LG Arnsberg: Nutzung der Weiterempfehlungsfunktion bei eBay nicht wettbewerbswidrig (Update beachten!)

Das LG Arnsberg hat mit Urteil vom 30.10.2014, Az.: 8 O 121/14, entschieden, dass das Nutzen einer von eBay angebotenen Weiterempfehlungsfunktion auf der Internet-Auktionsplattform nicht wettbewerbswidrig ist (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/arnsberg/lg_arnsberg/j2014/8_O_121_14_Urteil_20141030.html).

Das Gericht verneint zunächst eine Beihilfehandlung des Nutzers:

Eine Beihilfe durch aktives Tun zu einem rechtswidrigen und damit Störerverhalten der A kann nicht bejaht werden. Eine Beihilfe durch Tun könnte nur in einem rein tatsächlichen Benutzen der von der A bereitgestellten Plattform durch die B liegen unter dem Aspekt, dass die rein tatsächliche Nutzung bereits „automatisch“ zur Folge hat, dass die sog. „Weiterempfehlungsfunktion“ aktiviert wird. Hierin liegt jedoch keine Unterstützungshandlung der A durch die B hinsichtlich einer durch die A begangenen vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die B handelte, um die A in deren rechtswidrigem Handeln zu unterstützen.

Danach befasst sich das Gericht mit der Störerhaftung des Nutzers und verneint auch diese:

„Auch eine Störerhaftung in Form der Beihilfe durch Unterlassen kann nicht bejaht werden. Denn anerkanntermaßen setzt die Haftung für ein bloßes Unterlassen voraus, dass die Pflicht besteht, den eingetretenen Erfolg zu verhindern. Unter diesem Aspekt kann aber eine Garantenstellung auf Grund des von der K im Verhandlungstermin vom 20.10.2014 ausdrücklich herangezogenen Aspekt, die B sei gegenüber der A nicht (genügend) tätig geworden im Sinne eines Einwirkens auf Unterlassen der zukünftigen Weiterverwendung der Empfehlungsfunktion, nicht bejaht werden. Denn zur Überzeugung der Kammer hätte allein ein solches Tätigwerden die weitere Verwendung dieser Funktion durch die A nicht verhindert. Das ergibt sich schon daraus, dass die Marktmacht der B gegenüber der A offensichtlich viel zu gering war, als das eine solche Aufforderung der B gegenüber der A irgendwelche Erfolgsaussichten nach sich gezogen hätte. Im Übrigen ist zu beachten, dass der B als Kundin der A keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Benutzung der Weiterempfehlungsfunktion zukamen, wie sich aus dem zum Zwecke der Glaubhaftmachung als Anlage AG 2 zur Antragserwiderungsschrift zur Akte gereichten Schreiben der Fa. xxx vom 19.09. 2014 ergibt. Dementsprechend bestand für die B nur die Möglichkeit, den Erfolg – Aktivierung der Weiterempfehlungsfunktion – dadurch zu verhindern, dass sie völlig von der Nutzung der Plattform „xxx.de“ absah. Das kann aber weder rechtlich gefordert werden noch ist das geschäftlich zumutbar (siehe zu diesen Kriterien BGH, GRUR 2011, 152 ff.). Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sie sich der Ansicht anschließt, wonach ein Anspruch wegen Unterlassens von – nach Ansicht der K rechtlich gebotenen – Maßnahmen dann nicht gegeben ist, wenn dem (vermeintlich) Verletzten ein unmittelbares Vorgehen gegen den eigentlichen Verletzer möglich und zumutbar ist (vgl. dazu die Ausführungen bei Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8 Rdrn. 2.11 m. w. N.). Ein Vorgehen ist der K gegen die A aber sicherlich möglich.“

Update:
Die Kanzlei Dr. Bahr, die die Antragstellerin in dem Verfahren vertrat, teilt hierzu am 15.12.2014 mit, dass das OLG Hamm in der Berufungsinstanz (Az.: I-4 U 154/14) die Ansicht vertreten habe, die Weiterempfehlungsfunktion sei entgegen der Ansicht des LG Arnsberg wettbewerbswidrig. Die Beklagte habe daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und die Parteien hätten den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Eine (schriftlich) begründete Entscheidung des OLG Hamm gibt es demnach nicht.

