OLG Düsseldorf: Luftbildaufnahmen bei Google Earth/Google Maps können Quelle für allgemeinkundige Erkenntnisse sein

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtphase zu einer Geldbuße von 220 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen richtete sich dessen Rechtsbeschwerde.

Das OLG Düsseldorf entschied mit Beschluss vom 5. Januar 2021, IV-2 RBs 191/20 (= https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2021/2_RBs_191_20_Beschluss_20210105.html), dass allgemeinkundige Tatsachen der Kenntnisnahme durch das Rechtsbeschwerdegericht offenstehen, ohne dass es ihrer Darlegung im tatrichterlichen Urteil bedürfe. Die im Internet bei Google Maps oder Google Earth abrufbaren Luftbildaufnahmen können als Quelle für allgemeinkundige Erkenntnisse zu örtlichen Gegebenheiten herangezogen werden.

Gegenständlich war in dem Bußgeldverfahren u.a. der Abstand der Haltelinien.

„Der Abstand der Haltelinien von Lichtsignalanlagen soll in der Regel 3,50 m betragen, mindestens aber 2,50 m (vgl. Richtlinien für die Markierung von Straßen, Teil 1 Abmessungen und geometrische Anordnung von Markierungszeichen, Nr. 4.6.3, VkBl. 1993, 728). In Nr. IV.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu den §§ 39 bis 43 StVO (VwV-StVO) ist bestimmt, dass Markierungen nach den Richtlinien für die Markierung von Straßen (RMS) auszuführen sind. Schon nach diesen für die Straßenverkehrsbehörde verbindlichen Vorschriften liegt mangels straßenbaulicher Besonderheiten (etwa einer zwischen Haltelinie und Lichtzeichenanlage einmündenden Seitenstraße) nahe, dass der Abstand zwischen Haltelinie und Lichtzeichenanlage vorliegend jedenfalls nicht wesentlich von der maßgeblichen Richtlinie abweicht und im Bereich weniger Meter einzuordnen ist.“

Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus:

„Die Luftbildaufnahme der von dem Betroffenen in Oberhausen in Fahrtrichtung Innenstadt überquerten Ampelkreuzung B-Straße / D-Straße kann bei Google Maps unter Benutzung der Zoomfunktion in derart hoher Auflösung abgerufen werden, dass die Fahrbahnmarkierungen, insbesondere die für den Betroffenen maßgebliche Haltelinie, und der dortige Standort der Lichtzeichenanlage deutlich erkennbar sind. Der Abstand zwischen Haltelinie und Lichtzeichenanlage ist kürzer als die aus der Vogelperspektive abgebildeten Pkws und beträgt in Relation hierzu jedenfalls nicht mehr als 4,00 m.

Bei diesem geringen Abstand ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Polizeibeamten mit ihrer jeweiligen Methode bereits drei Sekunden seit Beginn der Rotlichtphase gezählt hatten, bevor der durch Aufheulen des Motors zunächst phonetisch wahrnehmbare Pkw des Betroffenen für sie sichtbar wurde und die Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage passierte, zwangsläufig, dass die Rotlichtphase schon beim Überfahren der Haltelinie länger als eine Sekunde andauerte.“

Achtung Internethändler – es drohen neue Abmahnungen!

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 03.12.2020, Az.: 2-13 O 131/20, (= https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200001919) juristisches Neuland betreten und einen Fall einer Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität entschieden.

In dem entschiedenen Fall besuchte die klagende Person den Internetauftritt der beklagten Person, um eine Rabattkarte zu erwerben. Voraussetzung für den Kauf über das Internet bei der beklagten Person ist, dass der Kaufwillige entweder die Anrede „Herr“ oder „Frau“ auswählt. Eine geschlechtsneutrale Anredeoption ist nicht verfügbar. Die Auswahl kann auch nicht offengelassen werden. Will der Kaufwillige ohne Auswahl im Bestellprozess fortfahren, erscheint eine Fehlermeldung und der Bestellvorgang kann nicht abgeschlossen werden.

Eine Registrierung als Kunde über den Internetauftritt der beklagten Person erfordert ebenfalls zwingend die Auswahl einer der Anreden „Herr“ oder „Frau“, ohne dass eine geschlechtsneutrale Option zur Verfügung stünde oder ein Auslassen der Angabe möglich wäre. Eine spätere Abänderung der registrierten Daten ist nicht möglich. Entsprechend der getätigten Auswahl von entweder „Herr“ oder „Frau“ erfolgt die Ansprache von Kunden seitens der beklagten Person in Kommunikation bei der Abwicklung getätigter Käufe, bei Reklamationen oder in Werbezuschriften.

