OLG Frankfurt: Sorgfaltspflichten bei Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches

Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 05.10.2021, Az.: 6 U 79/21 (= https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210001732) zu den Sorgfaltsanforderungen bei Versand eines Schriftsatzes über beA Stellung genommen. Danach gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle bei der Versendung eines fristwahrenden Schriftsatzes über beA neben der Überprüfung eines ordnungsgemäßen Versands auch die Sicherstellung, dass der richtige Schriftsatz versendet wird.

Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Nennung der Beklagten auf der Internetseite der Klägerin, die Beratungsdienstleistungen als „Profilerin“ erbringt. Mit Urteil vom 21.4.2021 hat das Landgericht die Klägerin verurteilt, es zu unterlassen, werblich auf die Beklagte hinzuweisen. Gegen das der Klägerin am 27.4.2021 zugestellte Urteil hat der Klägervertreter mit bei Gericht am 5.5.2021 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift nebst einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist am 31.8.2021 bei Gericht eingegangen.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Klägervertreter vorgetragen, er habe am 25.6.2021 eine beA-Nachricht an das Gericht versandt. Dieser Nachricht habe er eine Datei angehängt, bei der er davon ausgegangen sei, dass es sich um die Berufungsbegründungsschrift in hiesiger Angelegenheit handelt. Statt der Berufungsbegründungschrift habe es sich jedoch erneut um den Schriftsatz gehandelt, mit welchem bereits Berufung eingelegt worden sei. Zu dieser Verwechselung sei es gekommen, weil seine zuverlässige Sekretärin es versäumt habe, ihm den richtigen Namen der als PDF-Dokument erstellten Berufungsbegründungsschrift mitzuteilen.

Das Gericht führt u.a. aus:

Elektronische Systeme dürfen keine geringeren Kontrollstandards bieten. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört neben der Überprüfung eines ordnungsgemäßen Versands aber auch die Sicherstellung, dass der richtige Schriftsatz versendet wird. Der Ausgangskontrolle ist nicht genüge getan, wenn lediglich überprüft wird, dass irgendein Schriftstück mit dem zutreffenden Aktenzeichen an das Gericht versendet wird. Es ist vielmehr – ggf. an Hand eines sinnvoll vergebenen Dateinamens – zu überprüfen, welche Datei versandt wurde. Erst danach darf die Frist im Kalender gestrichen werden (vgl. Musielak/Voit/Grandel, 18. Aufl. 2021, ZPO, § 233 Rn 24 m.w.N.).


Denn er hat hiernach eine PDF-Datei an das Gericht versandt, ohne den Inhalt des Schriftsatzes zu überprüfen und damit sicherzustellen, dass der inhaltlich zutreffende Schriftsatz zur Fristwahrung bei Gericht eingeht. Eine inhaltliche Kontrolle drängte sich nach dem Vorbringen des Klägervertreters bereits deswegen auf, weil der vom Klägervertreter beschriebene Dateiname „Berufung.pdf“ weder Rückschlüsse auf deren Inhalt (Berufungseinlegung oder Berufungsbegründung) noch – mangels Angabe eines Aktenzeichens – darauf zulässt, ob es sich überhaupt um ein Schriftstück in der zu wahrenden Fristensache gehandelt hat. Eine Überprüfung anhand des Dateinamens war somit überhaupt nicht möglich (vgl. zu den Anforderungen auch: OLG Dresden, Beschluss vom 1.6.2021 – 4 U 351/21 = NJW 2021, 2665).

Da es sich um ein eigenes Verschulden des Rechtsanwalts handelt, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob dem Klägervertreter ein Organisationsverschulden (Auswahl und Kontrolle der Angestellten) vorzuwerfen ist. Entsprechend spielt auch der vom Klägervertreter behauptete Umstand keine Rolle, ob seine Mitarbeiterin die Datei mit der Berufungsbegründungschrift unzutreffend benannt hat. Es war vorliegend der Klägervertreter selbst, der den Versand des fristwahrenden Schriftstücks vorgenommen hat, so dass ihm auch die Endkontrolle oblag.