AG Bielefeld: Kein Anspruch auf Schadensersatz und Abmahnkosten in Filesharing-Fall innerhalb der Familie

Das AG Bielefeld (Urteil vom 04.09.2014, Az.: 42 C 45/14) hatte über einen Anspruch auf Schadensersatz und Abmahnkosten wegen des angeblichen Filesharings bezüglich eines Filmwerkes zu entscheiden.

Das Gericht wies die Ansprüche zurück (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bielefeld/ag_bielefeld/j2014/42_C_45_14_Urteil_20140904.html).

Zum einen sei der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Er habe vorgetragen, dass seine Ehefrau und sein volljähriger Sohn zum fraglichen Zeitpunkt Zugriff auf den Computer gehabt hätten. Nach Ansicht des AG Bielefeld reicht dieser Vortrag aus, da aufgrund des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie weitere Ermittlungen innerhalb des Familienverbundes nicht geschuldet seien. Eine Aufklärung der Täterschaft könne in den meisten Filesharing-Fällen auch nicht nach Monaten und Jahren nach dem eigentlichen Tatvorwurf geleistet werden. Eine weitergehende Nachforschungspflicht bestehe nicht. Auch eine Störerhaftung des Anschlussinhabers sei mangels Prüf- und Überwachungspflichten nicht gegeben.  Ohne Anlass bestehe kein Grund zur Überprüfung oder zu Nachforschungen.

LG Köln: Domain „bag.de“ steht dem Bundesarbeitsgericht zu

Das LG Köln hat mit Urteil vom 26.08.2014, Az.: 33 O 56/14, entschieden, dass dem Bundesarbeitsgericht die Domain www.bag.de zusteht (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2014/33_O_56_14_Urteil_20140826.html). Einem Unterlassungsantrag gegenüber einer privaten Firma, die die Domain geparkt hatte, wurde ebenso stattgegeben wie einem Antrag auf Verzichtserklärung seitens der beklagten Firma gegenüber der DENIC eG.

Das Gericht begründete den Anspruch aus §12 BGB:

„Der Klägerin steht ein Namensrecht im Sinne von § 12 BGB an dem Kürzel „BAG“ zu, da hiermit eines ihrer obersten Bundesgerichte, nämlich das Bundesarbeitsgericht, mit sprachlichen Mitteln individualisierend bezeichnet wird. Namensfunktion hat eine Bezeichnung, wenn sie geeignet ist, eine Person mit sprachlichen Mitteln unterscheidungskräftig zu bezeichnen. Dieses Recht entsteht mit der Aufnahme der Benutzung im Verkehr, wenn die Bezeichnung auf die beteiligten Verkehrskreise wie ein Name wirkt. Für Abkürzungen, die aus dem vollständigen Namen abgeleitet werden, gilt dieser Schutz ebenfalls, sofern die Abkürzung selbst Unterscheidungskraft aufweist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 12 Rz 111; BGH GRUR 2014, 506 Tz 10 – sr.de – mit weiteren Nachweisen).“

Die beklagte Firma könne sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bezeichnung „bag“ habe als englischsprachiger Begriff für „Beutel, Tüte, Tasche, Koffer“ bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden.

„Die Beklagte (kann sich) auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Kürzel identisch sei mit einem in den angesprochenen Verkehrskreisen in Deutschland bekannten generischen Begriff aus der englischen Sprache für „Beutel, Tüte, Tasche, Koffer“. Denn es ist nichts dafür vorgetragen, dass dieser Begriff bereits derart Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, dass er ohne weiteres und losgelöst von seiner konkreten Verwendung als beschreibende Angabe im Sinne der aufgezeigten Bedeutungen verstanden wird. Die auf Seite 5 der Klageerwiderung aufgeführten Internetseiten weisen den Begriff gerade nicht in Alleinstellung auf. Dass die ebenfalls aufgeführte Internetseite „bag.com“ überhaupt für interessierte Verkehrskreise in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt ist, ist nicht vorgetragen. Der als Anl. B9 vorgelegte Ausdruck der Startseite spricht mit seiner englischsprachigen Fassung sogar dagegen. Dass der Begriff auf solchen Seiten beim Angebot von Taschen beschreibend Verwendung findet, vermag nicht zu belegen, dass er auch generell in diesem Sinne verstanden wird. Nach der Lebenserfahrung der Mitglieder der Kammer ist dies jedenfalls nicht der Fall.“

Das Gericht bejahte auch die Namensanmaßung und das Merkmal der Zuordnungsverwirrung. Der Streitwert wurde mit 50.000 Euro festgesetzt.