Mit anwaltlichem Schreiben forderte die klagende Partei unter Fristsetzung die beklagte Partei unter anderem zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 5.000,00 € auf.

Das Landgericht Frankfurt am Main bejahte den Unterlassungsanspruch aufgrund einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, lehnte eine Geldentschädigung jedoch ab. Im Umfang des Unterlassungsanspruchs wurde auch auf eine Freistellung von den diesbezüglichen Anwaltskosten von etwa 490,00 Euro erkannt.

Wird diese Rechtsprechung des Landgerichts bestätigt, drohen Abmahnungen für alle Internethändler, deren Bestellvorgänge und weitere Kommunikationsführung bislang nur die Anreden „Herr“ oder Frau“ vorsehen. Das Problem entsteht insbesondere auch dadurch, dass die gängigen und häufig verwendeten sog. Baukastensysteme für Internetshops andere Geschlechtsbezeichnungen noch nicht zulassen. Programmierer von Internetshops sollten diese Rechtsprechung, sofern sie bestätigt wird, künftig möglichst schnell berücksichtigen.

LG Frankfurt a.M.: Gewerberaummiete bei Corona-bedingter Ladenschließung

Das LG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 02.10.2020, Az.: 2-15 O 23/20, (= https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200001624) entschieden, dass in der staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie kein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB liegt. Durch die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie werde dem Gewerberaumvermieter die Gebrauchsgewährung nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich. Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie könne erst dann zu einem Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB führen, wenn es aufgrund dessen für den Gewerberaummieter zu existentiell bedeutsamen Folgen kommt. Dass die erzwungene Schließung im vorliegenden Fall zu existentiell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt hätte, ist nicht dargelegt. Die Beklagte beschränkte sich darauf, Liquiditätsengpässe für den Zeitraum der Schließung geltend zu machen. Solchen Liquiditätsengpässen trägt jedoch bereits Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung, der den Mieter vor der Kündigung schützt, soweit er, bedingt durch die Corona-Pandemie, seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande war.

In dem zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien um die Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April 2020. Die Klägerin vermietete an die Beklagte gemäß dem Mietvertrag vom 26./27.06.2020 sowie dessen Nachträgen vom 03.12.2013 und 11./17.11.2015 Gewerberäume in der A-Straße in B „zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Die Beklagte betreibt in den Räumlichkeiten ein dem entsprechendes Einzelhandelsgeschäft. Sie betreibt darüber hinaus mehrere Tausend weiterer solcher Märkte in Deutschland und einigen europäischen Ländern. Die monatliche Miete einschließlich des Betriebskostenvorschusses und der Umsatzsteuer betrug zuletzt 6.170,04 €, fällig bis zum 5. eines Monats. Im Zuge der Corona-Epidemie verordnete das Land Hessen die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels, also auch des Geschäfts der Beklagten, in der Zeit vom 18.03. bis zum 20.04.2020. Die Beklagte verzeichnete unternehmensweit gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzrückgang um 54 % und im April 2020 einen solchen von 41 %. Die Schließung der Filialen führte zu einer erheblichen Liquiditätslücke, so dass ihr die Mietzinszahlung im April 2020 nicht möglich war. Die Beklagte nutzte für sämtliche Filialen in Deutschland Kurzarbeit. Darüber hinausgehende staatliche Unterstützungsleistungen erhielt die Beklagte nicht. Für den Monat April entrichtete die Beklagte die Miete nicht. Die Beklagte war der Ansicht, für die Zeit der Schließung nicht zur Mietzinszahlung verpflichtet zu sein.

Das LG Frankfurt a.M. ging aus den oben dargelegten Gründen von der Begründetheit der Mietforderung aus.

OLG Hamm: zum Absehen von einem Fahrverbot

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 06.10.2020, Az.: 4 RBs 321/20, zur Frage Stellung genommen, ob gegenüber einem Fahrer, der nicht vorbelastet ist, entgegen der Regelstrafe von einem Fahrverbot abgesehen werden kann.

