OLG Hamm: Einzelfall der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für die Wiederholungsgefahr bei unerwünschter E-Mail Werbung

Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss vom 09.12.2014, Az.: 9 U 73/14 (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2014/9_U_73_14_Beschluss_20141209.html) einen nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall entschieden und dabei eine Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für die Wiederholungsgefahr bei unerwünschter E-Mail Werbung angenommen.

Das Gericht führt aus:

„Die Beklagte hat – auch unter Zugrundelegung dieser hohen Anforderungen – die durch die Verletzung begründete Wiederholungsgefahr widerlegt. Dabei sind für die Bewertung des Senats die ungewöhnlichen und nicht zu verallgemeinernden Umstände des Einzelfalls von entscheidender Bedeutung. Domaininhaber ist von Beginn an und bis zum heutigen Tag ausweislich des DENIC Auszuges Herr G in der Organisation I Autoteile. Die Klägerin ist weder mit der I Autoteile identisch noch hat insoweit eine Rechtsnachfolge stattgefunden. Die Übertragung der mit der domain verbundenen Nutzungsrechte im Jahre 2009 auf die Klägerin – also auf eine Dritte – ist nach außen hin – im Verzeichnis der DENIC -nicht verlautbar gemacht worden. Dazu reichte es nicht, dass die Klägerin in ihrem Internetauftritt und in ihrer Geschäftspost auf diese domain hinwies. Denn die Beklagte unterhielt mit der Klägerin keine Geschäftsbeziehungen. Die Beklagte durfte daher, ohne sich dem Vorwurf der Fahrlässigkeit aussetzen zu müssen, davon ausgehen, dass sie mit der E-mail vom 10.10.2013 weiterhin den Herrn G als Betreiber der I Automobile ansprach. Dass gewünschte, zumutbare, aber auch unzumutbare für Herrn G bestimmte E-mail Werbung bei der Klägerin einging, ist somit in der erfolgten Übertragung der Nutzungsrechte auf die Klägerin begründet. Da es sich nach Angaben der Klägerin um die erste E-mail dieser Art gehandelt haben soll, die sie am 10.10.2013 erreicht hat, hätte es nahegelegen, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass sie nunmehr die Nutzungsberechtigte dieser domain war. Die Klägerin hätte auch schlicht von der Möglichkeit Gebrauch machen können, durch einen Tastendruck den Newsletter abzubestellen. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass ein Verschulden der Beklagten für den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht erforderlich ist. Gleichwohl wäre es unbillig, es aus dem Blick zu verlieren, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die für Herrn G bestimmte E-mail bei der Klägerin eingegangen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Weigerung der Beklagten, die strafbewehrte Unterlassungserklärung und die Gebührennote des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu übernehmen, in einem anderen Licht. Die Ernsthaftigkeit ihres Willens, der Klägerin zukünftig keine E-mail Werbung zukommen zu lassen, hat die Beklagte dadurch dokumentiert, dass sie am 14.10.2013, nach Zugang des Aufforderungsschreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, bezogen auf das Kundenkonto der Firma I und die dort hinterlegte E-mail Anschrift einen Sperrvermerk für die Zusendung des Newsletters angebracht hat. Dass die Klägerin trotz der Herausnahme aus der Empfängerliste weiterhin unerwünschte E-mails von der Beklagten erhalten hat, hat die Klägerin nicht behauptet.“

Zudem hat das OLG Hamm entschieden, dass die einmalige Zusendung einer unerwünschten Werbe-E-Mail an einen Gewerbebetrieb einen Streitwert von 1.000,00 Euro rechtfertigt.

BGH: „Tell-a-friend“ Empfehlungs-E-Mails sind unerlaubte E-Mail-Werbung

Der BGH hat mit Urteil vom 12.09.2013, Az.: I ZR 208/12, (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=65732&pos=20&anz=484) entschieden, dass Empfehlungs-E-Mails, die Nutzer einer Internet-Seite eines Unternehmens Dritten zusenden lassen können, zu behandeln sind wie E-Mail-Werbung des Unternehmens selbst und daher bei unverlangter Zusendung Unterlassungsansprüche des Empfängers gegeben sind. In dem entschiedenen Fall war nach Ansicht des BGH ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des betroffenen Rechtsanwaltes gegeben.

Der BGH führt aus:

„Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die Einordnung als Werbung nicht darauf an, dass das Versenden der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf dem Willen eines Dritten beruht (aA OLG Nürnberg, GRUR-RR 2006, 26). Entscheidend ist vielmehr allein das Ziel, das die Beklagte mit dem Zurverfügungstellen der Empfehlungsfunktion erreichen will. Da eine solche Funktion erfahrungsgemäß den Zweck hat, Dritte auf die Beklagte und die von ihr angebotenen Leistungen aufmerksam zu machen, enthalten die auf diese Weise versandten Empfehlungs-E-Mails Werbung.“

Das Unternehmen hafte dafür auch als Täterin, obwohl die Zusendung auf einem Verhalten eines Nutzers der Internetseite beruhe.

„Die Beklagte haftet für die Zusendung der Empfehlungs-E-Mails als Täterin. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse des Klägers durch einen Dritten zurückgeht (vgl. BGH, GRUR 2006, 949 Rn. 20-Kunden werben Kunden). Maßgeblich ist, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails auf die gerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Weiterempfehlungsfunktion der Beklagten zurückgeht und die Beklagte beim Empfänger einer Empfehlungs-E-Mail als Absenderin erscheint. Sinn und Zweck der Weiterleitungsfunktion der Beklagten bestehen auch gerade darin, dass Dritten (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) ein Hinweis auf den Internetauftritt der Beklagten übermittelt wird. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Beklagte den Missbrauch der Empfehlungsfunktion nicht in Kauf nimmt. Es ist offensichtlich, dass die Weiterleitungsfunktion gerade dazu benutzt wird, an Dritte Empfehlungs-E-Mails zu versenden, ohne dass Gewissheit darüber besteht, ob sie sich damit einverstanden erklärt haben.“