OLG Frankfurt: Unwirksame Papierrechnungs-Gebühr

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 09.01.2014, Az.: 1 U 26/13, die Unzulässigkeit einiger Klauseln von Mobilfunkunternehmen festgestellt (http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/imr/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE204222014&documentnumber=95&numberofresults=109&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true#focuspoint). Konkret ging es um eine Erhebung eines Kostenpfandes (vorliegend: 29,65 Euro) für die SIM-Karte, die Verpflichtung zur Rücksendung der SIM-Karte nach Vertragsablauf binnen 3 Wochen sowie die Regelung, dass für den monatlichen Versand einer Papier-Rechnung jeweils 1,50 Euro pro Monat zu zahlen sein sollte.

Das OLG Frankfurt erklärte die genannten drei Regelungen für unwirksam. Die Kartenpfandregelung sei eine Klausel, die dem Vertragspartner des Verwenders eine Sicherheitsleistung in einer Höhe auferlege, die weit über das berechtigte Sicherungsinteresse des Verwenders hinausgehe. Sie verstoße daher gegen § 307 Abs. 1 BGB. Bezüglich der Rücksendeverpflichtung binnen 3 Wochen habe der Verwender kein berechtigtes Interesse daran dargetan, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die SIM-Karte innerhalb einer Frist von drei Wochen zurückzuerhalten. Die Frist sei unangemessen kurz. Zudem sei die Regelung auch intransparent, weil nicht klar sei, ob zur Einhaltung der Frist die rechtzeitige Absendung der Karte genüge oder ob der Zugang beim Unternehmen entscheidend sei.

Bezüglich der Klausel über die Papierrechnungs-Gebühr sei eine Inhaltskontrolle eröffnet. Der Bundesgerichtshof habe formularmäßige Entgeltregelungen als kontrollfähig angesehen, die Aufwendungen für die Erfüllung eigener (gesetzlicher oder nebenvertraglicher) Pflichten des Verwenders oder für sonstige Tätigkeiten im eigenen Interesse des Verwenders auf den Kunden abwälzen. Das sei vorliegend der Fall. Insgesamt handele es sich bei der Gebühr für eine Papierrechnung um den Versuch des Verwenders, Aufwendungen für die Wahrnehmung eigener Interessen und Erfüllung eigener Pflichten auf ihre Vertragspartner abzuwälzen.

Das Gericht stellt fest, dass die Regelung mit den Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar sei (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB):

„Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist das nicht der Fall, können entstandene Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem gesetzlich auferlegte Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden.

Mithin ist das OLG Frankfurt der Ansicht, dass die Erstellung einer Papierrechnung zu den gesetzlichen Pflichten des Unternehmens gehört und die Kosten hierfür nicht auf Kunden abgewälzt werden dürfen.

Zu diskutieren wäre nach meinem Dafürhalten die Frage, ob es Ausnahmen von diesem Grundsatz bei Inrechnungstellung von Kleinstbeträgen geben sollte. Eine solche Ausnahme wäre für Unternehmen aus Praktikabilitätsgründen hilfreich und sinnvoll.

AG Bocholt: zur Auslegung eines „Gutscheins“ für den Führerschein

Einen interessanten Fall abseits des IT-Rechts hatte das Amtsgericht Bocholt, Urteil vom 06.02.2014, Az.: 21 C 65/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/muenster/ag_bocholt/j2014/21_C_65_13_Urteil_20140206.html) zu entscheiden. Ein alltäglicher Fall: die Eltern wollen der Tochter zum Geburtstag den Führerschein schenken. Sie gehen zur Fahrschule und bezahlen 1.800,00 Euro und erhalten hierfür einen Gutschein, auf dem allerdings die Zahl der Fahrstunden à 45 Minuten für den Führerschein Klasse B nicht eingetragen war. Nach Abschluss der Fahrstunden stellt die Fahrschule der Tochter die Gesamtkosten von rund 3.300 Euro in Rechnung und zieht den Gutschein im Wert von 1800 Euro ab. Die Tochter  ist der Ansicht, dass sämtliche Kosten durch den Gutschein erledigt seien. Es kommt zum Rechtsstreit über den Differenzbetrag.