Das OLG hat die Frage verneint. Die Tatsache, dass der Betroffene – womöglich auch als langjähriger Inhaber einer Fahrerlaubnis – nicht vorbelastet ist und der Umstand, dass die Tat zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Aburteilung (erst) zehn Monate zurücklag, sind keine Umstände, die eine entsprechende Erörterung durch das Tatgericht geboten hätten (weder für sich allein noch zusammengenommen). Die Regelahndung nach der Bußgeldkatalogverordnung geht gerade nicht davon aus, dass der Betroffene vorbelastet ist (OLG Hamm, Beschluss vom 06. Februar 2006 – 2 Ss OWi 31/06 –, Rn. 21, juris).

AG Bonn: Anspruch aus Art. 15 DS-GVO auf Auskunft über sämtliche Bewegungen auf einem Bankkonto

Das AG Bonn hat mit Urteil vom 30.07.2020, Az.: 118 C 315/19, (= https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/ag_bonn/j2020/118_C_315_19_Urteil_20200730.html) einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auf Auskunft über sämtliche Bankbewegungen, die auf dem Konto mit der Kundenstammnummer xxx erfolgt sind, bejaht.

Das Gericht führt aus:

„Nach Art. 15 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u.a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.

Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen.

Unter die Vorschrift fallen damit sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (z.B. Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile), als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstiger Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt (Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, Art. 4 DS-GVO Rn. 8; Ernst in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 4 Rn. 14). Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizieren oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf (Klar/Kühling in Kühling/Buchner, a.a.O., Art. 4 DS-GVO Rn. 10 m.w.N.; Ernst in: Paal/Pauly, aaO, Art. 4 Rn. 14). Der Auskunftsanspruch umfasst in Ansehung dieser Grundsätze daher mehr als nur die Stammdaten (OLG Köln Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18, BeckRS 2019, 16261 Rn. 60-62, beck-online). Dieser extensiven Ansicht zufolge sind daher zB. einem Arbeitnehmer alle elektronisch verarbeiteten Arbeitszeitnachweise, Entgeltunterlagen, Lohnkonten sowie den Arbeitnehmer betreffende E-Mails zu übermitteln , sofern und soweit keine Rechte Dritter betroffen sind (Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 30.Edition, Stand: 01.11.2019, Art. 15 Ds-GVO, Rn. 85).

Unter Anwendung dieser extensiven Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten erscheint es gerechtfertigt, auch die hier streitgegenständlichen Kontobewegungen als vom Auskunftsanspruch erfasst anzusehen. Diese stellen sachliche Informationen im Hinblick auf die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen dar.

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Soweit die Beklagte diesbezüglich einwendet, der Kläger habe über das Online-Banking bereits Kenntnis der Bankbewegungen über die ihm zur Verfügung gestellten Kontoauszüge erlangt, kann sie hiermit nicht gehört werden, denn die Zuverfügungstellung über das Online-Portal erfolgte damals nicht in Ansehung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches, sondern in Erfüllung der im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdienstevertrages bestehenden Verpflichtung der Beklagten, laufende Auszüge und periodische Rechnungsabschlüsse zu erteilen (vgl. BGH NJW 1985, 2699).

Das Auskunftsbegehren des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ureigenster Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (vgl. Erwägungsgrund 63 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG). Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinaus gehenden bzw. anders gelagerten Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. So wird von der Rechtsprechung einem Kläger erlaubt, ihn betreffende Daten zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens vom Beklagten heraus zu verlangen (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 32. Ed. 1.5.2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 52.2). Nichts anderes kann aber gelten, wenn – wie hier – der Kläger die Informationen benötigt, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken.“

Die Entscheidung erscheint diskussionswürdig. Zum einen ist fraglich, ob es eine Rolle spielen kann, aus welchem Beweggrund dem Kläger die Kontoauszüge zur Verfügung gestellt worden sind. Es hätte in diesem Fall aus meiner Sicht ein Fall der Zweckerreichung geprüft werden müssen, der den Schuldner des Auskunftsanspruchs ggf. nach Unmöglichkeitsrecht (§ 275 BGB) von einer Leistung freistellen würde. Zum anderen erscheint fraglich, ob § 242 BGB nicht bereits aufgrund der Zweckerreichung anwendbar ist und von daher überhaupt ein Rückgriff auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zulässig ist. Zudem wäre ggf. zu klären gewesen, was bei Konkurrenz von vertraglichen und datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen gilt. Aufgrund des begrenzten Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs erscheint es fraglich, ob mit dem datenschutzrechtlichen Anspruch Auskünfte erlangt werden können, die mit Hilfe des vertraglichen Anspruchs auf Auskunft nicht mehr erreichbar gewesen wären.

