), zumal auf vielen Märkten nur wenige Unternehmen tätig sind; auch muss nicht die Mehrheit der Mitbewerber dem Verband angehören (BGH GRUR 1998, 489 (491) – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Es müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt (BGH GRUR 1998, 170 – Händlervereinigung) nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (BGH GRUR 2007, 610 Rn. 18 – Sammelmitgliedschaft V; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 15 – Krankenhauswerbung; OLG Nürnberg WRP 2014, 239 Rn. 30). In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob die Zahl und wirtschaftliche Bedeutung der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf zulässt, dass nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame („kollektive“) gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen werden. Dies kann auch bei einer geringen Zahl entsprechend tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH GRUR 2007, 610 Rn. 18 – Sammelmitgliedschaft V; OLG Köln GRUR-RR 2018, 292). Daher ist nicht erforderlich, dass die Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind (BGH GRUR 2007, 809 Rn. 10 – Krankenhauswerbung; BGH GRUR 2009, 692 Rn. 12 – Sammelmitgliedschaft VI; OLG Frankfurt GRUR-RR 2010, 301 (302)).“

„Dies hat zur Folge, dass etwa Mitgliedern mit stationären Ladengeschäften, die schon länger am Markt tätig sind, für § 8 III Nr. 2 UWG größeres Gewicht zukommt als Mitgliedern mit kleinen Online-Shops auf Verkaufsplattformen wie e-Bay, die ebenso schnell entstehen wie wieder verschwinden können. Die mit der Schaffung eines klassischen stationären Einzelhandelsgeschäfts verbundenen Investitionen und Mühen sprechen für eine gewisse Verstetigung der geschäftlichen Tätigkeit, während Online-Shops auf Plattformen wie E-Bay mit geringerem Umsatz nicht dasselbe Gewicht zukommen kann. Die Eröffnung eines Geschäftsbetriebs ist ebenso schnell geschehen wie dessen Einstellung, nämlich durch einen Mausklick vom heimischen Wohnzimmer aus. Dies zeigt sich prototypisch an den vom Kläger in erste Instanz vorgelegten Mitgliederlisten, bei denen nach dem eigenen klägerischen Vortrag in der Berufung deutlich mehr als die Hälfte nicht mehr oder nicht mehr so tätig ist, wie der Kläger es zu Beginn des Rechtsstreits bei Vorlage seiner Mitgliederlisten behauptet hatte.“

Hans. OLG Hamburg: Klagebefugnis von Wettbewerbern bei datenschutzrechtlichen Verstößen

Das Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil vom 25.10.2018, 3 U 66/17 = http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bsharprod.psml?showdoccase=1&doc.id=KORE227602018&st=ent) hat als erstes OLG zu der Frage Stellung genommen, ob Wettbewerber bei datenschutzrechtlichen Verstößen von Wettbewerbern mit Erfolg Klage erheben können. Das Hanseatische OLG Hamburg geht davon aus, dass eine Klagebefugnis grundsätzlich gegeben ist, aber jede in Frage kommende datenschutzrechtliche Norm im Einzelfall darauf untersucht werden muss, ob die Norm martverhaltensregelnden Charakter hat.

Zuvor hatte es divergierende Entscheidungen verschiedener deutscher Landgerichte (z.B. LG Würzburg, LG Wiesbaden, LG Bochum) gegeben.

Das Hanseatische Oberlandesgericht formulierte in der Entscheidung folgende Leitsätze:

Weder die RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) noch die VO (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung) enthalten ein abgeschlossenes Sanktionssystem und stehen deshalb der Klagbefugnis von Wettbewerbern nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegen

Nicht jegliche datenschutzrechtliche Norm hat marktverhaltensregelnden Charakter i.S. des § 3a UWG. Vielmehr muss die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat

Soweit § 28 Abs. 7 BDSG a.F. das Erheben sowie Verarbeitung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Gesundheitsdaten unter den in der Vorschriften genannten Voraussetzungen auch ohne die Einwilligung des Betroffenen für zulässig erklärt, ist die betroffene Person – mag sie im Gesundheitsbereich in anderen Zusammenhängen auch durchaus als Markteilnehmer auftreten – nicht in ihrer Eigenschaft als Verbraucher und Marktteilnehmer angesprochen sondern in ihrer Eigenschaft als Patient und Träger von Persönlichkeitsrechten. Ein Bezug der Norm zu einer wie auch immer gearteten Teilnahme des Betroffenen oder von Wettbewerbern am Markt ist nicht zu erkennen. § 28 Abs. 7 BDSG a.F. ist daher keine marktverhaltensregelnde Norm i.S. des § 3a UWG.