AG Düsseldorf: Keine Haftung für Filesharing „aufgrund des Ausschlussprinzips“

Mit Urteil vom 15.12.2022 (Az. 10 C 102/20) = https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/duesseldorf/ag_duesseldorf/j2022/10_C_102_20_Urteil_20221215.html hat das Amtsgericht Düsseldorf die Haftung eines Anschlussinhabers für Filesharing bezüglich Musikalben verneint und die Klage des Rechteinhabers abgewiesen. In dem betreffenden Fall hatte der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast genügt, indem er zu den im Haushalt lebenden Personen (Ehefrau und Sohn) unter Darlegung von deren Internetkenntnissen und sonstigen Umständen der Tatvorfälle nach Ansicht des Gerichts ausreichend vorgetragen hatte. Nach der Zeugenvernehmung durch das Gericht schied die Ehefrau nach Ansicht des Gerichts als Täterin aus, während das Gericht die Schilderung des Sohnes (nachfolgend Q2) bezüglich seiner eigenen Täterschaft für nicht plausibel hielt, so dass der Sohn im Ergebnis als einziger Täter ernsthaft in Betracht kam.

Das Gericht entschied in dieser prozessualen Situation wie folgt:

„Allein das mangelnde Einräumen der Rechtsverletzung durch den hier einzig in ernsthaft Betracht kommenden Täter der streitigen Rechtsverletzung, den Zeugen Q2, lässt einen Rückschluss auf die zwingende Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber nicht zu, wenn das Gericht gemäß § 286 ZPO im Gegenteil davon überzeugt ist, dass eine Täterschaft des Beklagten höchstwahrscheinlich ausscheidet (vgl. LG Braunschweig, U. v. 1. Juli 2015 – 9 S 433/14). Die Vermutung einer Täterschaft lebt hier auch nicht dadurch wieder auf, dass kein Dritter mit Sicherheit als Täter ermittelt werden konnte. Zwar sind solche Fälle, in denen der Beklagte als Anschlussinhaber aufgrund des Ausschlussprinzips möglicher anderer Täter und Zeugen haftet, durchaus denkbar (LG Köln, U. v. 21. Juli 2022 – 14 O 152/19; LG Köln, U. v. 19. Mai 2022 – 14 O 244/20). Allerdings kann eine Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers nicht die in der Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung des Gerichts, dass der Anschlussinhaber als Täter ausscheidet, erschüttern.“

OLG Frankfurt: Sekundäre Darlegungslast bei behauptetem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Das OLG Frankfurt hatte mit Urteil vom 20.08.2021, Az. 24 U 171/20, über eine Forderungsabtretung zu entscheiden. Behauptet die nach einem Forderungskauf aus der abgetretenen Forderung in Anspruch genommene Partei, die Forderung sei in Wahrheit nur zum Zwecke der Einziehung abgetreten worden und es liege deshalb eine unbefugte Inkassodienstleistung vor, so muss die klagende Partei den zugrundeliegenden Forderungskaufvertrag im Wege der sekundären Darlegungslast offenlegen. Wird der Vertrag daraufhin nur unvollständig vorgelegt und lässt sich deshalb nicht ausschließen, dass kein echter Forderungskauf vorliegt, kann das Gericht von einem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ausgehen.

Die Klägerin hatte die Beklagte aus abgetretenem Recht der Bank auf Zahlung des offenen Saldos aus einem im Jahre 2017 gekündigten Kreditkartenkonto in Höhe von 6.989,86 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hatte eingewandt, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, da die Abtretung gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoße.

Das OLG Frankfurt führt aus:

„Zwar ist das Landgericht im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte für die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot beweispflichtig ist. Sie hat daher auch nachzuweisen, dass im Gegensatz zu der von der Klägerin aufgestellten Behauptung, sie habe die Forderung von der Bank1 im Wege eines echten Forderungskaufs erworben, weshalb keine Inkassodienstleistung vorliege, hier doch eine bloße Inkassozession anzunehmen ist. Allerdings gilt eine Ausnahme, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen. Genügt er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung der Gegenpartei nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH, NJW 2020, 2804 m. w. Nachw.). So liegt der Fall hier, weil die Beklagte über die Einzelheiten des Forderungserwerbs durch die Klägerin keine Kenntnis haben kann. Es ist daher für den behaupteten Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz anerkannt, dass der Erwerber einer Forderung zum Nachweis seiner Forderungsinhaberschaft darlegen muss, dass er die Forderung vollwirksam und nicht lediglich zu Einziehungszwecken erworben hat. Er muss also den zugrundeliegenden Kaufvertrag offenlegen (vgl. BeckOK RDG/Römermann, 18. Ed. 1.7.2019, RDG § 2 Rn. 9; Deckenbrock/Henssler, 5. Aufl. 2021, RDG § 2 Rn. 87).“

AG Düsseldorf: keine Verjährung erst nach 10 Jahren bei Filesharing

Das AG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 13.01.2015, Az.: 57 C 7592/14, zu einigen Fragen des Filesharings Stellung genommen.

