OLG Düsseldorf: keine Berufungsbegründung via EGVP

Das OLG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 24.07.2013, Az.: VI-U (Kart) 48/12 (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2013/VI_U_Kart_48_12_Urteil_20130724.html) , entschieden, dass das Versenden eines Berufungsbegründungsschriftsatzes via EGVP an das E-Mail-Postfach des OLG Düsseldorf keine fristwahrende Wirkung hat, da im Bereich des OLG Düsseldorf der elektronische Rechtsverkehr für Berufungszivilsachen noch nicht eröffnet sei.

In dem entschiedenen Fall war die Berufungsbegründung am letzten Tag der Begründungsfrist via EGVP an das OLG Düsseldorf gesandt worden, dort aber aufgrund einer technischen Störung des Mailservers erst ca. 2 Wochen später dem zuständigen Richter zugeleitet worden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt.

Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass aus dem Vorhalten eines E-Mail-Postfaches bzw. aus der Teilnahme am EGVP nicht geschlossen werden kann, dass der elektronische Rechtsverkehr für fristwahrende Schriftsätze in Berufungssachen eröffnet sei.

Das Gericht führt dazu aus:

„In Nordrhein-Westfalen ist eine entsprechende Rechtsverordnung für die Einreichung elektronischer Dokumente bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf nicht erlassen worden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung Ende 2003 auf das Justizministerium des Landes übertragen. Der durch Verordnung des Landes-Justizministeriums eröffnete elektronische Rechtsverkehr beschränkt sich im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bislang auf Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG, die bei dem Landgericht Köln geführt werden, sowie auf Registersachen bei den Amtsgerichten des Landes. Ob – wie die Klägerin meint –  der Eröffnung der EGVP-Postfächer aufgrund der landesweiten Registrierung aller Gerichte im EGVP ein Organisationsakt des Justizministeriums vorausgegangen sein müsse, kann in diesem Zusammenhang dahin stehen. Keinesfalls kann aus der landesweiten Registrierung weitergehend geschlossen werden, durch ministerielle Verfügung sei für sämtliche Gerichte des Landes auch der elektronische Rechtsverkehr eröffnet worden.“

„Im Übrigen fehlt jedweder Anhaltspunkt für die Annahme, die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf habe das elektronische Postfach unter Missachtung von § 130 a Abs. 2 ZPO auch für den Empfang von Anwaltsschriftsätzen in Berufungsverfahren bereitgestellt. Aus den EGVP-Organisationsempfehlungen der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9.11.2011 ergibt sich das Gegenteil.“

Die Fristversäumung sei vorliegend auch verschuldet, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werde. Der Anwalt habe eine Pflicht, nicht nur die Fristen zu prüfen, sondern auch den richtigen Übertragungsweg für die fristwahrenden Schriftsätze festzustellen und zu prüfen.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf mag formal richtig sein. Sie hinterlässt aber einen faden Beigeschmack. Ich bin keineswegs der Meinung, dass es dahinstehen kann, ob der Eröffnung der EGVP-Postfächer aufgrund der landesweiten Registrierung aller Gerichte im EGVP ein Organisationsakt des Justizministeriums vorausgegangen sein müsse. Ich bin der Ansicht, dass bei Eröffnung der EGVP-Postfächer mindestens eine Pflicht des Gerichtes besteht auf die Tatsache, dass der fristwahrende Schriftsatz nicht wirksam via EGVP eingereicht werden kann, nochmals hinzuweisen. Erfolgt dieser Hinweis nicht bereits am Tage der Zusendung des Schriftsatzes via EGVP und damit am Tage des Fristablaufs, müsste meines Erachtens dem Anwalt bei aufgrund technischer Probleme verzögerter Kenntnisnahme seitens des Gerichtes eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dies folgt daraus, dass Zusendungen via EGVP in der Regel vorgenommen werden, um eine möglichst schnelle Zustellung an den Empfänger sicherzustellen und daher überwiegend zur Fristwahrung am Tag des Fristablaufs eingesetzt werden. Die Kenntnis dieses Umstands führt auch auf der Seite des Empfängers zu einer besonderen „Fürsorgepflicht“. Denn es besteht ein Unterschied darin, ob eine E-Mail-Sendung an ein einfaches E-Mail-Postfach des Gerichtes (für normale Post) gesandt wird oder an das eingerichtete und registrierte EGVP-Postfach des Gerichtes.