AG Darmstadt: Anhörung im Scheidungsverfahren mittels Videokonferenz zulässig

Nach einem Beschluss des AG Darmstadt  vom 12.08.2014, 50 F 1990/13, (http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/114l/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE219462014&documentnumber=1&numberofresults=80&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true#focuspoint) eröffnet die Regelung des § 128 a ZPO die Möglichkeit Anhörungen auch im Scheidungsverfahren mittels Videokonferenz vorzunehmen. Diese eigne sich nicht zuletzt zur Vermeidung von Vorführungen aus einer Justizvollzugsanstalt. Es sei zudem von Vorteil, dass die Parteien/Beteiligten, anders als bei einem ersuchten Richter, gleichzeitig und miteinander vor dem entscheidenden Richter sprechen können.

Das Gericht führt im Einzelnen aus:

„Die Anwendung des § 128 a ZPO bei der persönlichen Anhörung im Rahmen des § 128 FamFG ist nicht durch den Regelungszweck und das Ziel der Vorschrift ausgeschlossen. Die Anhörung mittels Videokonferenz entspricht den Anforderungen einer „persönlichen Anhörung“ in dem betreffenden Fall. Entscheidend ist, dass sich durch die Anhörung der Sachverhalt aufklärt, die persönliche Sichtweise der Ehegatten geäußert werden kann und das Gericht einen persönlichen Eindruck von den Ehegatten bekommt; letzteres vor allem auch bzgl. der Verhandlungsfähigkeit (vgl. Weber in Keidel, § 128 RN 5). Die moderne Videokonferenztechnik lässt ein unmittelbares Gegenüber zu und ist daher geeignet, die Ziele des § 128 FamFG – die genauere und umfassendere Sachverhaltsaufklärung, deren Anforderung sich aus dem eingeschränkten Amtsermittlungsgrundsatz nach § 127 FamFG ergibt, zu erreichen. Das regelmäßig von einer Videokonferenzanlage übertragene Bild entspricht etwa der Lebenssituation, wie sie in einem Sitzungssaal mit einem in wenigen Metern Entfernung an einem Zeugentisch sitzenden Anzuhörenden, entsteht. Der Stand der heutigen Technik ermöglicht einen unmittelbaren Eindruck des Betroffenen. So werden insbesondere Verhalten, Auftreten, Mimik und Körpersprache des Gegenübers direkt übermittelt. Es entsteht durch das jeweilige Bild des Gegenübers nicht der Eindruck „gegen eine Wand zu reden“, die Übertragung macht deutlich, dass das Gegenüber real existiert (anders: OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Mai 2012 – 4 Ws 66/12). Dem Gericht ist es schließlich mit Hilfe der Videokonferenztechnik möglich, die Tragweite des Eheverfahrens deutlich zu machen und gleichwohl die Chancen für eine eventuelle Versöhnung, für eine Eheberatung oder für eine Mediation zu eruieren. Darüber hinaus haben die Ehegatten die unmittelbare Gelegenheit zur persönlichen Äußerung.“

AG Hagen: Datenhandel (Leads) nicht durch Einwilligung bei google adwords gedeckt

Das Amtsgericht Hagen hat mit Urteil vom 30.06.2014, Az.: 10 C 172/14, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/hagen/ag_hagen/j2014/10_C_172_14_Urteil_20140630.html, entschieden, dass der Handel mit Personen-/Kundendaten (Leads) durch eine zypriotische, nicht über eine Banklizenz verfügende Limited nicht durch eine Einwilligung in Speicherung und Weitergabe bei google-adwords gedeckt sei.

Die Klägerin verlangte in dem entschiedenen Fall Vergütung für nach ihrer Behauptung von dem Beklagten bestellten drei Lieferungen sogenannter Leads. Leads bezeichnen in der Finanzbranche Datensätze und die Kontaktdaten eines potentiellen Neukunden, um mit Hilfe der Datensätze die Anbahnung eines Kontaktes von einem Dienstleister zu einem Interessenten zu ermöglichen.

