AG Gießen: Einwilligung des Betreuten nach der DS-GVO unter Umständen durch den Betreuer

Das AG Gießen (Beschluss vom 16.07.2018, 230 XVII 381/17 G = http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8097386) hat entschieden, dass die Einwilligung des Betreuten nach der Datenschutz-Grundverordnung in die Speicherung seiner Daten bei dem Betreuer bei erklärungsunfähigen Betreuten durch den Betreuer selbst als gesetzlicher Vertreter des Betreuten erteilt werden kann.

Das Gericht begründet dies wie folgt:

Die Betroffene ist nach Aktenlage aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Inhalte, Tragweite und Bedeutung einer Belehrung durch die Betreuerin über ihre Rechte nach der Datenschutz-Grundverordnung zu erfassen. Zu dem Ergebnis kommt insbesondere auch die Verfahrenpflegerin, die in ihrem Bericht Folgendes ausgeführt hat:

„Meiner Einschätzung benötigt „…“ eine gesetzliche Betreuung, da sie nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten alleine zu regeln. Sie verkennt ihre Erkrankung und ist der Meinung, sie könne noch ohne Probleme alleine leben. „…“ macht auch nicht den Eindruck, als ob sie ihre Behördenangelegenheiten und ihre sonstigen Angelegenheiten alleine regeln könne.“

Damit ist die Betroffene außerstande, der Betreuerin gegenüber die nach der Datenschutz-Grundverordnung erforderliche Einwilligungserklärung selbst abzugeben.

Unter diesen Umständen kann die Betreuerin diese Einwilligung selbst als gesetzliche Vertreterin der Betroffenen abgeben. Die Ermächtigung hiermit ergibt sich aus § 1902 BGB in Verbindung mit dem Teilaufgabenkreis die Vertretung gegenüber sonstigen Institutionen. Das grundsätzlich für Betreuer geltende Verbot von In-sich-Geschäften gemäß § BGB § 1908i Abs. BGB § 1908I Absatz 1 S. 1 in Verbindung mit §§ BGB § 1795 Abs. BGB § 1795 Absatz 2, BGB § 181 BGB steht hier nicht entgegen.

Der für solche Fälle vorgesehenen Bestellung eines Ersatzbetreuers, § 1899 Absatz 4 BGB, bedarf es in diesem Fall nicht. Bei Anwendung dieser Vorschrift käme es nämlich zu folgendem Kurzschluss: Auch für die Erfassung durch den Ersatzbetreuer wäre wiederum eine Einwilligung erforderlich. Für die dann etwa zu erwägende Bestellung eines Ersatz-Ersatzbetreuers ebenso und so weiter.

Dieser von der Datenschutz-Grundverordnung nicht gesehene Kurzschluss ist dahin zu beheben, dass der Betreuer selbst einwilligt, so lange die Datenerfassung durch ihn sich in den Grenzen seines gesetzlichen Auftrags bewegt. Dadurch, dass die Korrektheit der Erfüllung dieses Auftrags durch das Betreuungsgericht überwacht wird, sind die Interessen des Betroffenen gewahrt, so dass eine Verletzung der Betroffenenrechte durch die Suspendierung des § 181 BGB nicht zu besorgen ist.

Anders wäre es dann, wenn die Betroffene noch selbst einwilligungsfähig wäre.In diesem Fall könnte er diese Einwilligung durchaus verweigern. In der Folge müsste der Betreuer dann darauf hinweisen, dass er zu diesen Bedingungen die Betreuung nicht führen kann. Beharrt dann der Betroffene auf seiner Verweigerung, wäre die Betreuung gemäß § 1896 Absatz 1a BGB zwingend aufzuheben – und damit das Problem auf diesem Wege behoben. So liegen die Dinge hier aber nicht.

AG Hagen: Datenhandel (Leads) nicht durch Einwilligung bei google adwords gedeckt

Das Amtsgericht Hagen hat mit Urteil vom 30.06.2014, Az.: 10 C 172/14, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/hagen/ag_hagen/j2014/10_C_172_14_Urteil_20140630.html, entschieden, dass der Handel mit Personen-/Kundendaten (Leads) durch eine zypriotische, nicht über eine Banklizenz verfügende Limited nicht durch eine Einwilligung in Speicherung und Weitergabe bei google-adwords gedeckt sei.

Die Klägerin verlangte in dem entschiedenen Fall Vergütung für nach ihrer Behauptung von dem Beklagten bestellten drei Lieferungen sogenannter Leads. Leads bezeichnen in der Finanzbranche Datensätze und die Kontaktdaten eines potentiellen Neukunden, um mit Hilfe der Datensätze die Anbahnung eines Kontaktes von einem Dienstleister zu einem Interessenten zu ermöglichen.

Das Gericht entschied, dass die Forderung der Vergütung auf der Grundlage eines offensichtlich gesetzwidrigen und sittenwidrigen Kauf-/Lieferungs-/Dienstleistungsvertrages erfolgt sei. Die Weitergabe der Kundendaten sei nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckt gewesen. Nach der Einwilligungserklärung/Datenschutzerklärung selbst dürfe eine Weitergabe von Datensätzen nur an eine Bank erfolgen, nicht hingegen wie vorliegend an eine ausländische Limited.

In einem „obiter dictum“ legt das AG Hagen ferner seine Bedenken gegen die Kooperation von Rechtsanwälten mit dem Direktor des wissenschaftlichen Dienstes des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg dar. Dies stelle die Wirksamkeit der Prozessvollmacht in Frage. Selbst bei Erteilung einer entsprechenden Nebentätigkeitsgenehmigung sei dies mit der Neutralitätspflicht des EuGH und seiner Mitarbeiter sowie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Update:
Unter dem o.a. Link war die Entscheidung jedenfalls bis Ende Juli abrufbar. Danach ist sie vom Netz genommen worden. Eine Nachfrage hat ergeben, dass gegen die Entscheidung wohl Berufung eingelegt worden ist. Ob dies der Grund für die Herausnahme aus der Entscheidungsdatenbank NRWE war, konnte nicht aufgeklärt werden. Ich werde weiter über den Fortgang der Sache berichten.