Das Amtsgericht Bocholt unterscheidet in seiner Entscheidung drei Vertragsverhältnisse. Zum einen das Verhältnis zwischen Fahrschule und Tochter. Zum anderen das Verhältnis von Fahrschule zu den Eltern und schließlich die Schenkung zwischen Eltern und Tochter.

Das Amtsgericht verweist in der Begründung darauf, dass die Tochter von der Fahrschule bei Abschluss des Ausbildungsvertrages nicht darauf hingewiesen worden sei, dass der Gutschein limitiert sei. Der Inhalt des Gutscheins sei eine Leistungsbeschreibung und daher eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die im Zweifel zu Lasten des Verwenders auszulegen sei (§ 305 c Abs. 2 BGB). Da eine Limitierung des Gutscheins nicht aufgeführt sei, gelte dieser als unbegrenzte Deckungszusage für den Führerschein der Tochter. Dafür spreche nach Ansicht des Gerichts, dass die Tochter auch keinen Erstattungsanspruch gehabt hätte, wenn sie den Führerschein sehr schnell mit wenig Fahrstunden geschafft hätte. Ob im Verhältnis der Fahrschule zu den Eltern eventuell eine Nachschusspflicht der Eltern bestehe, sei im Vertragsverhältnis zwischen Fahrschule und Eltern zu klären und nicht im Verhältnis zwischen Fahrschule und Tochter. Dass dieser unbegrenzten Deckungszusage möglicherweise Wettbewerbsrecht entgegenstehe, berühre nicht das Verhältnis zum Endkunden, sondern das Verhältnis der Fahrschule zu den Mitbewerbern.

Wenn auch die Entscheidung des Amtsgerichts Bocholt insgesamt schlüssig begründet ist, verfängt gerade das letztgenannte Argument bezüglich der möglichen Wettbewerbswidrigkeit nicht. Denn es geht um die Frage der Auslegung des Wortlautes des Gutscheines. Diese Auslegung ist zwar aus Sicht des Erklärungsempfängers vorzunehmen. Ob allerdings ein Fahrschüler die Erwartung hat und haben kann, auch in den Genuss unzulässiger, weil wettbewerbswidrig versprochener Leistungen zu kommen, ist eher anzuzweifeln. Andererseits stellt es jedoch ein klares Versäumnis der Fahrschule im vorliegenden Fall dar, den Gutschein nicht auf die Zahl der sich rechnerisch ergebenden Gesamtfahrstunden für den gezahlten Preis begrenzt zu haben. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Fahrschülerin von vorneherein nur Anspruch auf kostenlose Nutzung der angegebenen Zahl der Fahrstunden gehabt. Das Fehlen der Angaben zu diesem wesentlichen Punkt hat letztlich den Ausschlag dafür gegeben, dass die Klage der Fahrschule vorliegend abgewiesen wurde.

BGH: UsedSoft II

Der BGH hat mit Urteil vom 17. Juli 2013, I ZR 129/08 – UsedSoft II – (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=3d0dd4f33a8cb27a1727cf3eadfcf510&nr=66601&pos=0&anz=2) umfassend zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts Stellung genommen.

Die Klägerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz überwiegend in der Weise vertreibt, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Computer herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist bestimmt, dass das Nutzungsrecht, das die Klägerin ihren Kunden an den Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist. Die Beklagte handelt mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie „bereits benutzte“ Lizenzen für Programme der Klägerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine Bestätigung des ursprünglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb einer „gebrauchten“ Lizenz die entsprechende Software von der Internetseite der Klägerin auf einen Datenträger herunter. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch, dass sie die Erwerber „gebrauchter“ Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. (Zitat aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 126/2013).

Der BGH nimmt einen Eingriff in das nach § 69 c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechteinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung an. Der Eingriff seitens der Kunden der Beklagten kann aber nach § 69 d Abs. 1 UrhG gerechtfertigt sein. § 69 d Abs. 1 UrhG lautet: „Soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen, bedürfen die in § 69c Nr. 1 und 2 genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigten notwendig sind.“ § 69 d Abs. 1 UrhG setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Der BGH hatte in der „UsedSoft I“ Entscheidung das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH verschiedene Fragen bezüglich der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG zur Beantwortung vorgelegt. Nachdem diese Fragen vom EuGH beantwortet worden waren, entschied der BGH nun wie folgt (Leitsätze des Gerichts):

Hat der Inhaber des Urheberrechts dem Herunterladen der Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt, sind der zweite oder jeder weitere Erwerber einer Lizenz zur Nutzung dieses Computerprogramms nach § 69d Abs. 1 UrhG zur Vervielfältigung des Programms berechtigt, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie erschöpft ist und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist.

Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts setzt voraus,

–       dass der Urheberrechtsinhaber seine Zustimmung gegen Zahlung eines Entgelts erteilt hat, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen;

–       dass der Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber ein Recht eingeräumt hat, die Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen

–       dass Verbesserungen und Aktualisierungen, die das vom Nacherwerber her-untergeladene Computerprogramm gegenüber dem vom Ersterwerber heruntergeladenen Computerprogramm aufweist, von einem zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag gedeckt sind;

–       dass der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat.

Der Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie setzt nicht voraus, dass der Nacherwerber einen Datenträger mit der „erschöpften“ Kopie des Computerprogramms erhält; vielmehr reicht es aus, wenn der Nacherwerber die Kopie des Computerprogramms von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers auf seinen Computer herunterlädt.

Wer sich darauf beruft, dass die Vervielfältigung eines Computerprogramms nach § 69d Abs. 1 UrhG nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.

Das dem Nacherwerber der „erschöpften“ Kopie eines Computerprogramms durch § 69d Abs. 1 UrhG vermittelte Recht zu dessen bestimmungsgemäßer Benutzung kann nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen werden, die dieses Recht dem Ersterwerber vorbehalten.

Was zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprograms nach § 69d Abs. 1 UrhG gehört, ergibt sich aus dem zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber geschlossenen Lizenzvertrag.

 

BGH: Runes of Magic – zur Werbung gegenüber Kindern

Der BGH hat am 17.07.2013 durch ein erst jetzt veröffentlichtes Versäumnisurteil (Az.: I ZR 34/12) (Link: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=66502&pos=2&anz=525) die Frage entschieden, wann eine auf Kinder zugeschnittene Werbung vorliegt und ob die angesprochenen Kinder unmittelbar selbst dazu aufgefordert werden, die beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu erwerben. Letzteres stellt nach Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG eine stets unzulässige geschäftliche Handlung dar.

Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG lautet: …unzulässig ist „…die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen…“.

In dem zugrundeliegenden Fall war bei einer Anzeige für ein Fantasierollenspiel im Internet eine Anzeige u.a. mit den Worten „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse Etwas“ zu lesen und diese Anzeige wurde über einen Link mit einer Bestellseite mit den einzelnen Produkten und Preisen verknüpft.

Der BGH entschied zunächst, dass eine Werbung, die sprachlich von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlicher Anglizismen geprägt werde, sich in erster Linie gezielt an Kinder richte.

Ferner urteilte der BGH, dass das Unternehmen gegen Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verstoßen habe. Mit der im Sinne von „Kauf Dir …“ oder „Hol Dir …“ zu verstehenden Formulierung „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘“ würden die mit der Werbung angesprochenen Kinder im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unmittelbar aufgefordert, selbst die beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu erwerben. Dem stehe nicht entgegen, dass die Preise und Merkmale der einzelnen Produkte und Dienstleistungen nicht auf der Internetseite, die die Werbeaussage enthält, sondern erst auf der nächsten durch einen elektronischen Verweis verbundenen Seite dargestellt würden.

Das Urteil des BGH enthält wichtige Ausführungen zum Begriff der Werbung, zur Adressierung einer Werbung an Kinder und Jugendliche und zur Auslegung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.

Lesenswertes vom Amtsgericht Düsseldorf zur sekundären Darlegungslast in Filesharing-Fällen

Ich möchte hier auf eine sehr lesenswerte Entscheidung des AG Düsseldorf vom 19.11.2013, Az.: 57 C 3144/13, (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/duesseldorf/ag_duesseldorf/j2013/57_C_3144_13_Urteil_20131119.html) hinweisen. Das AG Düsseldorf hatte über eine Klage eines Rechteinhabers auf Abmahnkostenersatz in einem sog. Filesharing-Fall zu befinden. Konkret hatte der Anschlussinhaber eingewandt, dass nicht nur er, sondern auch seine Ehefrau und die beiden volljährigen Söhne den Internetanschluss genutzt hätten. Zudem seien die ebenfalls volljährigen Töchter des Anschlussinhabers zu den Tatzeitpunkten zu Besuch gewesen. Im Ergebnis wies das AG Düsseldorf die Klage des Rechteinhabers ab.