OVG Lüneburg: Feststellung der Rechtswidrigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten per Fax

Die Übermittlung eines Schreibens mit personenbezogenen Daten per Fax kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Datenschutzverstoß darstellen. Dies hat das OVG Lüneburg kürzlich entschieden.

Das OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 22.07.2020, Az.: 11 LA 104/19, (= http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE200002923&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint) über die Rechtswidrigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten per Fax entschieden. Es ging konkret um die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die unverschlüsselte Übersendung eines Faxes von der Beklagten an ihren Prozessbevollmächtigten rechtswidrig war.

Das Gericht entschied (Leitsätze):

1. Ob die Übermittlung eines Bescheides, der personenbezogene Daten enthält, durch die Behörde per Fax rechtswidrig war, kann im Wege einer Feststellungsklage bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses zur Überprüfung gestellt werden.

2. Bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten per Fax muss die Behörde zur Gewährleistung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen Sicherungsvorkehrungen treffen. Welches Schutzniveau dabei einzuhalten ist, richtet sich nach der Sensibilität und Bedeutung der zu übermittelnden Daten, den potentiellen Gefahren bei der Faxübermittlung, dem Grad der Schutzbedürftigkeit des Betroffenen und dem mit den Sicherungsmaßnahmen verbundenen Aufwand.

In dem vorliegenden Fall stellte das Gericht die Datenschutzwidrigkeit fest, da es um Daten zur Person des Klägers ging und dieser im hochsensiblen Bereich des Umgangs mit Sprengstoffen tätig war, so dass die Bekanntgabe seiner Daten den Kläger einer Gefahr für Leib und Leben aussetzen konnte. Das Gericht führt dazu aus:

„Der Kläger ist besonders schutzbedürftig. Der Kläger ist erheblichen Gefahren ausgesetzt, weil er berufsbedingt mit explosionsgefährlichen Sprengstoffen umgeht. Wie bereits zur Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgeführt, ist der Kläger dadurch einem deutlich erhöhten Angriffsrisiko durch militante Straftäter ausgesetzt, die auf von ihm vertriebene Sprengstoffe zugreifen wollen.“

BFH: Rechtsweg im Datenschutzrecht

Der BFH stellte mit Beschluss vom 07.04.2020, Az. II B 82/19, fest, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden nicht anwendbar ist. Für Ansprüche nach dem BDSG sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde beim Finanzamt umsatzsteuerlich geführt. Im Jahre 2014 schaltete das Finanzamt den Beklagten und Beschwerdegegner, dort die Steuerfahndung ein, die wegen verschiedener Vorwürfe im Jahre 2015 Steuerstrafverfahren gegen den Kläger einleitete. Die strafrechtlichen Ermittlungen, jedoch noch nicht das Strafverfahren selbst, wurden durch den Bericht der Steuerfahndung des Finanzamtes vom 10.08.2018 abgeschlossen. Dieser enthielt in Bezug auf den Kläger und dessen Bruder unter dem Abschnitt „Hintergrund der Prüfung“ den Satz:

„Beide Brüder sind als Insolvenz erfahren einzustufen und scheuen sich auch nicht, in ihren Verfahren mit Argumenten aus der „Reichsbürgerszene“ aufzuwarten bzw. dies über ihre Prozessbevollmächtigten vortragen zu lassen.“

Diesbezüglich beantragte der Kläger beim Finanzamt, diesem Auskunft über die beim Finanzamt gespeicherten Daten zu geben. Das Finanzamt lehnte die Auskunftserteilung ab, da der Anwendungsbereich der DS-GVO nicht eröffnet sei. Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers. Das Finanzgericht verwies den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht und ließ die Beschwerde zu, die der Kläger danach zum BFH einlegte.