Das Gericht entschied, dass die Forderung der Vergütung auf der Grundlage eines offensichtlich gesetzwidrigen und sittenwidrigen Kauf-/Lieferungs-/Dienstleistungsvertrages erfolgt sei. Die Weitergabe der Kundendaten sei nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckt gewesen. Nach der Einwilligungserklärung/Datenschutzerklärung selbst dürfe eine Weitergabe von Datensätzen nur an eine Bank erfolgen, nicht hingegen wie vorliegend an eine ausländische Limited.

In einem „obiter dictum“ legt das AG Hagen ferner seine Bedenken gegen die Kooperation von Rechtsanwälten mit dem Direktor des wissenschaftlichen Dienstes des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg dar. Dies stelle die Wirksamkeit der Prozessvollmacht in Frage. Selbst bei Erteilung einer entsprechenden Nebentätigkeitsgenehmigung sei dies mit der Neutralitätspflicht des EuGH und seiner Mitarbeiter sowie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Update:
Unter dem o.a. Link war die Entscheidung jedenfalls bis Ende Juli abrufbar. Danach ist sie vom Netz genommen worden. Eine Nachfrage hat ergeben, dass gegen die Entscheidung wohl Berufung eingelegt worden ist. Ob dies der Grund für die Herausnahme aus der Entscheidungsdatenbank NRWE war, konnte nicht aufgeklärt werden. Ich werde weiter über den Fortgang der Sache berichten.

AG Köln: Anforderungen an die Belehrung bei der ausdrücklichen Zahlungsbestätigung nach § 312 g Abs. 3 BGB a.F.

Das AG Köln hat mit Urteil vom 28.04.2014, Az.: 142 C 354/13, einen interessanten Fall des Kaufs mittels eines sog. Bestellbuttons (§ 312 g Abs. 3 BGB a.F.) zu entscheiden (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2014/142_C_354_13_Urteil_20140428.html).

In dem entschiedenen Fall hatte der Verkäufer die Formulierung „Zum Bestellen und Kaufen fehlt nur eine Bestellmail“ verwendet. Das Gericht sah darin keine dem § 312 g Abs. 3 BGB a.F. entsprechende eindeutige Gestaltung mit der Folge, dass nach § 312 g Abs. 4 BGB a.F. gar kein Vertrag zustande kommt.

Selbst für den Fall, dass eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Gestaltung vorläge, war das Gericht der Ansicht, dass der Besteller in dem entschiedenen Fall einen Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit habe, da der Verkäufer seine vorvertraglichen Informationspflichten nicht erfüllt habe. Dies sei damit begründet, dass nicht über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts aufgeklärt worden sei.  Das Gericht war der Ansicht, dass für den hier vorliegenden Versand einer Zeitschrift als E-Paper der Widerrufsauschluss des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB einschlägig sei, wonach es sich um Waren handele, die für eine Rücksendung nicht geeignet sind. Die fehlerhafte Information führe vorliegend zu einem Schadenersatzanspruch des Beklagten auf Befreiung von der gegen ihn gerichteten Vergütungsforderung.

OLG Frankfurt: Ausnutzung einer fremden Marke durch „keyword-advertising“

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 10.04.2014, Az.: 6 U 272/10, zu der Frage Stellung genommen, wann eine bekannte Marke durch ein sog. keyword-advertising unlauter ausgenutzt wird (vgl. http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/4xa/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE211722014&documentnumber=6&numberofresults=59&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true#focuspoint).

Das Gericht entschied: Wird eine bekannte Marke von einem Dritten im Wege des „keyword advertising“ als Schlüsselwort in der Weise verwendet, dass bei Eingabe der Marke in die Suchmaske eines Internet-Suchmaschinenbetreibers eine als solche gekennzeichnete Anzeige des Dritten erscheint, in welcher die fremde Marke selbst nicht genannt wird, liegt hierin eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung der bekannten Marke, wenn in der Anzeige die unter der Marke angebotenen Waren oder Dienstleistungen in ein negatives Licht gerückt werden; dies ist der Fall, wenn nach dem Inhalt der Anzeige das Angebot des Markeninhabers aus der Sicht des Durchschnittsnutzers als stark überteuert dargestellt wird.

