AG Köln: Vertragsanpassung eines gewerblichen Mietvertrags wegen Corona

Das Amtsgericht Köln hat mit Urteil vom 10.02.2022, Az. 221 C 248/21, entschieden, dass zwar aufgrund der Coronapandemie grundsätzlich eine Vertragsanpassung eines gewerblichen Mietvertrages wegen Wegfalls oder Veränderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB erfolgen kann, dass dies aber aufgrund der Abwägung der beiderseitigen Interessen dann nicht eingreifen kann, wenn der der Mieter bereits vor der Coronapandemie mit seinem Betrieb keine Gewinne erzielt hat.

Das Gericht führt aus:

„Maßstab für die von § 313 Abs. 1 geforderte umfassende Abwägung sind vertragsimmanente Kriterien (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, BGB § 313 Rn. 77). Dies bedeutet vorliegend nach Auffassung des Gerichts, dass (nur) solche Vermögensgegenstände, Ansprüche etc. einzubeziehen sind, die als Zuflüsse in der konkreten Gewinn- und Verlustrechnung des betroffenen Unternehmens auftauchen. Dagegen sind sonstige Einkünfte, soweit sie nicht mit dem betroffenen Gewerbebetrieb verknüpft sind, davon losgelöst zu betrachten und nicht die Abwägung einzustellen. Das Gehalt des Beklagten im öffentlichen Dienst ist darum ebenso wenig zu berücksichtigen wie es ein Lottogewinn wäre oder Einkünfte aus dem Verkauf seines Privatwagens. Die Vertragsanpassung ist vorliegend aber dennoch, wegen der entgegenstehenden berechtigten Interessen der Klägerin, zu versagen. Der Beklagte kann redlicherweise keine Beteiligung der Klägerin an seinen Verlusten verlangen. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Betrieb des Beklagten sich insgesamt, d.h. auch ohne Ansehung der Corona-Pandemie und der Coronamaßnahmen nicht als wirtschaftlich darstellt.“

Und weiter:

„Vielmehr kommt eine Vertragsanpassung nur in Betracht, wenn für künftige Gewinne nach dem Ende der Pandemie starke Anhaltspunkte bestehen. Dafür ist eine Prognose zu treffen, die z.B. darauf gestützt werden muss, ob in den Geschäftsjahren vor der Pandemie ein dauerhafter Gewinn erwirtschaftet wurde. Genau das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Beklagte hat durch die Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Betriebsjahr 2019 (Bl. 50ff.), also vor der Pandemie, belegt, dass sein Geschäft einen Verlust von 7.045, 85 € eingefahren hat. Auffällig ist dabei, dass die Raumkosten (d.h. die hier streitgegenständliche Miete zzgl. Nebenkosten) von 28.330,84 € die mit Abstand größte Kostenposition darstellen. Sie machen einen Anteil von fast ¾ der Umsatzerlöse aus. Dies führt zu einer derartigen Schieflage, dass die weiteren notwendigen Kostenblöcke (Getränke, Personal) das Geschäft des Beklagten bereits in die Verlustzone geführt haben. Das Geschäftsmodell des Beklagten hat sich darum bereits im Jahr 2019 als nicht tragfähig erwiesen. Es wäre bereits 2019 mehr als 18% größerer Umsatz erforderlich gewesen, um wenigstens eine ausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung zu haben. Bei dieser Sachlage würde eine Vertragsanpassung in Form einer verminderten Miete dazu führen, dass die Klägerin gezwungen würde, das nicht nachhaltige betriebene Geschäft des Beklagten zu subventionieren. Dieses Ergebnis hält das Gericht selbst dann nicht für richtig, wenn der Beklagte, wie es unstreitig ist, von der Coronapandemie massiv betroffen ist. Es ist der Klägerin nicht zumutbar.“

AG Frankenthal: keine Zahlungen für Fitnessstudio während Lockdown

Mit Urteil vom 20.07.2021 hat das AG Frankenthal (Az. 3c C 4/21) eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob Beiträge für ein Fitnessstudio auch zu zahlen sind, wenn wegen Lockdowns kein Training möglich ist. Das Gericht entschied:

1. Sofern bei einer staatlich angeordneten pandemiebedingten Schließung eines Fitnessstudios dessen Betreiber nicht mehr in der Lage ist, Kunden die vertraglich geschuldeten Leistungen zur Verfügung zu stellen, liegt ein Fall vorübergehender Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge vor, dass für die Zeit des „Lockdowns“ sowohl der Studiobetreiber, als auch der Kunde von ihren wechselseitigen Leistungspflichten anteilig befreit sind (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2. Eine Vertragsanpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist demgegenüber subsidiär und auch vom Gesetzgeber, der aufgrund der COVID19-Pandemie in Art. 240 EGBGB eigens spezielle Sonderregelungen geschaffen hat, zumindest für Sportstudioverträge über die dem Betreiber in Art. 240 § 5 EGBGB eingeräumten Möglichkeiten (sog. „Gutscheinlösung“) hinaus, nicht vorgesehen worden.

Eine derartige Vertragsanpassung (z.B. durch Verlängerung der Vertragslaufzeit um den Zeitraum der Schließung) kommt jedenfalls für solche Verträge, die bereits vor Ausbruch der Pandemie und Schließung des Studios gekündigt waren, unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien auch aus sonstigen Erwägungen heraus nicht in Betracht.

Das Gericht begründet diese Ansicht wie folgt:

„Demnach liegt per Definition ein Fall (vorübergehender) Unmöglichkeit der von der Klägerin zu erbringenden Leistung mit der sich aus dem Gesetz (§ 275 Abs. 1 BGB) ergebenden Folge vor, dass der Anspruch der Beklagten auf Leistungserbringung für diesen Zeitraum ausgeschlossen und die Klägerin während der Dauer des Vorliegens des Leistungshindernisses von ihrer Leistungspflicht befreit war. Als Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung verliert der von der Leistungspflicht befreite Schuldner gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB damit auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung von „Mitgliedsbeiträgen“ für den Zeitraum der Schließung. Vielmehr bestand für die Klägerin nur ein Anspruch auf anteilige Zahlung der Beiträge für die Monate März und Mai 2020.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der den Wegfall der Geschäftsgrundlage regelnden Bestimmung des § 313 BGB. Denn diese ist gegenüber den spezialgesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit der Leistung grundsätzlich subsidiär (vgl. nur BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021 § 313 Rn. 20; speziell für Sportstudioverträge auch LG Freiburg – 9 S 41/20, Urt. v. 27.04.2021 Rn. 43, zit. n. juris, jew. mwN; aA – ohne auf die Abgrenzung zur Unmöglichkeit näher einzugehen – etwa LG Würzburg, GRUR-RR 2020, 540, 541/542). Eine die ausnahmsweise Anwendbarkeit der Norm anordnende oder zumindest ermöglichende Sonderregelung – wie sie etwa Art. 240 § 7 EGBGB für die Gewerberaummiete enthält – hat der Gesetzgeber auch angesichts der mit der Corona-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Probleme zu Gunsten von Betreibern von Fitnessstudios (an die in Art. 240 § 5 EGBGB freilich gedacht wurde) nicht getroffen.“

Das AG Frankenthal hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles zugelassen. Der Frage, ob der Anwendungsbereich des § 313 BGB in Fällen wie dem vorliegenden überhaupt bzw. auch dann eröffnet ist, wenn das Vertragsverhältnis bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie zu einem feststehenden Zeitpunkt gekündigt wurde, komme grundsätzliche Bedeutung zu.