Das AG Düsseldorf geht zunächst auf die Grundlagen der BGH-Rechtsprechung und insbesondere auf die laut BGH bestehende tatsächliche Vermutung ein:

„Nach obergerichtlicher Rechtsprechung soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass der Anschlussinhaber für eine von seinem Anschluss ausgehende Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast ergeben soll, wenn geltend gemacht wird, eine andere Person sei für die Rechtsverletzung verantwortlich (BGH NJW 2010, 2061 Rn. 12). Insbesondere soll die tatsächliche Vermutung dann entkräftet sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter ohne Mitwirkung des Anschlussinhabers den Internetzugang für die Rechtsverletzung genutzt hat. In diesem Fall soll der Kläger Umstände, die die Täterschaft des Anschlussinhabers begründen, in vollem Fall darzulegen und zu beweisen haben (BGH NJW 2013, 1441 Rn. 34f).

Daran anschließend legt das Gericht detailliert dar, wie die von der BGH-Rechtsprechung postulierte sekundäre Darlegungslast dazu passt.

Das AG Düsseldorf gelangt zu der Feststellung

„Die durch die zitierte Rechtsprechung dem Anschlussinhaber auferlegte sekundäre Darlegungslast folgt also mangels gesicherter Erfahrungsgrundlage nicht aus einer tatsächlichen Vermutung. Vielmehr beruht sie darauf, dass der Nutzerkreis des Internetanschlusses in der Sphäre des Anschlussinhabers liegt und demnach nur er – nicht aber die Klägerseite – in der Lage ist, zum Nutzerkreis näher vorzutragen. Die Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für die Beklagtenseite beruht also gerade darauf, dass diese zu Tatsachen vortragen soll, zu der sie sich – im Gegensatz zur Klägerseite – aus eigener Kenntnis üblicherweise erklären können muss (ständige Rechtsprechung; BGH NJW 1999, 1404 (1406) mwN).“

Anschließend geht das Gericht darauf ein, welcher Grad von Detailliertheit an den Vortrag des Anschlussinhabers im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu fordern ist:

„Der Grad der Detailliertheit des Vortrages des Anschlussinhabers wird also letztlich davon abhängig zu machen, in welchem Umfang je nach Sachverhalt eine Erklärung aus eigener Kenntnis zumutbar erscheint. Bei einem Einpersonenhaushalt wird man hier im Regelfall vergleichsweise detailreiche Erläuterungen erwarten können, weil der Besuch durch Gäste meist ein Vorgang ist, an den man sich auch längere Zeit später noch in gewissem Umfang erinnern kann; bei einem Mehrpersonenhaushalt dagegen werden nachvollziehbare Ausführungen dazu, wer zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung noch in der Wohnung gewohnt hat, ob und mit welchem Gerät diese weiteren Personen den Internetanschluss genutzt haben und wie sich der zeitliche Umfang der Nutzung und die Internetkenntnisse der mitnutzenden Personen in groben Zügen gestalten, genügen müssen; denn darüber hinausgehende Kenntnisse sind von einem Anschlussinhaber im Hinblick auf die im Regelfall fehlende ständige Überwachung nicht zu erwarten und können daher im Rahmen der Erfüllung einer sekundären Darlegungslast auch nicht gefordert werden. Dass dies letztlich dazu führt, dass in vielen Fällen die Klagen der Rechtsinhaber abzuweisen sein werden, ist hinzunehmen. Dieses – von manchen Instanzgerichten offenbar als unerträglich angesehene Ergebnis – könnte letztlich nur der Gesetzgeber ändern, nämlich durch Einführung einer Gefährdungshaftung des Anschlussinhabers. Es gehört nicht zum Aufgabenkreis der Rechtsprechung, eine Gefährdungshaftung durch eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast faktisch zu schaffen.“

Allerdings ist das AG Düsseldorf der Meinung, dass der Anschlussinhaber gegebenenfalls verpflichtet sein kann, sämtliche Zeugen – d.h. im Ergebnis alle Mitnutzer des Anschlusses – zu benennen, die eine eigene Täterschaft des Anschlussinhabers theoretisch untermauern könnten.