Vom Gericht ist in solchen Fällen zu verlangen, dass bei Eröffnung des EGVP die eingehenden Mails eine automatische Bestätigung des Inhalts erhalten, dass die Sendung eingegangen ist, aber fristwahrende und bestimmende Schriftsätze nicht per EGVP eingereicht werden dürfen. Das könnte etwa so aussehen:

„Sie haben eine Nachricht per EGVP eingereicht. Wir weisen darauf hin, dass der elektronische Rechtsverkehr beim OLG Düsseldorf noch nicht eröffnet ist und daher fristwahrende oder bestimmende Schriftsätze nicht wirksam eingereicht werden können.“

Möglicherweise wäre dem Gericht auch § 242 BGB wegen unzulässigen Selbstwiderspruchs entgegenzuhalten, wenn möglicherweise das Gericht in vorherigen Fällen eingehende EGVP-Nachrichten, die keine fristwahrenden oder bestimmenden Schriftsätze enthielten, bearbeitet hat.

Die zugrundeliegenden Rechtsfragen sind m.E. nicht höchstrichterlich geklärt, so dass sich mir nicht erschließt, weshalb laut Gericht Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen sollen. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden haben wird.

Zulässigkeit einer qualifizierten Container-Signatur beim EGVP

Der BGH hat mit Beschluss vom 14.05.2013, Az.: VI ZB 7/13, (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20130109) entschieden, dass die im EGVP-Verfahren eingesetzte Container-Signatur den Anforderungen des § 130a ZPO genügt.

Im entschiedenen Fall war eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist mittels EGVP eingereicht worden, wobei nicht die Einzeldokumente der Sendung je für sich signiert worden waren, sondern der Gesamtinhalt der Sendung (sog. Container) mit einer einzigen Signatur versehen worden war. Die Vorinstanz sah darin keine wirksame Einreichung und wies die Berufung aus formalen Gründen der nicht rechtzeitigen Berufungsbegründung zurück. Ein Wiedereinsetzungsgesuch scheiterte.

Der BGH hob diese Entscheidungen der Vorinstanz auf.  Er entschied damit eine Streitfrage, bezüglich der bis zuletzt eine eventuelle gesetzliche Klarstellung diskutiert worden war, die Frage nämlich, ob es ausreicht, wenn die vorgeschriebene qualifizierte elektronische Signatur sich auf dem Container der zusammengefassten Einzeldokumente befindet oder ob demgegenüber die Einzelsignatur jedes einzelnen Dokumentes erforderlich ist. Der BGH schloss sich der im Schrifttum hierzu bislang überwiegend vertretenen Meinung an, dass der Zweck der Signatur, die Sicherstellung von Authentizität und Integrität des Dokuments auch mit der Signatur des Containers erreicht wird. Der BGH sagt insoweit: „Die qualifizierte Container-Signatur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur die jeweils übersandte Einzeldatei, sondern die gesamte elektronische Nachricht umfasst, mit der die Datei an das Gericht übermittelt wird.“

Der BGH stellt abschließend fest, dass nur ein solches Verständnis des Begriffs der qualifiziert elektronischen Signatur dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ausreichend Rechnung trägt, der es u.a. verbietet, an die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens überspannte Anforderungen zu stellen.

Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen, lässt sie doch auch die Tendenz erkennen, dass prozessuale und formale Vorschriften mittlerweile auch vom BGH im Lichte der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgelegt werden.

Keine Erfüllung des Schriftformerfordernisses einer Kündigung bei Übersendung einer Kopie eines mittels EGVP eingereichten Schriftsatzes

Das Amtsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 12.03.2013 entschieden, Az.: 92 C 4921/12, dass dem Schriftformerfordernis für die Kündigung eines Mietvertrages durch die Übersendung einer Kopie eines Schriftsatzes, der mittels EGVP (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) eingereicht wird, nicht genügt wird.

Das Gericht führt aus:

„Ist die Kündigung in einem prozessualen Schriftsatz enthalten, so ist der Zugang einer vom erklärenden unterzeichneten Abschrift des Schriftsatzes beim Gegner erforderlich. Hat der Prozessbevollmächtigte des Vermieters die Kündigung selbst ausgesprochen und führt dieser als Rechtsanwalt den Prozess selbst, so wird dem Formerfordernis im Allgemeinen auch dann genüge getan, wenn der Anwalt den Beglaubigungsvermerk auf der Abschrift des Schriftsatzes unterschrieben hat (…). Zwar bezeugt die Unterschrift auf dem Beglaubigungsvermerk regelmäßig nur ihre Übereinstimmung mit der Urschrift, allerdings übernimmt der Prozessbevollmächtigte des Vermieters bei einem von ihm selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk  im Allgemeinen zugleich die Verantwortung auch für den Inhalt der Urkunde. Diesen Anforderungen wird die Übersendung einer Kopie eines Schriftsatzes, der mittels EGVP eingereicht wird, nicht gerecht. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich um einen förmlich zuzustellenden Schriftsatz, wie z.B. der Klageschrift handelt, bei der die Abschriften von der Geschäftsstelle zu beglaubigen sind (…) oder einen sonstigen Schriftsatz, bei dem die Beglaubigung durch die Geschäftsstelle nicht notwendig ist. Denn die Beglaubigung durch die Geschäftsstelle stellt keinen vom Vermieter oder seinem Bevollmächtigten unterschriebenen Beglaubigungsvermerk dar. Nur mit einem derartigen Beglaubigungsvermerk wird allerdings der Anforderung gerecht, dass der Kündigungsberechtigte bzw. sein Prozessbevollmächtigter mit der Beglaubigung zugleich auch die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde übernimmt. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die gesetzliche Schriftform der Kündigung durch einen Prozessschriftsatz, der mit EGVP übermittelt wird, in der Regel nicht vorliegt.“