Der BFH führt in seinem Beschluss u.a. aus:

Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO findet die DS-GVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

Das FA ist gemäß § 1 Nr. 25 der baden-württembergischen Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung vom 30.11.2004 (Gesetzblatt 2004, 865) im Rahmen seiner Zuständigkeit u.a. für die Aufgaben der Steuerfahndung nach § 208 AO für das FA A tätig geworden, und zwar im konkreten Fall nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO („die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten“). Diese Tätigkeit gehört zu den Aufgaben i.S. des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO. Datenschutzrechtliche Begehren gegen das FA im Zusammenhang mit einer solchen Tätigkeit können in der DS-GVO daher keine Grundlage haben.

AG Leverkusen: Lichtbildausweis kann auch die Krankenkassenkarte mit Foto sein

Das AG Leverkusen hatte mit Urteil vom 15.05.2020, Az. 25 C 51/20, (= https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/ag_leverkusen/j2020/25_C_51_20_Urteil_20200515.html) darüber zu entscheiden, ob ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 70,00 Euro vom Fahrgast zu zahlen ist, wenn der Fahrgast sich mit MobilPassTicket sowie der Krankenkassenkarte mit Lichtbild ausweist. Im Ergebnis wies das Gericht die Klage des Verkehrsunternehmens ab.

Das Gericht führt aus:

Ein erhöhtes Beförderungsentgelt kann nach Ziff. 7.5 der Beförderungsbedingungen Nahverkehr NRW dann verlangt werden, wenn der Fahrgast keinen gültigen Fahrausweis vorlegt. Bei der Benutzung eines MobilPassTicket muss dazu ein Lichtbildausweis vorgelegt werden. Die mit Lichtbild versehene Krankenkassenkarte erfüllt die Voraussetzungen für einen Lichtbildausweis i.S. von Ziff 7.3.2. lit. h) der Beförderungsbedingungen Nahverkehr NRW. Ein amtlicher Lichtbildausweis ist nicht erforderlich. Diesbezügliche Zweifel bei der Auslegung des Wortlauts der Beförderungsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders, § 305 c Abs. 2 BGB.

Die Auffassung der Klägerin, es sei ein amtlicher Lichtbildausweis erforderlich, überspannt sowohl den Wortlaut der zitierten Beförderungsbedingungen als auch deren Sinn und Zweck. Es genügt zum Nachweis der Berechtigung ein Ausweisdokument, welches hinreichend die Identitätsklärung des Ausweisträgers mit Lichtbild erfüllt. Diesen Anforderungen genügt die Krankenkassenkarte. Lichtbildausweis ist nach Lesart des Gerichts nicht nur der Personalausweis, sondern auch der Führerschein und jedes andere Ausweisdokument, welches ein Personalfoto mit den Personaldaten zum Zwecke der Personenidentifizierung verknüpft.

BGH: Wiederbegründung der Kaufpreisforderung nach Inanspruchnahme der Amazon-Marketplace-Garantie

Der BGH hat mit Urteil vom 01.04.2020, Az.: VIII ZR 18/19, entschieden:

1. Der Erklärungsgehalt der bei Abschluss eines Kaufvertrags über die Plattform Amazon Marketplace abgegebenen Willenserklärungen richtet sich auch nach den den Kauf von Marketplace-Artikel betreffenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon, soweit beide Vertragsparteien deren Geltung bei Vertragsschluss zugestimmt haben (Fortführung des Senatsurteils vom 22. November 2017 – VIII ZR 83/16, BGHZ 217, 33 Rn. 31 mwN).

2. Die geschuldete Kaufpreiszahlung ist mit der von Amazon veranlassten Gutschrift des Kaufpreises auf dem Amazon-Konto des Verkäufers bewirkt, so dass die Kaufpreisforderung erlischt. Mit der einverständlichen Vertragsabwicklung über Amazon Marketplace vereinbaren die Kaufvertragsparteien jedoch zugleich stillschweigend, dass die Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das Amazon-Konto des Verkäufers aufgrund eines erfolgreichen A-bis-z-Garantieantrags rückbelastet wird (Fortführung des Senatsurteils vom 22. November 2017 – VIII ZR 83/16, BGHZ 217, 33 Rn. 32 ff.).

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem über die Internet-Plattform Amazon Marketplace abgeschlossenen Kaufvertrag über einen Kaminofen zum Preis von 1.316 Euro. Für diesen Kaufvertrag galt die sogenannte „Amazon.de A-bis-z-Garantie“.