„Zwar ist vom Anschlussinhaber – schon im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 383 ZPO – nicht zu fordern, dass er eigenständig Ermittlungen nach dem Täter aufzunehmen hat und diesen der Klägerseite zu benennen hat (so auch OLG Hamm NJOZ 2012, 275); jedoch ist der beklagte Anschlussinhaber verpflichtet, soweit für die Klägerseite keine anderen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen, mögliche seine eigene Täterschaft untermauernde Zeugen – und somit letztlich sämtliche Mitnutzer – auf Verlangen der Klägerseite namhaft zu machen, denn die namentliche Benennung der Zeugen ist dann nur dem Beklagten möglich, da die Zeugen aus dessen Sphäre stammen. Kommt die nicht beweispflichtige Partei der Namhaftmachung bei einer solchen Sachlage schuldhaft nicht nach, liegt eine Beweisverteilung vor (BGH NJW 2008, 982 (984)), die sodann dazu führen kann, dass in entsprechender Anwendung von §§ 427, 441 Abs. 3 ZPO die Täterschaft des Anschlussinhabers als erwiesen zu betrachten ist (MüKo-Prütting ZPO § 286 Rn. 92). Bei der Vernehmung dieser Zeugen wird sodann freilich darauf zu achten sein, dass eine Befragung nur zur Mitbenutzung bzw. zur Täterschaft der beklagten Partei stattfindet; die Beweisaufnahme dagegen nicht dazu verwendet werden darf, die zwischen den Prozessparteien sachfremde Frage auszuforschen, ob eine Täterschaft des Zeugen oder einer anderen Person vorliegt.“

ein Gedanke zu den redtube-Abmahnungen

Unter den von mir bearbeiteten Fällen der redtube-Abmahnungen ist auch der Fall eines Mandanten, der Beratungshilfe in Anspruch genommen hat. Sollte sich nun erweisen, dass das LG Köln bei den zugrundeliegenden Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG einen Fehler gemacht hat, der zu Schadensersatz gegenüber den betroffenen Anschlussinhabern verpflichtet, entstünde die interessante Situation, dass evtl. dem Saarland als Kostenträger der Beratungshilfe ein Schadensersatzanspruch gegen das Land Nordrhein-Westfalen zustehen könnte.

Vielleicht sollten die zuständigen Ministerien im Saarland das einmal genauer prüfen. Haushaltsrechtlich dürfte eine solche Prüfung sogar geboten sein.

b2b-shoppen.de – melango.de mit anderem Namen

Das Portal melango.de des Betreibers David Jähn wurde nach mehreren eindeutigen gerichtlichen Entscheidungen und einer strafrechtlichen Verfolgung des Geschäftsführers Jähn eingestellt, nun ist mit b2b-shoppen.de eine Nachfolgeplattform am Start.

Dabei setzt der Betreiber auf scheinbar „Altbewährtes“: die Startseite weist eine Reihe nicht weiter substantiierter Angebote preiswerter Trendartikel auf, einen Hinweis auf Kosten sucht man dort vergebens. Stattdessen heißt es „Bis zu 90% sparen“ und „Hier geht es zur Anmeldung“. Neu ist auf dieser Anmeldeseite der Button „Jetzt kaufen“. Man vermutet, dass dieser Button neuerdings gesetzlich vorgeschrieben ist, doch bei genauerem Hinsehen ist dies nicht richtig. Die Plattform gibt vor, sich nur an Gewerbetreibende und mithin an Unternehmer im Sinne des § 14 BGB zu richten, dann ist aber nach § 312 g Absatz 2 BGB der Button gar nicht zwingend vorgeschrieben. Die Betreiber setzen sich hier zum ersten Mal in einen Selbstwiderspruch. Es kommt hinzu, dass lediglich in einem Ankreuzkästchen online bestätigt werden muss, dass man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert und Unternehmer ist. Auch dies ist äußerst problematisch, weil die Bestätigung per Mausklick ihrerseits eine allgemeine Geschäftsbedingung sein kann und dann an § 309 Nr. 12 BGB zu messen ist. Die Klausel könnte folglich nach § 309 Nr. 12 BGB unwirksam sein. Dann dürfte die Berufung darauf, dass man nicht als Unternehmer, sondern als Verbraucher gehandelt hat, nicht ausgeschlossen sein, ein Widerruf der ggf. erfolgten Anmeldung ist daher für Betroffene geboten.

