Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken: Keine einstweilige Verfügung zur Wiederherstellung eines Facebook-Nutzerkontos

Das Saarländische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 03.11.2022, 5 W 79/22, (= https://recht.saarland.de/bssl/document/KORE276362022) darüber entschieden, ob einem Facebook-Nutzer nach erfolgter Sperrung ein mittels einstweiliger Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Wiederherstellung des Nutzerkontos zusteht, wenn zwischen erstmaliger anwaltlicher Aufforderung zur Wiederherstellung und Beantragung der einstweiligen Verfügung lediglich ein Zeitraum von 11 Tagen – bzw. von 4 Tagen nach Ablauf der gesetzten Frist – verstrichen ist.

Das Gericht entschied: Dem Betreiber eines sozialen Netzwerks, der nach erfolgter Sperrung dazu aufgefordert wurde, das Nutzerkonto wiederherzustellen, alle Daten zu speichern und eine endgültige und unwiderrufliche Löschung des Kontos zu unterlassen, steht angesichts des Umstandes, dass es sich dabei um einen Anspruch handelt, dessen Berechtigung einer Überlegung bedarf, nach Treu und Glauben eine angemessene Prüffrist zu, vor deren Ablauf Verzug nicht eintritt und auch die Beantragung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung nicht veranlasst ist.

Zum Sachverhalt:

Die Antragstellerin hat von der Antragsgegnerin, der für Europa zuständigen Anbieterin und Vertragspartnerin der Nutzer eines von der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin betriebenen sozialen Netzwerks, im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Löschung ihres zwischenzeitlich deaktivierten Nutzerkontos bei „www.facebook.com“ sowie der dazu gespeicherten Daten begehrt. Sie nutzt die Dienste der Antragsgegnerin und ist dort mit der E-Mail-Adresse@web.de angemeldet.

Am 27. Mai 2022 wurde das Nutzerkonto der Antragstellerin deaktiviert; sie erhielt eine Nachricht, dass sie „Facebook oder den Messenger nicht verwenden“ könne, das damit verknüpfte Instagram-Konto „“ sei deaktiviert worden, weil die dortigen Aktivitäten gegen die Gemeinschaftsrichtlinien von Instagram oder andere Standards verstießen, und wenn sie der Meinung sei, dass die Konten fälschlicherweise deaktiviert worden seien, könne sie auf Instagram eine Überprüfung der Entscheidung beantragen. Die Antragstellerin war vor der Deaktivierung nicht angehört oder über die beabsichtigte Kontodeaktivierung informiert worden; durch die Kontodeaktivierung hatte sie keinen Zugriff mehr auf die auf dem Konto hinterlegten Daten (Bilder, Texte und Verknüpfungen zu „Facebook-Freunden“). Nach einem Versuch, die Antragsgegnerin selbst zur Wiederherstellung des Nutzerkontos zu bewegen, ließ sie diese mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2022 unter Fristsetzung auf den 16. Juni 2022 auffordern, das Nutzerkonto wiederherzustellen, sich schriftlich dazu zu verpflichten, das Nutzerkonto und alle kontenspezifischen Daten/Inhalte zu speichern und es zu unterlassen, eine endgültige und unwiderrufliche Löschung des Kontos vorzunehmen, alle Lösch- und Sperrvermerke zu beseitigen, sich schriftlich bei Meidung einer Vertragsstrafe zur Unterlassung weiterer Sperrungen oder Deaktivierungen zu verpflichten und die Klägerin von Rechtsanwaltskosten für dieses Schreiben sowie für die Einholung einer Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer freizustellen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin nicht.

Die Antragstellerin hat die Deaktivierung ihres Nutzerkontos für rechtswidrig gehalten und mit ihrem am 20. Juni 2022 zum Landgericht eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, anzuordnen, dass es die Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen habe, ihr am 27. Mai 2022 deaktiviertes Nutzerkonto auf www.facebook.com und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.

In der Folge hat die Antragstellerin die Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragsgegnerin hat sich dem angeschlossen, beide Parteien haben wechselseitig Kostenantrag gestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Kosten des Verfahrens gemäß § 91a ZPO der Antragsgegnerin auferlegt und zur Begründung ausgeführt, diese wäre bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten im weiteren Verfahren voraussichtlich unterlegen. Hiergegen legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde ein. Diese ist begründet.

