AG Bielefeld: Kein Anspruch auf Schadensersatz und Abmahnkosten in Filesharing-Fall innerhalb der Familie

Das AG Bielefeld (Urteil vom 04.09.2014, Az.: 42 C 45/14) hatte über einen Anspruch auf Schadensersatz und Abmahnkosten wegen des angeblichen Filesharings bezüglich eines Filmwerkes zu entscheiden.

Das Gericht wies die Ansprüche zurück (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bielefeld/ag_bielefeld/j2014/42_C_45_14_Urteil_20140904.html).

Zum einen sei der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Er habe vorgetragen, dass seine Ehefrau und sein volljähriger Sohn zum fraglichen Zeitpunkt Zugriff auf den Computer gehabt hätten. Nach Ansicht des AG Bielefeld reicht dieser Vortrag aus, da aufgrund des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie weitere Ermittlungen innerhalb des Familienverbundes nicht geschuldet seien. Eine Aufklärung der Täterschaft könne in den meisten Filesharing-Fällen auch nicht nach Monaten und Jahren nach dem eigentlichen Tatvorwurf geleistet werden. Eine weitergehende Nachforschungspflicht bestehe nicht. Auch eine Störerhaftung des Anschlussinhabers sei mangels Prüf- und Überwachungspflichten nicht gegeben.  Ohne Anlass bestehe kein Grund zur Überprüfung oder zu Nachforschungen.

AG Köln: Begrenzung des Schadensersatzes und der Abmahnkosten in Filesharing-Fällen

Das AG Köln hat mit Teil-Versäumnis-Urteil und Urteil vom 10.03.2014, Az.: 125 C 495/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2014/125_C_495_13_Teil_Versaeumnis_und_Urteil_20140310.html), den Schadensersatz in Filesharing-Fällen auf 10,00 Euro pro Musiktitel begrenzt und zudem als Gebührenstreitwert für die Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten 1000,00 Euro angenommen.

Zur Begründung der Begrenzung des Schadensersatzes auf 10,00 Euro verweist das Gericht auf die technischen Zusammenhänge beim Filesharing, die einen höheren Schadensersatz pro Musiktitel als übersetzt erscheinen ließen.

Das Gericht hierzu wörtlich:

„Filesharing ist die über spezielle Netzwerke oder Protokolle wie C bewirkte Weitergabe und damit Verbreitung von Dateien an eine unbestimmte Vielzahl von Internetteilnehmern. Dabei wird sowohl bei den Netzwerken als auch bei Nutzungen des C-Protokolls der Download der Dateien, die ein Benutzer nachfragt, regelmäßig mit dem Upload derselben Dateien verbunden. Dies führt dazu, dass alle, zumindest fast alle Internetnutzer, die sich die betroffene Datei über Filesharing illegal aus dem Internet „besorgen“, durch die entsprechende Software automatisch und häufig ohne es zu wissen oder zu wollen an der Weiterverbreitung der Dateien beteiligt werden. Damit unterscheidet sich Filesharing von fast allen anderen Urheberrechtsverletzungen insoweit, als das nicht einzelne Verletzer das Werk nutzen und an eine regelmäßig wesentlich größere Öffentlichkeit weiterverbreiten, sondern die Gruppe der Weiterverbreiter, (also der Urheberrechtsverletzer) und der Nutzer (zumindest weitgehend) identisch ist.

Vor dem oben beschriebenen technischen Hintergrund stellt die „Nutzung des verletzten Rechts“ i. S. d. Gesetzes nicht mehr als die Teilnahme an der Verbreitung der Dateien durch ein Einzelmitglied eines Netzwerkes dar, an das häufig viele Millionen Menschen angeschlossen sind. Vor dem beschriebenen technischen Hintergrund würde sich das Lizenzentgelt grundsätzlich an dem Entgelt für eine legale Nutzung der entsprechenden Dateien orientieren. Beträge in der Größenordnung mehrerer 100,00 € pro Musiktitel erscheinen als völlig übersetzt.“

Bezüglich der Abmahnkosten erwähnt das Gericht die Vorschrift des neuen § 97 a Absatz 3 UrhG, lehnt dessen Anwendung auf den hier vorliegenden „Altfall“ aber ab. Gleichwohl gelangt das Gericht aufgrund einer sozusagen entsprechenden Anwendung des § 97 a Absatz 2UrhG zu einer Festsetzung des Gebührenstreitwertes auf 1000,00 Euro.

Mit sehr deutlichen Worten distanziert sich das Gericht von der gängigen Praxis der Festsetzung hoher Gebührenstreitwerte für die Berechnung der Abmahnkosten, nennt diese einen „faulen Kompromiss“ und geht dabei auch auf die Motivationen des Gesetzgebers bei der Schaffung des „Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ ein.

Das Gericht mit erstaunlich klaren Worten:

„Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 130,50 € gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit einem Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen. Diesen Streitwertansatz gibt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem durch es eingeführten § 97 a Abs. 3 UrhG vor. Allerdings gilt diese Bestimmung erst ab dem 9. Oktober 2013 und damit nicht im vorliegenden Fall. Doch ist vorliegend der seit 2008 geltende alte § 97 a UrhG anzuwenden, der nach seinem Absatz 2 Gebühren für eine erstmalige Abmahnung bei in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 € begrenzte. Diese Voraussetzungen liegen hier bis auf den Umstand, dass es sich bei Filesharing nach Auffassung des Gerichts nicht um einfach gelagerte Fälle von Urheberrechtsverletzung handelt, vor. Von den Rechtsfolgen her legt diese Regelung daher auch ein Streitwert von 1.000,00 € nahe. Jedenfalls erscheinen Streitwertbemessungen von 50.000,00 € oder gar 10.000,00 € pro Musiktitel mithin im vorliegende Fall von 130.000,00 € als völlig übersetzt.

Es entsteht der Eindruck, dass die herrschende Rechtspraxis die beiden, die anwaltlichen Abmahngebühren bewusst begrenzenden gesetzlichen Regelungen aus den Jahren 2008 und 2013 offensichtlich soweit irgend möglich, ignoriert. In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein „Abmahnunwesen“ bzw. eine „Abmahnindustrie“ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. Insoweit darf auf die oben zitierten Worte der Bundesregierung und die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2013 verwiesen werden, nach der die herrschende Abmahnpraxis in der Öffentlichkeit als „Abzocke“ wahrgenommen und das Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird.

Der herrschenden Meinung ist schließlich entgegenzuhalten, dass sie völlig im Unklaren lässt, wie die angesetzten Streitwerte bemessen werden: Das Interesse an dem Unterlassen eines Filesharings eines populären Werks insgesamt ist sicherlich regelmäßig mit Streitwerten von Millionen von Euro anzusetzen, das Interesse daran, dass eine Person weniger, nämlich der jeweilige Beklagte an diesem teilnimmt, ist mit 1.000,00 € sicherlich nicht zu niedrig angesetzt. Damit stellen sich die gängigen Wertfestsetzungen als faule Kompromisse dar.“

Es bleibt für die Anwälte, die Interessen der Abgemahnten vertreten, zu hoffen, dass mehr und mehr Amtsgerichte sich diesen Argumenten anschließen.