In dem entschiedenen Fall ging das Gericht von einer sog. „Trittbrettfahrerei“ aus, die auch als unlauter anzusehen sei.

„Die Wahl einer bekannten Marke als Keyword ist als unlauter anzusehen, wenn sich der Werbende damit in den Bereich der Sogwirkung einer bekannten Marke begibt, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, sofern kein „rechtfertigender Grund“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c GMV vorliegt (EuGH, GRUR 2011, 1124 Rn. 89 – Interflora).“

Das Angebot der bekannten Marke werde in ein schlechtes Licht gerückt, indem mit Ersparnissen von bis zu 94% gegenüber dem Markenprodukt geworben werde. Das Gericht führt hierzu aus:

„Die von der Klägerin angebotenen Einzelhandelsdienstleistungen werden jedoch durch die Anzeige der Beklagten in ein negatives Licht gerückt. Denn durch die Angabe „Ersparnis bis 94% garantiert“ entsteht bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise – den sich für Erotikartikel interessierenden Durchschnittsverbrauchern – der Eindruck, man erhalte bei der Beklagten entweder die gleichen Produkte, mit denen die Klägerin handelt, oder vergleichbare Alternativprodukte zu einem durchweg günstigeren, teilweise extrem viel günstigeren Preis. Zwar nimmt die Beklagte in ihrer Werbung nicht ausdrücklich auf die Artikel der Klägerin Bezug. Sie lässt offen, auf welche Bezugsgröße sich die Ersparnis beziehen soll. Jedoch gelangt der Internetnutzer zu der Anzeige, nachdem er das Suchwort „X“ eingegeben hat. Direkt neben der Anzeige findet er in der Trefferliste Hinweise auf den Online-Shop der Klägerin. Es liegt daher für einen durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher nahe, dass die garantierte Preisersparnis im Verhältnis zu den von der Klägerin gehandelten Waren gemeint ist. Die Werbung geht damit über den bloßen Vorschlag eines Alternativangebots hinaus. Die Einzelhandelsdienstleistung der Klägerin, also die Auswahl und Zusammenstellung ihres Sortiments (vgl. EuGH, GRUR 2005, 764Rn. 34 – Praktiker), wird in ein schlechtes Licht gerückt, weil es als stark überteuert erscheint. Die Beklagte behauptet nicht, dass sie tatsächlich ein durchweg günstigeres Sortiment anbietet.“

AG Köln: Begrenzung des Schadensersatzes und der Abmahnkosten in Filesharing-Fällen

Das AG Köln hat mit Teil-Versäumnis-Urteil und Urteil vom 10.03.2014, Az.: 125 C 495/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2014/125_C_495_13_Teil_Versaeumnis_und_Urteil_20140310.html), den Schadensersatz in Filesharing-Fällen auf 10,00 Euro pro Musiktitel begrenzt und zudem als Gebührenstreitwert für die Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten 1000,00 Euro angenommen.

Zur Begründung der Begrenzung des Schadensersatzes auf 10,00 Euro verweist das Gericht auf die technischen Zusammenhänge beim Filesharing, die einen höheren Schadensersatz pro Musiktitel als übersetzt erscheinen ließen.

Das Gericht hierzu wörtlich:

„Filesharing ist die über spezielle Netzwerke oder Protokolle wie C bewirkte Weitergabe und damit Verbreitung von Dateien an eine unbestimmte Vielzahl von Internetteilnehmern. Dabei wird sowohl bei den Netzwerken als auch bei Nutzungen des C-Protokolls der Download der Dateien, die ein Benutzer nachfragt, regelmäßig mit dem Upload derselben Dateien verbunden. Dies führt dazu, dass alle, zumindest fast alle Internetnutzer, die sich die betroffene Datei über Filesharing illegal aus dem Internet „besorgen“, durch die entsprechende Software automatisch und häufig ohne es zu wissen oder zu wollen an der Weiterverbreitung der Dateien beteiligt werden. Damit unterscheidet sich Filesharing von fast allen anderen Urheberrechtsverletzungen insoweit, als das nicht einzelne Verletzer das Werk nutzen und an eine regelmäßig wesentlich größere Öffentlichkeit weiterverbreiten, sondern die Gruppe der Weiterverbreiter, (also der Urheberrechtsverletzer) und der Nutzer (zumindest weitgehend) identisch ist.