Die Kommentarliteratur sieht hinsichtlich der Schriftform die Einreichung der Kündigung mittels Fax nicht als ausreichend an, auch nicht zur Fristwahrung, lässt es aber genügen, wenn die Kündigung per Anwaltsschriftsatz erfolgt, sofern auf dem zugestellten Exemplar der Beglaubigungsvermerk unterschrieben ist. Die Rechtsfrage ist also, ob die Einreichung der unterschriebenen Kopie durch den Anwalt per EGVP einem unterschriebenen Beglaubigungsvermerk des Anwalts auf Papier gleichsteht.

Hinsichtlich Beglaubigungen ist zu unterscheiden in eine Beglaubigung einer Unterschrift, die alleine die Echtheit der Unterschrift und etwaiger Vertretungsberechtigungen bestätigen soll, nicht dagegen den Urkundeninhalt. Daneben gibt es die Beglaubigung einer Abschrift, die bestätigen soll, dass eine Abschrift inhaltlich mit der Vorlage (Urschrift) identisch ist. Diese Beglaubigung bescheinigt nicht zugleich die Echtheit oder Gültigkeit der Vorlage, sondern lediglich die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Vorlage und der Abschrift. Der zweite Fall ist hier betroffen.

Auf der per EGVP eingereichten Kopie kann ein Beglaubigungsvermerk nicht angebracht werden, da dieser Beglaubigungsvermerk ebenfalls kopiert und nicht original unterschrieben wäre. Folglich wäre, da die Beglaubigung durch das Gericht die fehlende Beglaubigung durch den Rechtsanwalt nicht ersetzen kann, bei 1:1 Übertragung der Papierwelt auf die elektronische Welt die Beglaubigung einer Abschrift durch den Anwalt niemals mittels einer Einreichung per EGVP möglich. Genau so argumentiert das Amtsgericht Wiesbaden.

Man muss aber wissen, dass zur Wahrung der Vertraulichkeit von per EGVP versandten Nutzdaten Teile der generierten OSCI-Nachricht verschlüsselt werden. Daher werden bei Anlage eines jeden nicht anonymen Postfaches Zertifikatsinformationen vom Benutzer abgefragt oder ein eigenes Software-Zertifikat generiert und im Verzeichnisdienst hinterlegt. Hierzu muss sich der Inhaber des Postfaches zunächst identifizieren und legitimieren. Es ist von daher ausgeschlossen, dass ein Dritter, d.h. z.B. eine außerhalb der Kanzlei des betreffenden Rechtsanwaltes stehende Person, sich über dieses Postfach anmelden und hierüber Nachrichten versenden kann.

Ich plädiere daher vorliegend für folgende Auslegungsregel:

Kann ein elektronischer Vorgang den Ablauf in der Papierwelt nicht exakt nachbilden, muss es bei Auslegung nach dem Sinn und Zweck der mittlerweile seit dem Inkrafttreten des Justizkommunikationsgesetzes im Jahr 2005 auf Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgerichteten Verfahrensvorschriften ausreichen, wenn der Rechtsanwalt als Inhaber des EGVP-Postfaches eine von ihm unterschriebene Kündigungserklärung per EGVP einreicht.

Die Legitimation des Inhabers ist nämlich bereits bei der Einrichtung des EGVP-Postfaches geprüft worden und eine mangelnde Übereinstimmung der Kopie mit dem Original könnte allenfalls mit einem Fälschungseinwand begründet werden.

Die oben genannte Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden ist für den Elektronischen Rechtsverkehr, sehr gelinde gesagt, äußerst „kontraproduktiv“. Seit Jahren bemühen sich nicht wenige Personen in den Ministerien, den Gerichten, in der Rechtsanwaltschaft und unter den Notaren darum, den Elektronischen Rechtsverkehr voranzubringen. Vor wenigen Wochen wurde hierzu ein Gesetzentwurf zur „Förderung des Elektronischen Rechtsverkehrs“ auf den weiteren Weg gebracht.  Hier hat bereits die Expertenanhörung stattgefunden. Diesen Bemühungen stehen Entscheidungen wie die vorliegende gegenüber, in denen deutlich wird, dass der Transfer von der Papierwelt in die elektronische Welt von der Praxis nicht vollzogen wird.