AG Bonn: Anspruch aus Art. 15 DS-GVO auf Auskunft über sämtliche Bewegungen auf einem Bankkonto

Das AG Bonn hat mit Urteil vom 30.07.2020, Az.: 118 C 315/19, (= https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/ag_bonn/j2020/118_C_315_19_Urteil_20200730.html) einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auf Auskunft über sämtliche Bankbewegungen, die auf dem Konto mit der Kundenstammnummer xxx erfolgt sind, bejaht.

Das Gericht führt aus:

„Nach Art. 15 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u.a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.

Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen.

Unter die Vorschrift fallen damit sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (z.B. Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile), als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstiger Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt (Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, Art. 4 DS-GVO Rn. 8; Ernst in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 4 Rn. 14). Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizieren oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf (Klar/Kühling in Kühling/Buchner, a.a.O., Art. 4 DS-GVO Rn. 10 m.w.N.; Ernst in: Paal/Pauly, aaO, Art. 4 Rn. 14). Der Auskunftsanspruch umfasst in Ansehung dieser Grundsätze daher mehr als nur die Stammdaten (OLG Köln Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18, BeckRS 2019, 16261 Rn. 60-62, beck-online). Dieser extensiven Ansicht zufolge sind daher zB. einem Arbeitnehmer alle elektronisch verarbeiteten Arbeitszeitnachweise, Entgeltunterlagen, Lohnkonten sowie den Arbeitnehmer betreffende E-Mails zu übermitteln , sofern und soweit keine Rechte Dritter betroffen sind (Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 30.Edition, Stand: 01.11.2019, Art. 15 Ds-GVO, Rn. 85).

Unter Anwendung dieser extensiven Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten erscheint es gerechtfertigt, auch die hier streitgegenständlichen Kontobewegungen als vom Auskunftsanspruch erfasst anzusehen. Diese stellen sachliche Informationen im Hinblick auf die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen dar.

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Soweit die Beklagte diesbezüglich einwendet, der Kläger habe über das Online-Banking bereits Kenntnis der Bankbewegungen über die ihm zur Verfügung gestellten Kontoauszüge erlangt, kann sie hiermit nicht gehört werden, denn die Zuverfügungstellung über das Online-Portal erfolgte damals nicht in Ansehung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches, sondern in Erfüllung der im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdienstevertrages bestehenden Verpflichtung der Beklagten, laufende Auszüge und periodische Rechnungsabschlüsse zu erteilen (vgl. BGH NJW 1985, 2699).

Das Auskunftsbegehren des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ureigenster Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (vgl. Erwägungsgrund 63 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG). Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinaus gehenden bzw. anders gelagerten Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. So wird von der Rechtsprechung einem Kläger erlaubt, ihn betreffende Daten zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens vom Beklagten heraus zu verlangen (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 32. Ed. 1.5.2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 52.2). Nichts anderes kann aber gelten, wenn – wie hier – der Kläger die Informationen benötigt, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken.“

Die Entscheidung erscheint diskussionswürdig. Zum einen ist fraglich, ob es eine Rolle spielen kann, aus welchem Beweggrund dem Kläger die Kontoauszüge zur Verfügung gestellt worden sind. Es hätte in diesem Fall aus meiner Sicht ein Fall der Zweckerreichung geprüft werden müssen, der den Schuldner des Auskunftsanspruchs ggf. nach Unmöglichkeitsrecht (§ 275 BGB) von einer Leistung freistellen würde. Zum anderen erscheint fraglich, ob § 242 BGB nicht bereits aufgrund der Zweckerreichung anwendbar ist und von daher überhaupt ein Rückgriff auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zulässig ist. Zudem wäre ggf. zu klären gewesen, was bei Konkurrenz von vertraglichen und datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen gilt. Aufgrund des begrenzten Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs erscheint es fraglich, ob mit dem datenschutzrechtlichen Anspruch Auskünfte erlangt werden können, die mit Hilfe des vertraglichen Anspruchs auf Auskunft nicht mehr erreichbar gewesen wären.

Hessisches LSG: Erhebung von Sozialdaten durch Überprüfungsbogen kein Verstoß gegen DSGVO

Das Hessische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 29.01.2020, Az.: L 4 SO 154/19 B, (= https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200000255) entschieden, dass die Erhebung von Sozialdaten bei der betroffenen Person im Rahmen der Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sozialleistungen (§ 20 SGB X, § 67a Abs. 2 SGB X) mittels eines Überprüfungsbogens keinem Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO zugänglich ist, da diese Verarbeitung im konkreten Fall nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist.

In dem entschiedenen Fall hatte der Betroffene einen Antrag auf Weiterbewilligung von Sozialleistungen gestellt und war im Rahmen dieses Verfahrens von der Behörde zur Ausfüllung und Einreichung eines Überprüfungsbogens aufgefordert worden. Dies verweigerte der Betroffene unter Verweis auf einen Verstoß der Datenerhebung gegen die Vorschriften der DSGVO.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die Verarbeitung der Daten nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit stellt sicher, dass der Verantwortliche ein vorgegebenes Ziel nicht zum Anlass nimmt, überschießend personenbezogene Daten zu verarbeiten (Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 81).