Vor dem oben beschriebenen technischen Hintergrund stellt die „Nutzung des verletzten Rechts“ i. S. d. Gesetzes nicht mehr als die Teilnahme an der Verbreitung der Dateien durch ein Einzelmitglied eines Netzwerkes dar, an das häufig viele Millionen Menschen angeschlossen sind. Vor dem beschriebenen technischen Hintergrund würde sich das Lizenzentgelt grundsätzlich an dem Entgelt für eine legale Nutzung der entsprechenden Dateien orientieren. Beträge in der Größenordnung mehrerer 100,00 € pro Musiktitel erscheinen als völlig übersetzt.“

Bezüglich der Abmahnkosten erwähnt das Gericht die Vorschrift des neuen § 97 a Absatz 3 UrhG, lehnt dessen Anwendung auf den hier vorliegenden „Altfall“ aber ab. Gleichwohl gelangt das Gericht aufgrund einer sozusagen entsprechenden Anwendung des § 97 a Absatz 2UrhG zu einer Festsetzung des Gebührenstreitwertes auf 1000,00 Euro.

Mit sehr deutlichen Worten distanziert sich das Gericht von der gängigen Praxis der Festsetzung hoher Gebührenstreitwerte für die Berechnung der Abmahnkosten, nennt diese einen „faulen Kompromiss“ und geht dabei auch auf die Motivationen des Gesetzgebers bei der Schaffung des „Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ ein.

Das Gericht mit erstaunlich klaren Worten:

„Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 130,50 € gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit einem Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen. Diesen Streitwertansatz gibt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem durch es eingeführten § 97 a Abs. 3 UrhG vor. Allerdings gilt diese Bestimmung erst ab dem 9. Oktober 2013 und damit nicht im vorliegenden Fall. Doch ist vorliegend der seit 2008 geltende alte § 97 a UrhG anzuwenden, der nach seinem Absatz 2 Gebühren für eine erstmalige Abmahnung bei in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 € begrenzte. Diese Voraussetzungen liegen hier bis auf den Umstand, dass es sich bei Filesharing nach Auffassung des Gerichts nicht um einfach gelagerte Fälle von Urheberrechtsverletzung handelt, vor. Von den Rechtsfolgen her legt diese Regelung daher auch ein Streitwert von 1.000,00 € nahe. Jedenfalls erscheinen Streitwertbemessungen von 50.000,00 € oder gar 10.000,00 € pro Musiktitel mithin im vorliegende Fall von 130.000,00 € als völlig übersetzt.

Es entsteht der Eindruck, dass die herrschende Rechtspraxis die beiden, die anwaltlichen Abmahngebühren bewusst begrenzenden gesetzlichen Regelungen aus den Jahren 2008 und 2013 offensichtlich soweit irgend möglich, ignoriert. In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein „Abmahnunwesen“ bzw. eine „Abmahnindustrie“ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. Insoweit darf auf die oben zitierten Worte der Bundesregierung und die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2013 verwiesen werden, nach der die herrschende Abmahnpraxis in der Öffentlichkeit als „Abzocke“ wahrgenommen und das Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird.

Der herrschenden Meinung ist schließlich entgegenzuhalten, dass sie völlig im Unklaren lässt, wie die angesetzten Streitwerte bemessen werden: Das Interesse an dem Unterlassen eines Filesharings eines populären Werks insgesamt ist sicherlich regelmäßig mit Streitwerten von Millionen von Euro anzusetzen, das Interesse daran, dass eine Person weniger, nämlich der jeweilige Beklagte an diesem teilnimmt, ist mit 1.000,00 € sicherlich nicht zu niedrig angesetzt. Damit stellen sich die gängigen Wertfestsetzungen als faule Kompromisse dar.“

Es bleibt für die Anwälte, die Interessen der Abgemahnten vertreten, zu hoffen, dass mehr und mehr Amtsgerichte sich diesen Argumenten anschließen.

VGH Baden-Württemberg: Journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV

In einem Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 25.03.2014, Az.: 1 S 169/14, (http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Art=en&Datum=2014&Seite=1&nr=17986&pos=12&anz=202) war die Frage von Bedeutung, ob es sich bei einem Internetangebot eines Unternehmens, das Internetportale für Ausschreibungen in der Bauwirtschaft anbietet, um ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV handelt.