U.a. hat das Gericht die Erwägungen für die Berechnung eines Schadensersatzanspruches nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie detailliert dargestellt, zum erforderlichen Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungslast Stellung bezogen und die Frage der Verjährung von Ansprüchen wegen Filesharing erläutert.

Die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers erfordert den Vortrag eines Sachverhaltes, der die Täterschaft eines Mitnutzers ernsthaft möglich erscheinen lässt. Im entschiedenen Fall hatte der Anschlussinhaber die konkret bestehende Nutzungsmöglichkeit durch andere Familienmitglieder grundsätzlich sogar dadurch in Abrede gestellt, dass er vorgetragen hatte, sein 8-jähriger Sohn und seine Ehefrau hätten an der Nutzung des Internets zum Download von Filmen gar kein Interesse. Ein solcher Vortrag führt zur Haftung des Anschlussinhabers als Täter, da die Möglichkeit der Nutzung durch andere Personen in diesem Fall gerade nicht möglich erscheint.

Hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche wegen Filesharings vertritt das AG Düsseldorf die Ansicht, dass eine Verjährung nach drei Jahren eintrete. Der bereicherungsrechtliche Anspruch des durch Filesharing Geschädigten aus §§ 852 S.1, 812ff. BGB, der nach 10 Jahren verjährt, betreffe nur den durch das Ziehen der einzigen Kopie zur Eigennutzung gewonnenen Vorteil. Hinsichtlich der Verbreitung fehle es an einer Bereicherung. Der von den Anhängern der Gegenansicht insoweit zitierte Fall des BGH („Bochumer Weihnachtsmarkt“) betreffe eine andere Fallgestaltung und sei nicht vergleichbar.

Das AG Düsseldorf führt in diesem Zusammenhang u.a. aus:

„Die weitere Forderung ist auch nicht aus §§ 852, 812ff. BGB begründet, wofür eine Verjährungsfrist von 10 Jahren besteht, weil eine Bereicherung des privaten Filesharers über den Umfang des Lizenzwertes der zur Eigennutzung gezogenen Kopie hinaus – hier 2,60 Euro – nicht gegeben ist. Der gemäß § 852 S.1 BGB herauszugebende Gegenstand wird wie in § 812 BGB mit einem „Etwas“ umschrieben, so dass letztlich jeder erlangte Vorteil erfasst ist (Staudinger-Vieweg BGB § 852 Rn. 8). Jedoch ist bei einem privaten Filesharer, dem es lediglich um die Nutzung der Musikwerke zu eigenen Zwecken geht und bei dem die Verbreitung lediglich Nebenfolge des eigenen Verschaffungsakts ist, ein rechtlicher Vorteil durch die Verbreitung nicht gegeben.“

Das AG Düsseldorf schließt sich damit der Ansicht des AG Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014, Az.: 42 C 368/13) und des AG Düsseldorf (Urteil vom 08.08.2014, 57 C 1942/14) an.

Lesenswertes vom Amtsgericht Düsseldorf zur sekundären Darlegungslast in Filesharing-Fällen

Ich möchte hier auf eine sehr lesenswerte Entscheidung des AG Düsseldorf vom 19.11.2013, Az.: 57 C 3144/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/duesseldorf/ag_duesseldorf/j2013/57_C_3144_13_Urteil_20131119.html) hinweisen. Das AG Düsseldorf hatte über eine Klage eines Rechteinhabers auf Abmahnkostenersatz in einem sog. Filesharing-Fall zu befinden. Konkret hatte der Anschlussinhaber eingewandt, dass nicht nur er, sondern auch seine Ehefrau und die beiden volljährigen Söhne den Internetanschluss genutzt hätten. Zudem seien die ebenfalls volljährigen Töchter des Anschlussinhabers zu den Tatzeitpunkten zu Besuch gewesen. Im Ergebnis wies das AG Düsseldorf die Klage des Rechteinhabers ab.

Das AG Düsseldorf geht zunächst auf die Grundlagen der BGH-Rechtsprechung und insbesondere auf die laut BGH bestehende tatsächliche Vermutung ein:

„Nach obergerichtlicher Rechtsprechung soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass der Anschlussinhaber für eine von seinem Anschluss ausgehende Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast ergeben soll, wenn geltend gemacht wird, eine andere Person sei für die Rechtsverletzung verantwortlich (BGH NJW 2010, 2061 Rn. 12). Insbesondere soll die tatsächliche Vermutung dann entkräftet sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter ohne Mitwirkung des Anschlussinhabers den Internetzugang für die Rechtsverletzung genutzt hat. In diesem Fall soll der Kläger Umstände, die die Täterschaft des Anschlussinhabers begründen, in vollem Fall darzulegen und zu beweisen haben (BGH NJW 2013, 1441 Rn. 34f).

