Dürfen Hörbücher und E-Books weiterverkauft werden?

Mit der Frage, ob per Download auf einer Internetseite des Anbieters erworbene Hörbücher und E-Books weiterverkauft werden dürfen, hatte sich das LG Bielefeld in einem Urteil vom 05.03.2013, Az.: 4 O 191/11 (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bielefeld/lg_bielefeld/j2013/4_O_191_11_Urteil_20130305.html) zu befassen. Gegenstand des Rechtsstreits war die vom Bundesverband der Verbraucherzentralen angegriffene Klausel

„§ 10 (3). Im Rahmen dieses Angebotes erwirbt der Kunde das einfache, nicht übertragbare Recht, die angebotenen Titel zum ausschließlich persönlichen Gebrauch gemäß Urheberrechtsgesetz in der jeweils angebotenen Art und Weise zu nutzen.

Es ist nicht gestattet, die Downloads in irgendeiner Weise inhaltlich und redaktionell zu ändern oder geänderte Versionen zu benutzen, sie für Dritte zu kopieren, öffentlich zugänglich zu machen bzw. weiterzuleiten, im Internet oder in andere Netzwerke entgeltlich oder unentgeltlich einzustellen, sie nachzuahmen, weiterzuverkaufen oder für kommerzielle Zwecke zu nutzen.“

Das LG Bielefeld hielt die Klausel in dem o.a. Urteil für wirksam und entschied damit, dass Hörbücher und E-Books, die per Download erworben werden, nicht weiterverkauft werden dürfen.

Rechtlicher Streitpunkt ist die urheberrechtliche Regelung der Erschöpfung, die in § 17 Abs. 2 UrhG allgemein und in § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG speziell für Computerprogramme geregelt ist. Diese Regelungen besagen, dass die Weiterverbreitung (mit Ausnahme der Vermietung) zulässig ist, wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sind.

Hier entstehen nun verschiedene Streitfragen, die das LG Bielefeld in seiner Entscheidung behandelte. Zum einen ist dies die Frage, ob § 17 Abs. 2 UrhG auch für heruntergeladene Dateien gilt, d.h. für nicht „körperliche“ Werke. Das LG Bielefeld ist hierzu der Ansicht, dass von § 17 Abs. 2 UrhG lediglich die Weiterverbreitung des konkreten körperlichen Werkexemplares erfasst sei, nicht aber das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) oder das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Ein allgemeiner und ggf. analog anzuwendender Grundsatz der Erschöpfung könne aus § 17 Abs. 2 UrhG nicht hergeleitet werden, da § 17 Abs. 2 UrhG vor dem Hintergrund der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen sei, die die Frage der Erschöpfung bei Online-Diensten ausdrücklich ausnehme.

Das LG Bielefeld geht dann im Folgenden auf die Frage ein, ob sich aus der Entscheidung des EuGH vom 03.07.2012, Rs. C-128-11 (UsedSoft/Oracle) (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20120112), etwas anderes ergebe. Der EuGH hatte dort bezüglich eines heruntergeladenen Computerprogrammes entschieden, dass körperliche Weitergabe und unkörperliche Weitergabe durch Herunterladen des Programmes aus dem Internet gleichzustellen seien und hatte eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts angenommen. Der EuGH hatte diese Ansicht mit der Anwendung und Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG begründet, da in dem gegebenen Fall ein Computerprogramm zugrunde lag. Das LG Bielefeld lehnte eine Anwendung dieser Grundsätze auf Hörbücher und E-Books ab, da insoweit nicht die Spezialregelungen für Computerprogramme eingreifen könnten. Die europarechtliche Auslegung des § 17 Abs. 2 UrhG habe nicht im Lichte der zu Computerprogrammen ergangenen Richtlinie 2009/24/EG, sondern alleine auf der Grundlage der Richtlinie 2001/29/EG zu erfolgen. Der EuGH habe den Erschöpfungsgrundsatz zudem in seiner Entscheidung nicht auf das Vervielfältigungsrecht ausgedehnt.

Die Entscheidung des LG Bielefeld wird in den ersten Kommentierungen überwiegend abgelehnt. Diese Kommentierungen sehen in der EuGH-Entscheidung vom 03.07.2012 einen allgemeinen Rechtsgrundsatz hinsichtlich der Erschöpfung. Die Entscheidung des LG Bielefeld widerspreche daher der europarechtlichen Auslegung. Auch wird von den Kommentatoren der substantielle Unterschied zwischen Computerprogramm per Download einerseits und Multimedia-Datei per Download andererseits in Zweifel gezogen. Die Richter des LG Bielefeld hätten die Frage, ob hier ein wirklicher Unterschied bestehe, bewusst unbeantwortet gelassen.

Das LG Bielefeld kommt in seiner Entscheidung zu dem gleichen Ergebnis wie das LG Hamburg (Urteil vom 20.09.2011, Az.: 312 O 414/10) und das OLG Stuttgart (Urteil vom 03.11.2011, Az.: 2 U 49/11 (http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20120056)), wobei diese beiden Entscheidungen wohlgemerkt noch vor der zitierten EuGH-Entscheidung ergangen waren.

Ich gebe die folgenden beiden Punkte zu bedenken:

1)Der EuGH hat in seiner Entscheidung (Tz. 52) formuliert:

„Wie der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge ausführt, geht aus Art. 6 Abs. 1 des Urheberrechtsvertrags, in dessen Licht die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/29 nach Möglichkeit auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2008, Peek & Cloppenburg, C‑456/06, Slg. 2008, I‑2731, Randnr. 30), hervor, dass eine „[Handlung] der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 durch eine Eigentumsübertragung zu einer Handlung der Verbreitung im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie wird, die, wenn die Voraussetzungen von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt sind, ebenso wie der „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen kann.“

Geht man in Subsumtion dieser Aussage des EuGH davon aus, dass die Weitergabe der heruntergeladenen Hörbuch-Datei eine öffentliche Wiedergabe („einschließlich des öffentlichen Zugänglichmachens“) ist, dann könnte durch eine Eigentumsübertragung hinsichtlich der Datei, auf die es dann – entgegen der Ansicht des LG Bielefeld – ankäme, eine Handlung der Verbreitung angenommen werden, die dann gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen könnte.

2) Der EuGH lässt in Tz. 60 seiner Entscheidung ausdrücklich offen, ob die Richtlinie 2001/29/EG hinsichtlich der unter die Erschöpfung des Verbreitungsrechts fallenden Werke nur materielle, also körperliche, Werke betreffen soll.

Der EuGH formuliert insoweit:

„Doch selbst wenn sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 in seiner Auslegung im Licht der Erwägungsgründe 28 und 29 der Richtlinie sowie des Urheberrechtsvertrags, der durch die Richtlinie 2001/29 umgesetzt werden soll (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C‑277/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59), ergäbe, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei den unter diese Richtlinie fallenden Werken nur materielle Güter beträfe, ließe dies die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 unberührt, da der Unionsgesetzgeber im konkreten Kontext dieser Richtlinie einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat.“

Wäre der EuGH davon überzeugt gewesen, dass die Richtlinie 2001/29/EG insoweit in jedem Fall nur körperliche Werke erfasst, hätte der EuGH dies entsprechend formulieren können. Die gewählte Formulierung des EuGH lässt auch andere Deutungen zu. Jedenfalls ist die vom LG Bielefeld vorgenommene Auslegung angesichts dieser Formulierung des EuGH nicht zwingend.

Die Sache bleibt in jedem Fall spannend, da der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berufung gehen wird.

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