Der Ofen wurde an die Beklagte ausgeliefert, von dieser installiert und vom Schornsteinfeger abgenommen. Die Beklagte überwies den Kaufpreis auf ein Konto von Amazon. Der eingegangene Geldbetrag wurde dem Amazon-Konto der Klägerin gutgeschrieben. In der Folge gab Amazon einem von der Beklagten gestellten A-bis-z-Garantieantrag statt, buchte den Kaufpreis vom Konto der Klägerin wieder ab und überwies diesen der Beklagten zurück.

Die Klägerin hat von der Beklagten die Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.316 Euro nebst Zinsen sowie die Erstattung der Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung begehrt. Die Beklagte hat ein Zurückbehaltungsrecht wegen diverser Mängel geltend gemacht. Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der BGH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass mit dem Abschluss des Kaufvertrags über die Plattform Amazon Marketplace die Vertragsparteien bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbart haben, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn – wie vorliegend geschehen – das Amazon-Konto der Klägerin nach einem erfolgreichen A-bis-z-Garantieantrag rückbelastet wird. Hierbei ist unerheblich, ob die Voraussetzungen der A-bis-z-Garantie tatsächlich vorlagen. Dies ergibt sich nach Maßgabe der gebotenen – dem Senat selbst möglichen – nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung.

Daher wurde der Klage auf Kaufpreiszahlung im Ergebnis stattgegeben.

BGH: kein Rechtsmangel durch spätere Eintragung des Fahrzeugs in das Schengener Informationssystem

Der BGH hat mit Urteil vom 26.02.2020, Az.: VIII ZR 267/17, (= http://www.rechtsprechung-im-internet.de/jportal/portal/t/8c4/page/bsjrsprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307452020&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint) entschieden, dass eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) zwar einen Rechtsmangel darstellt, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet. Ein bei Gefahrübergang vorliegendes tatsächliches Geschehen, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer SIS-Eintragung führt, genügt demgegenüber nach Ansicht des BGH nicht.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten nach dem Verkauf eines Gebrauchtwagens über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Rücktritts vom Kaufvertrag infolge eines Rechtsmangels.

Mit Vertrag vom 12. Juli 2011 kaufte der Kläger vom Beklagten einen gebrauchten Audi Q7 zu einem Kaufpreis von 36.250 €. Noch am selben Tag wurde der Kaufpreis bezahlt und das Fahrzeug, zusammen mit einer von der Stadt Köln ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, in die der Beklagte als Eigentümer eingetragen war, an den Kläger übergeben.

Rund 20 Monate später, am 6. März 2013, wurde der Kläger mit dem Fahrzeug bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Das Fahrzeug wurde dort auf der Grundlage einer Interpol-Meldung mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht. Über das Polizeipräsidium Dortmund erhielt der Kläger später zudem die Mitteilung, dass das Fahrzeug seit dem 22. Mai 2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zwecks Sicherstellung ausgeschrieben sei. Als Fahrzeughalter sei in Rumänien seit dem 22.12.2008 das Unternehmen E.   und die A. als Besitzerin gemeldet. An dieses Unternehmen wurde das beschlagnahmte Fahrzeug in der Folge herausgegeben.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den Beklagten auf Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Audi Q7 in Anspruch genommen und hilfsweise die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises (36.250 €), abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.889,78 €, insgesamt 29.805,82 €, nebst Zinsen begehrt. Bezüglich des Hilfsantrages stützt er sich auf ein vorprozessuales Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2014, mit dem er die Rückzahlung des Kaufpreises vom Beklagten verlangt, sowie auf einen im Prozess ausdrücklich erklärten Rücktritt.

Das Landgericht hat die Klage (vollständig) abgewiesen. Es hat es für erwiesen erachtet, dass der ursprüngliche rumänische Eigentümer Strafanzeige wegen „Vertrauensmissbrauch“ (Nichtzahlung der Leasingraten) erstattet habe und deshalb das Fahrzeugs nicht abhandengekommen sei. Der Kläger habe deshalb gutgläubig das Eigentum an dem Fahrzeug erwerben können, so dass weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel vorliege.

Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – auf den Hilfsantrag des Klägers zur Zahlung von 29.137,01 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der BGH begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senatsurteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 14; vom 26. April 2015 – VIII ZR 233/15, aaO). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SIS-Fahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist (hier die unterlassene Rückgabe des im Jahr 2009 in Rumänien als Leasingfahrzeug genutzten Audi Q7 an den Leasinggeber) für die Annahme eines Rechtsmangels nicht genügt.