LG Saarbrücken: Telefonische Weitergabe dreier TAN im Online-Banking

Das LG Saarbrücken hat mit Urteil vom 09.12.2022, Az. 1 O 181/20, (= https://recht.saarland.de/bssl/document/KORE277982022) entschieden, dass im Rahmen des Online-Bankings die telefonische Weitergabe dreier TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstenutzers begründen kann, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdiensteleister stammen konnte. Bei der Anspruchshöhe eines Schadensersatzanspruchs des Zahlungsdiensteleisters gegen den Zahlungsdienstenutzer nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB kann ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Zahlungsdiensteleisters berücksichtigt werden. Ein solches liegt in Höhe von 50 % vor, wenn das das Betrugspräventionssystem des Zahlungsdiensteleisters zunächst fünf zur Nachtzeit vorgenommene Echtzeitüberweisungen als verdächtig erkennt, in der Folge aber dennoch weitere 12 Echtzeitüberweisungen an denselben Zahlungsempfänger zugelassen werden.

Das Gericht führt aus, dass, bezogen auf die Besonderheiten des Online-Banking, bei der telefonischen Weitergabe einer oder mehrerer TAN der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit nahe liege (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.06.2022 – 1 O 394/21, BeckRS 2022, 14866; LG Köln, Urteil vom 10.09.2019 – 21 O 116/19, MMR 2020, 258; BeckOGK/Hofmann, 1.10.2021, BGB § 675l Rn. 93; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Herresthal, 3. Aufl. 2020, 3. Kap. BGB § 675v Rn. 63; BeckOK BGB/Schmalenbach, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 675v Rn. 13). Insoweit sei die telefonische Weitergabe einer TAN nicht vergleichbar mit der Eingabe einer oder mehrerer TAN in eine gefälschte Eingabemaske (hierzu BGH, Urteil vom 24.04.2012 − XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422), da sich die telefonische Weitergabe der TAN von dem üblichen Übermittlungsweg der TAN (Eingabe online) unterscheide. Jedoch verbiete sich eine pauschale Bewertung, vielmehr seien sämtliche Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Maßstab sei, dass wenn sich jedem Zahlungsdienstenutzer in der entsprechenden Situation sowie dem betroffenen Zahlungsdienstenutzer ganz individuell geradezu aufdrängen musste, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang handeln kann, grobe Fahrlässigkeit vorliege (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.06.2022 – 1 O 394/21, BeckRS 2022, 14866; BeckOGK/Hofmann, 1.10.2021, BGB § 675l Rn. 96).

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken: Keine einstweilige Verfügung zur Wiederherstellung eines Facebook-Nutzerkontos

Das Saarländische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 03.11.2022, 5 W 79/22, (= https://recht.saarland.de/bssl/document/KORE276362022) darüber entschieden, ob einem Facebook-Nutzer nach erfolgter Sperrung ein mittels einstweiliger Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Wiederherstellung des Nutzerkontos zusteht, wenn zwischen erstmaliger anwaltlicher Aufforderung zur Wiederherstellung und Beantragung der einstweiligen Verfügung lediglich ein Zeitraum von 11 Tagen – bzw. von 4 Tagen nach Ablauf der gesetzten Frist – verstrichen ist.

Das Gericht entschied: Dem Betreiber eines sozialen Netzwerks, der nach erfolgter Sperrung dazu aufgefordert wurde, das Nutzerkonto wiederherzustellen, alle Daten zu speichern und eine endgültige und unwiderrufliche Löschung des Kontos zu unterlassen, steht angesichts des Umstandes, dass es sich dabei um einen Anspruch handelt, dessen Berechtigung einer Überlegung bedarf, nach Treu und Glauben eine angemessene Prüffrist zu, vor deren Ablauf Verzug nicht eintritt und auch die Beantragung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung nicht veranlasst ist.

Zum Sachverhalt:

Die Antragstellerin hat von der Antragsgegnerin, der für Europa zuständigen Anbieterin und Vertragspartnerin der Nutzer eines von der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin betriebenen sozialen Netzwerks, im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Löschung ihres zwischenzeitlich deaktivierten Nutzerkontos bei „www.facebook.com“ sowie der dazu gespeicherten Daten begehrt. Sie nutzt die Dienste der Antragsgegnerin und ist dort mit der E-Mail-Adresse@web.de angemeldet.

Am 27. Mai 2022 wurde das Nutzerkonto der Antragstellerin deaktiviert; sie erhielt eine Nachricht, dass sie „Facebook oder den Messenger nicht verwenden“ könne, das damit verknüpfte Instagram-Konto „“ sei deaktiviert worden, weil die dortigen Aktivitäten gegen die Gemeinschaftsrichtlinien von Instagram oder andere Standards verstießen, und wenn sie der Meinung sei, dass die Konten fälschlicherweise deaktiviert worden seien, könne sie auf Instagram eine Überprüfung der Entscheidung beantragen. Die Antragstellerin war vor der Deaktivierung nicht angehört oder über die beabsichtigte Kontodeaktivierung informiert worden; durch die Kontodeaktivierung hatte sie keinen Zugriff mehr auf die auf dem Konto hinterlegten Daten (Bilder, Texte und Verknüpfungen zu „Facebook-Freunden“). Nach einem Versuch, die Antragsgegnerin selbst zur Wiederherstellung des Nutzerkontos zu bewegen, ließ sie diese mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2022 unter Fristsetzung auf den 16. Juni 2022 auffordern, das Nutzerkonto wiederherzustellen, sich schriftlich dazu zu verpflichten, das Nutzerkonto und alle kontenspezifischen Daten/Inhalte zu speichern und es zu unterlassen, eine endgültige und unwiderrufliche Löschung des Kontos vorzunehmen, alle Lösch- und Sperrvermerke zu beseitigen, sich schriftlich bei Meidung einer Vertragsstrafe zur Unterlassung weiterer Sperrungen oder Deaktivierungen zu verpflichten und die Klägerin von Rechtsanwaltskosten für dieses Schreiben sowie für die Einholung einer Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer freizustellen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin nicht.