VG Hannover: Verwarnung wegen Veröffentlichung eines Fotos auf der Fanpage einer Partei bei Facebook

Veröffentlicht eine Partei auf ihrer Fanpage bei Facebook zur politischen Werbung ein Foto, auf dem Personen erkennbar abgebildet sind, und willigen diese nicht ein, so liegt darin eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten; ob dies – nur – aus Art. 6 Abs. 1 DS-GVO oder – auch – aus § 23 KUG folgt, kann offen bleiben.

Dies hat das VG Hannover mit Urteil vom 27.11.2019, Az.: 10 A 820/19, entschieden (http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE190004238&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint).

Der Kläger ist ein Ortsverein einer Partei. Am 7. August 2014 führte er eine öffentliche Veranstaltung durch, bei der über den Bau einer Ampelanlage gesprochen wurde, die das Überqueren einer vielbefahrenen Straße erleichtern sollte. An dieser Veranstaltung nahmen nach Presseberichten etwa 70 Personen teil, darunter die Eheleute S. Über die Veranstaltung wurde auch in der Presse berichtet. Den nach wie vor im Internet verfügbaren Berichten in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und in der Neuen Presse jeweils vom 8. August 2014 ist jeweils ein Foto beigefügt, auf dem auch die Eheleute S. abgebildet sind. Ein weiteres Foto von der Veranstaltung, auf dem die Eheleute S. deutlich erkennbar abgebildet sind, wird vom Kläger weiterhin auf seiner Website veröffentlicht. Der Kläger erhielt eine datenschutzrechtliche Verwarnung, gegen die er sich mit der vorliegenden Klage (erfolglos) wendet.

„Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Verarbeitung des Fotos journalistischen Zwecken diente. Zwar ist der Begriff des Journalismus weit auszulegen (vgl. Erwägungsgrund 153 der DS-GVO). Journalismus bezeichnet die publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen. Der Kläger hat mit seiner Fanpage in erster Linie zum Ziel, für seine Interessen und seine Arbeit zu werben, den Erfolg der eigenen Arbeit zu veranschaulichen und sich dadurch selbst darzustellen. Bildveröffentlichungen, die der Selbstdarstellung dienen, lassen sich aber nicht mehr als eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken qualifizieren (vgl. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, „Personenbildnisse im Spannungsfeld zwischen Äußerungs- und Datenschutzrecht“ in NJW 2017, S. 1057, 1061).“

Hans. OLG Hamburg: Klagebefugnis von Wettbewerbern bei datenschutzrechtlichen Verstößen

Das Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil vom 25.10.2018, 3 U 66/17 = http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bsharprod.psml?showdoccase=1&doc.id=KORE227602018&st=ent) hat als erstes OLG zu der Frage Stellung genommen, ob Wettbewerber bei datenschutzrechtlichen Verstößen von Wettbewerbern mit Erfolg Klage erheben können. Das Hanseatische OLG Hamburg geht davon aus, dass eine Klagebefugnis grundsätzlich gegeben ist, aber jede in Frage kommende datenschutzrechtliche Norm im Einzelfall darauf untersucht werden muss, ob die Norm martverhaltensregelnden Charakter hat.

Zuvor hatte es divergierende Entscheidungen verschiedener deutscher Landgerichte (z.B. LG Würzburg, LG Wiesbaden, LG Bochum) gegeben.

Das Hanseatische Oberlandesgericht formulierte in der Entscheidung folgende Leitsätze:

Weder die RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) noch die VO (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung) enthalten ein abgeschlossenes Sanktionssystem und stehen deshalb der Klagbefugnis von Wettbewerbern nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegen

Nicht jegliche datenschutzrechtliche Norm hat marktverhaltensregelnden Charakter i.S. des § 3a UWG. Vielmehr muss die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat

Soweit § 28 Abs. 7 BDSG a.F. das Erheben sowie Verarbeitung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Gesundheitsdaten unter den in der Vorschriften genannten Voraussetzungen auch ohne die Einwilligung des Betroffenen für zulässig erklärt, ist die betroffene Person – mag sie im Gesundheitsbereich in anderen Zusammenhängen auch durchaus als Markteilnehmer auftreten – nicht in ihrer Eigenschaft als Verbraucher und Marktteilnehmer angesprochen sondern in ihrer Eigenschaft als Patient und Träger von Persönlichkeitsrechten. Ein Bezug der Norm zu einer wie auch immer gearteten Teilnahme des Betroffenen oder von Wettbewerbern am Markt ist nicht zu erkennen. § 28 Abs. 7 BDSG a.F. ist daher keine marktverhaltensregelnde Norm i.S. des § 3a UWG.