Daran anschließend legt das Gericht detailliert dar, wie die von der BGH-Rechtsprechung postulierte sekundäre Darlegungslast dazu passt.

Das AG Düsseldorf gelangt zu der Feststellung

„Die durch die zitierte Rechtsprechung dem Anschlussinhaber auferlegte sekundäre Darlegungslast folgt also mangels gesicherter Erfahrungsgrundlage nicht aus einer tatsächlichen Vermutung. Vielmehr beruht sie darauf, dass der Nutzerkreis des Internetanschlusses in der Sphäre des Anschlussinhabers liegt und demnach nur er – nicht aber die Klägerseite – in der Lage ist, zum Nutzerkreis näher vorzutragen. Die Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für die Beklagtenseite beruht also gerade darauf, dass diese zu Tatsachen vortragen soll, zu der sie sich – im Gegensatz zur Klägerseite – aus eigener Kenntnis üblicherweise erklären können muss (ständige Rechtsprechung; BGH NJW 1999, 1404 (1406) mwN).“

Anschließend geht das Gericht darauf ein, welcher Grad von Detailliertheit an den Vortrag des Anschlussinhabers im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu fordern ist:

„Der Grad der Detailliertheit des Vortrages des Anschlussinhabers wird also letztlich davon abhängig zu machen, in welchem Umfang je nach Sachverhalt eine Erklärung aus eigener Kenntnis zumutbar erscheint. Bei einem Einpersonenhaushalt wird man hier im Regelfall vergleichsweise detailreiche Erläuterungen erwarten können, weil der Besuch durch Gäste meist ein Vorgang ist, an den man sich auch längere Zeit später noch in gewissem Umfang erinnern kann; bei einem Mehrpersonenhaushalt dagegen werden nachvollziehbare Ausführungen dazu, wer zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung noch in der Wohnung gewohnt hat, ob und mit welchem Gerät diese weiteren Personen den Internetanschluss genutzt haben und wie sich der zeitliche Umfang der Nutzung und die Internetkenntnisse der mitnutzenden Personen in groben Zügen gestalten, genügen müssen; denn darüber hinausgehende Kenntnisse sind von einem Anschlussinhaber im Hinblick auf die im Regelfall fehlende ständige Überwachung nicht zu erwarten und können daher im Rahmen der Erfüllung einer sekundären Darlegungslast auch nicht gefordert werden. Dass dies letztlich dazu führt, dass in vielen Fällen die Klagen der Rechtsinhaber abzuweisen sein werden, ist hinzunehmen. Dieses – von manchen Instanzgerichten offenbar als unerträglich angesehene Ergebnis – könnte letztlich nur der Gesetzgeber ändern, nämlich durch Einführung einer Gefährdungshaftung des Anschlussinhabers. Es gehört nicht zum Aufgabenkreis der Rechtsprechung, eine Gefährdungshaftung durch eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast faktisch zu schaffen.“

Allerdings ist das AG Düsseldorf der Meinung, dass der Anschlussinhaber gegebenenfalls verpflichtet sein kann, sämtliche Zeugen – d.h. im Ergebnis alle Mitnutzer des Anschlusses – zu benennen, die eine eigene Täterschaft des Anschlussinhabers theoretisch untermauern könnten.

„Zwar ist vom Anschlussinhaber – schon im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 383 ZPO – nicht zu fordern, dass er eigenständig Ermittlungen nach dem Täter aufzunehmen hat und diesen der Klägerseite zu benennen hat (so auch OLG Hamm NJOZ 2012, 275); jedoch ist der beklagte Anschlussinhaber verpflichtet, soweit für die Klägerseite keine anderen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen, mögliche seine eigene Täterschaft untermauernde Zeugen – und somit letztlich sämtliche Mitnutzer – auf Verlangen der Klägerseite namhaft zu machen, denn die namentliche Benennung der Zeugen ist dann nur dem Beklagten möglich, da die Zeugen aus dessen Sphäre stammen. Kommt die nicht beweispflichtige Partei der Namhaftmachung bei einer solchen Sachlage schuldhaft nicht nach, liegt eine Beweisverteilung vor (BGH NJW 2008, 982 (984)), die sodann dazu führen kann, dass in entsprechender Anwendung von §§ 427, 441 Abs. 3 ZPO die Täterschaft des Anschlussinhabers als erwiesen zu betrachten ist (MüKo-Prütting ZPO § 286 Rn. 92). Bei der Vernehmung dieser Zeugen wird sodann freilich darauf zu achten sein, dass eine Befragung nur zur Mitbenutzung bzw. zur Täterschaft der beklagten Partei stattfindet; die Beweisaufnahme dagegen nicht dazu verwendet werden darf, die zwischen den Prozessparteien sachfremde Frage auszuforschen, ob eine Täterschaft des Zeugen oder einer anderen Person vorliegt.“