Wesentliche Begründung des Gerichts:

Danach hatte die Antragstellerin hier zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrages auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung keine Veranlassung, davon auszugehen, dass sie ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu ihrem Recht kommen würde. Denn die Antragsgegnerin, die im Anschluss an die am 27. Mai 2022 erfolgte Sperrung und einen vergeblichen Versuch der Antragstellerin, sie – nur – „zur Wiederherstellung des Nutzerkontos zu bewegen“, erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2022 unter Fristsetzung auf den 16. Juni 2022 dazu aufgefordert worden war, auch die endgültige Löschung des Nutzerkontos und der entsprechenden Daten zu unterlassen, hatte dieses Ansinnen bis zur Einreichung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 20. Juni 2022 weder bestritten, noch zurückgewiesen, und sie war durch den Ablauf der ihr gesetzten Erledigungsfrist auch noch nicht wirksam in Verzug gesetzt worden. Da ein Anspruch geltend gemacht worden war, dessen Berechtigung – offensichtlich – einer Überlegung bedurfte, stand der Antragsgegnerin nach Treu und Glauben eine angemessene Prüffrist zu, vor deren Ablauf der Verzug nicht eintreten konnte (vgl. KG, NJW-RR 1987, 994, 995; Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 286 Rn. 35). Diese Frist war jedenfalls bis zur Einreichung des Antrages, elf Tage nach der anwaltlichen Aufforderung und vier Tage nach Ablauf der darin gesetzten Frist, noch nicht verstrichen.

VG Hannover: Verwarnung wegen Veröffentlichung eines Fotos auf der Fanpage einer Partei bei Facebook

Veröffentlicht eine Partei auf ihrer Fanpage bei Facebook zur politischen Werbung ein Foto, auf dem Personen erkennbar abgebildet sind, und willigen diese nicht ein, so liegt darin eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten; ob dies – nur – aus Art. 6 Abs. 1 DS-GVO oder – auch – aus § 23 KUG folgt, kann offen bleiben.

Dies hat das VG Hannover mit Urteil vom 27.11.2019, Az.: 10 A 820/19, entschieden (http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE190004238&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint).

Der Kläger ist ein Ortsverein einer Partei. Am 7. August 2014 führte er eine öffentliche Veranstaltung durch, bei der über den Bau einer Ampelanlage gesprochen wurde, die das Überqueren einer vielbefahrenen Straße erleichtern sollte. An dieser Veranstaltung nahmen nach Presseberichten etwa 70 Personen teil, darunter die Eheleute S. Über die Veranstaltung wurde auch in der Presse berichtet. Den nach wie vor im Internet verfügbaren Berichten in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und in der Neuen Presse jeweils vom 8. August 2014 ist jeweils ein Foto beigefügt, auf dem auch die Eheleute S. abgebildet sind. Ein weiteres Foto von der Veranstaltung, auf dem die Eheleute S. deutlich erkennbar abgebildet sind, wird vom Kläger weiterhin auf seiner Website veröffentlicht. Der Kläger erhielt eine datenschutzrechtliche Verwarnung, gegen die er sich mit der vorliegenden Klage (erfolglos) wendet.

„Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Verarbeitung des Fotos journalistischen Zwecken diente. Zwar ist der Begriff des Journalismus weit auszulegen (vgl. Erwägungsgrund 153 der DS-GVO). Journalismus bezeichnet die publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen. Der Kläger hat mit seiner Fanpage in erster Linie zum Ziel, für seine Interessen und seine Arbeit zu werben, den Erfolg der eigenen Arbeit zu veranschaulichen und sich dadurch selbst darzustellen. Bildveröffentlichungen, die der Selbstdarstellung dienen, lassen sich aber nicht mehr als eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken qualifizieren (vgl. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, „Personenbildnisse im Spannungsfeld zwischen Äußerungs- und Datenschutzrecht“ in NJW 2017, S. 1057, 1061).“