In dem entschiedenen Fall hatte der Betreiber der Portale an mehrere öffentliche Stellen, u.a. an die Antragsgegnerin, Anfragen wegen Informationen zu Einzelheiten zu Vergabeverfahren gestellt, die nach kurzer Zeit nicht mehr beantwortet worden waren. Der Betreiber der Portale verlangte darauf hin, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, der Antragstellerin jeweils auf Antrag und ein entsprechendes Auskunftsersuchen nach Ablauf der Bindefrist und damit nach Beendigung des Vergabeverfahrens die im entsprechenden Umfang (Auftragnehmer, Zahl der Bieter, Auftragssumme) verlangte Auskunft zu erteilen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde beim VGH hatte keinen Erfolg.

Der VGH entschied, dass Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinn der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 RStV nur solche sind, die sowohl journalistisch als auch redaktionell gestaltet sind. Dies bedeutet nach Ansicht des VGH, dass beide Bestandteile, d.h. „journalistisch“ und „redaktionell“ kumulativ vorliegen müssen. Auch auf kleine Zielgruppen zugeschnittene Angebote können nach Ansicht des VGH journalistisch sein, wenn sie eine erkennbare publizistische Zielsetzung haben, d.h. von der Intention her auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – jedenfalls innerhalb der Zielgruppe – angelegt sind. Letzteres verneinte der VGH:

„Entscheidend ist, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht festgestellt werden kann, dass das Angebot insgesamt oder einzelne abgrenzbare Teile (E-Mail-Service, Suche nach Vergabeverfahren, Kontakt- oder Adress-Center) eine publizistische Zielsetzung haben. Vielmehr sind die Angebote auf die Geschäftsinteressen der gewerblichen Nutzer aus dem Bereich der Bauwirtschaft und auf die eigenen Geschäftsinteressen der Antragstellerin (Gewinnung zahlender Premiumnutzer) zugeschnitten. …. Schließlich spricht auch die Gestaltung des Impressums der Internetportale der Antragstellerin dagegen, dass es sich bei ihr um einen Anbieter mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten handelt. Als solcher müsste sie nach § 55 Abs. 2 RStV einen Verantwortlichen für die Webseite benennen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es wird lediglich ein „Ansprechpartner/Webmaster“ benannt und darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin als Diensteanbieter gemäß § 7 Abs. 1 TMG für eigene Inhalte auf diesen Seiten nach allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist.“

FG Münster: Mehrdeutige Rechtsbehelfsbelehrung führt zu verlängerter Einspruchsfrist

Die Familienkasse hatte vom späteren Kläger Kindergeld in Höhe von über 5.000 Euro zurückgefordert. Der Bescheid wurde ihm im März 2011 zugestellt und enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf eine einmonatige Einspruchsfrist hinwies. Sie enthielt außerdem noch folgende Formulierung: „Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse“.

Das Finanzgericht Münster entschied mit Urteil vom 09.01.2014, Az.: 3 K 742/13:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, wenn sie in einer der gemäß § 356 Abs. 1 AO, § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint . Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung noch andere als die notwendigen Angaben, so müssen auch diese Angaben richtig, vollständig und unmissverständlich sein. …

Grundsätzlich sollen nach der Rechtsprechung des BFH die von den Familienkassen verwendeten „wichtige Hinweise“ regelmäßig keine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung darstellen. Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob die Rechtsbehelfsbelehrung selbst den Anforderungen des § 356 Abs. 1 AO entspricht. …

In der Rechtsbehelfsbelehrung im Streitfall entstand nämlich aufgrund der ergänzenden Angaben in den Hinweisen der Familienkasse unmittelbar im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung, dass sich der Kläger an die zuständige Familienkasse wenden soll, wenn er mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sei, eine Mehrdeutigkeit mit der Folge, dass hierdurch die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet war. Die Familienkasse hat durch die Beifügung dieses Satzes die zuvor erteilte Rechtsbehelfsbelehrung in ihr Gegenteil verkehrt.“

Das Gericht sah den Einspruch des Klägers vom August 2011 folglich als innerhalb der verlängerten Einspruchsfrist von einem Jahr eingelegt an.