BFH: Pflicht zur Nutzung des beSt für Steuerberatungsgesellschaften ab dem 01.01.2023

Der BFH hat mit Beschluss vom 23.01.2024, IV B 46/23, zur Frage Stellung genommen, ab welchem Zeitpunkt Steuerberatungsgesellschaften verpflichtet sind, das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu benutzen.

Der BFH entschied, dass Berufsausübungsgesellschaften nach § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 des Steuerberatungsgesetzes, die in das Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, gemäß § 52d Satz 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung verpflichtet sind, seit dem 01.01.2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu nutzen.

Der BFH hatte außerdem über die Auslegung des § 52d Satz 3 FGO zu entscheiden. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften (zum Beispiel durch Telefax) zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 52d Satz 4 FGO). § 52d Satz 3 FGO greift bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt ein. In einem derartigen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns im Sinne des § 52d Satz 4 FGO ist eng zu fassen (vgl. BGH-Beschluss vom 21.06.2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883, Rz 22, zu § 130d Satz 3 ZPO). Zur Glaubhaftmachung gehört jedenfalls eine Schilderung der tatsächlichen Umstände, die eine vorübergehende technische Unmöglichkeit rechtfertigen können.

LG Arnsberg: zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung als elektronisches Dokument

§ 130d ZPO für die Zivilgerichtsbarkeit und § 32d StPO für das Strafverfahren normieren nahezu wortgleich die grundsätzliche Pflicht des Rechtsanwalts Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Das LG Arnsberg hat sich in einem Beschluss vom 06.07.2022 (Az. 3 Ns-360 Js 24/21-73/22) (= http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/arnsberg/lg_arnsberg/j2022/3_Ns_360_Js_24_21_73_22_Beschluss_20220706.html) damit auseinandergesetzt, was der Rechtsanwalt vortragen muss, um eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne der Vorschriften glaubhaft zu machen.

Das Gericht hat Folgendes ausgeführt.

Die bloße Erklärung des Verteidigers, dass eine Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist, rechtfertigt keine Ersatzeinreichung. ein Verteidiger muss vorgetragen, dass er über eine einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, und ob eine Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist ferner darzulegen, seit welchem Zeitpunkt die Störung besteht, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat.

In dem Berufungsschriftsatz ist lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbständige Prüfung ermöglichen.

Die Terminologie „vorübergehende technische Störung“ will der Gesetzgeber so interpretiert wissen, dass eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existiert und für eine Beseitigung eines temporären Ausfalls unverzüglich gesorgt wird (vgl. BT-Drs. 18/9416, Seite 51). Die Heilungsmöglichkeit ist deshalb nicht gegeben, wenn ein kein technischer, sondern ein menschlicher Fehler vorliegt; so stellt beispielsweise der Verlust der beA-Karte mit Signierfunktion keine technische Störung im Sinne der Norm dar (vgl. Radke in jurisPK, StPO, § 32d, RN 16 m.w.N.).

Der Verteidiger hat schon gar nicht vorgetragen, ob er überhaupt über eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, wozu ein Internetanschluss gehört, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte (vgl. OVG Münster, Beschluss 31.03.2022, 19 A 448/22 A zu § 55d VwGO). Unklar ist ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist auch nicht dargelegt, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. Es fehlt daher jegliche konkrete Darlegung etwaiger Schwierigkeiten mit der Hard- und/oder Software und deren Dauer.

Der unspezifische Verweis auf eine technische Störung ersetzt eine nachvollziehbare Tatsachenschilderung nicht, ebenso wenig die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung.

Stellungnahme:

Es erscheint fraglich, ob die vom LG Arnsberg und anderen Gerichten im Rahmen der Auslegung der §§ 130d ZPO und 32d StPO angenommenen Anforderungen die Wirklichkeit vor allem vieler kleiner Anwaltskanzleien in Deutschland abbilden. Viele gerade kleinere Kanzleien sind froh, die hohen Anforderungen an Ausstattung und technische Infrastruktur überhaupt bis zum Start des beA bewältigt zu haben. Viele Kanzleien waren zuvor technisch auf beA und elektronische Bearbeitungen noch gar nicht eingestellt, so dass diese (ggf. durch die Bundesrechtsanwaltskammer belegbaren) Tatsachen in die Überlegungen zum Maß der Pflichten des Rechtsanwalts zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Störung einfließen müssen. Im oben vorliegenden Fall lässt sich der Entscheidung leider nicht entnehmen, ob Amts- und/oder Landgericht dem betroffenen Anwalt einen dahingehenden rechtlichen Hinweis gegeben haben. Sollte der Rechtsanwalt trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts nicht reagiert haben, ist die Entscheidung zu akzeptieren.