Die neue Seite b2b-shoppen.de stellt die Fortsetzung von melango.de dar, es gibt weiterhin eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, weshalb auch dieses Angebot letztlich rechtlich nicht wirksam ist und diesselbe „Abzocke“ darstellt wie das Vorgängerportal.

Mein Rat an Betroffene: Ruhe bewahren, nicht zahlen und fachmännischen Rat einholen!

Kein Kraut gegen Massenabmahnungen gewachsen?

Die ersten Abmahnungen der Kanzlei U + C aus Regensburg haben nun auch meine Kanzlei erreicht. Es geht um den Vorwurf, dass die Abgemahnten Videostreams unberechtigt vervielfältigt haben sollen. Die Abmahnung weist mehrere Ungereimtheiten auf. So wird zu prüfen sein, auf welcher Grundlage die Auskünfte zu den Anschlussinhabern erteilt worden sind. Es ist ferner rechtlich dünnes Eis, auf das sich die Kollegen von U + C begeben. Streaming war bislang noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des BGH, so dass es auch fraglich erscheint, ob – wie U + C offenbar meinen – die zu Filesharing ergangene BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ 1:1 auf die Fallgestaltungen des Streamings übertragbar ist. Zudem ist es sowohl rechtlich als auch technisch fraglich, ob jemand, der einen Stream nur anschaut, überhaupt rechtswidrige Vervielfältigungen eines relevanten Werkes oder relevanten Werkteils vornimmt.

Den Betroffenen ist zu raten, nicht zu zahlen und einen spezialisierten Anwalt aufzusuchen. Ich habe bereits in einigen dieser Fälle die Vertretung Betroffener übernommen.

Das Internetgesetzbuch soll kommen

So steht es zumindest in dem heute veröffentlichten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD (vgl. http://www.spiegel.de/media/media-32776.pdf).

Zitat aus Seite 153:

„Eine Systematisierung der bislang nebeneinanderstehenden Rechtsregelungen zum Internet (Internetgesetzbuch) wird geprüft und in diesem Zusammenhang das Leistungsschutzrecht hinsichtlich der Erreichung seiner Ziele evaluiert.“

Man darf gespannt sein, ob dies innerhalb einer Legislaturperiode  gelingen wird und wie beispielsweise Regelungen aus dem BGB in das neue Internetgesetzbuch integriert werden sollen. Eine ambitionierte Aufgabenstellung jedenfalls…

Ab dem 13.06.2014 neues Widerrufsrecht

Durch die Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie wird es ab dem 13.06.2014 ein neues Widerrufsrecht in Deutschland geben. U.a. werden die §§ 312 ff. BGB vollständig neu gefasst. Fernabsatzverträge sind künftig in § 312 c BGB geregelt. Über die Änderungen wird demnächst in diesem Blog noch eingehend berichtet werden.

Vorab einmal folgende Informationen bezüglich Änderungen in den neuen Regelungen:

  • Keine Einräumung eines Rückgabe- statt eines Widerrufsrechtes mehr
  • Ausnahmen vom Widerrufsrecht werden neu gefasst
  • Nur noch eine einzige einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen statt wie bisher 14 Tage oder 1 Monat
  • Widerrufsrecht nur noch maximal 1 Jahr und 14 Tage statt wie bisher unendlich bei fehlender/fehlerhafter Belehrung
  • Ausübung des Widerrufsrechts durch eindeutige Erklärung, hierfür wird ein Muster einer Widerrufserklärung vorgegeben
  • Widerruf neuerdings auch telefonisch möglich; Online-Händler müssen Telefonnummer nun angeben!
  • Hinsendekosten für Online-Händler werden gedeckelt
  • Verbraucher muss Kosten der Rücksendung künftig in jedem Fall tragen
  • Verbraucher muss auch nicht paketversandfähige Ware zurückschicken
  • Abwicklung des Widerrufs in der Regel binnen 14 Tagen
  • Unternehmer hat Zurückbehaltungsrecht bis zum Nachweis des Rückversands der Ware durch den Käufer

Schauen Sie bitte regelmäßig in diesen Blog, die Neuerungen werden hier schrittweise einzeln erläutert.