Die Antragstellerin hat die Deaktivierung ihres Nutzerkontos für rechtswidrig gehalten und mit ihrem am 20. Juni 2022 zum Landgericht eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, anzuordnen, dass es die Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen habe, ihr am 27. Mai 2022 deaktiviertes Nutzerkonto auf www.facebook.com und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.

In der Folge hat die Antragstellerin die Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragsgegnerin hat sich dem angeschlossen, beide Parteien haben wechselseitig Kostenantrag gestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Kosten des Verfahrens gemäß § 91a ZPO der Antragsgegnerin auferlegt und zur Begründung ausgeführt, diese wäre bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten im weiteren Verfahren voraussichtlich unterlegen. Hiergegen legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde ein. Diese ist begründet.

Wesentliche Begründung des Gerichts:

Danach hatte die Antragstellerin hier zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrages auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung keine Veranlassung, davon auszugehen, dass sie ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu ihrem Recht kommen würde. Denn die Antragsgegnerin, die im Anschluss an die am 27. Mai 2022 erfolgte Sperrung und einen vergeblichen Versuch der Antragstellerin, sie – nur – „zur Wiederherstellung des Nutzerkontos zu bewegen“, erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2022 unter Fristsetzung auf den 16. Juni 2022 dazu aufgefordert worden war, auch die endgültige Löschung des Nutzerkontos und der entsprechenden Daten zu unterlassen, hatte dieses Ansinnen bis zur Einreichung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 20. Juni 2022 weder bestritten, noch zurückgewiesen, und sie war durch den Ablauf der ihr gesetzten Erledigungsfrist auch noch nicht wirksam in Verzug gesetzt worden. Da ein Anspruch geltend gemacht worden war, dessen Berechtigung – offensichtlich – einer Überlegung bedurfte, stand der Antragsgegnerin nach Treu und Glauben eine angemessene Prüffrist zu, vor deren Ablauf der Verzug nicht eintreten konnte (vgl. KG, NJW-RR 1987, 994, 995; Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 286 Rn. 35). Diese Frist war jedenfalls bis zur Einreichung des Antrages, elf Tage nach der anwaltlichen Aufforderung und vier Tage nach Ablauf der darin gesetzten Frist, noch nicht verstrichen.

OLG Frankfurt: Wirksamkeit eines Verzichts auf Urheberbenennung in AGB eines Microstock-Portals

Microstock-Portale für Lichtbilder/Videos sprechen aufgrund geringer Lizenzgebühren und eines geringen Abwicklungsaufwands einen großen Nutzerkreis an. Wegen dieses Geschäftsmodells stellt ein in den Lizenzbedingungen eines Microstock-Portals enthaltener Verzicht der Urheber auf ihr Benennungsrecht keine unangemessene Benachteiligung dar. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche eines Berufsfotografen wegen unterlassener Urheberbenennung zurückgewiesen.

Der Kläger ist Fotograf und zählt zu den erfolgreichsten Bildanbietern weltweit. Er schloss mit dem Betreiber des Portals Fotolia einen so genannten Upload-Vertrag. Damit räumte er dem Portalbetreiber eine Lizenz zur Nutzung der von ihm eingestellten Fotografien ein sowie das Recht, Unterlizenzen an Kunden des Portals zu erteilen. Fotolia war laut Urteil eine der „führenden europäische Microstock Bildagenturen“ mit Millionen Bildern/Videos und Mitgliedern. Die Kunden können eingestellte Lichtbilder zu „äußerst günstigen Lizenzen“ nutzen. Dies führt zu einer hohen Anzahl eingeräumter Lizenzen und einer starken Verbreitung der eingestellten Werke. Der Kläger vermarktet seine Werke ausschließlich über Microstock-Portale.

Die Beklagte ist eine Kundin des Portals. Sie verwendete ein Lichtbild des Klägers auf ihrer Webseite als Hintergrund, ohne ihn als Urheber zu benennen. Der Kläger verlangt von der Beklagten u.a., es zu unterlassen, das Lichtbild ohne Urheberbenennung zu nutzen und wegen der bereits erfolgten Verletzung Schadensersatz an ihn zu zahlen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe wirksam auf das Recht zur Urheberbenennung im Rahmen des Upload-Vertrags mit Fotolia verzichtet, führt das OLG zur Begründung aus. Gemäß der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe „sowohl Fotolia als auch jedes herunterladende Mitglied, welches ein Werk über Fotolia bezieht, das Recht aber nicht die Verpflichtung (…), das hochladende Mitglied als Quelle seiner Werke kenntlich zu machen“. Diese Formulierung und insbesondere der Begriff „Quelle“ seien bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass der Urheber damit auf sein Urheberbenennungsrecht verzichte.

Dieser Verzicht sei auch wirksam vereinbart worden. Er verstoße nicht gegen das Transparenz- und Verständlichkeitsgebot. Der Verzicht werde ausdrücklich und klar erklärt. Die Klausel führte auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Urheber. Ein Urheber entscheide sich willentlich für die Nutzung von Microstock-Portalen. Damit vermeide er eigenen zeitlichen und finanziellen Vermarktungsaufwand. Die fehlende Verpflichtung zur Urheberbenennung habe für die Attraktivität des Angebots von Fotolia für die Kunden und damit für die große Verbreitung erhebliche Bedeutung. Dies räume auch der Kläger ein. „Der Verzicht auf die Pflicht zur Urheberbenennung ermöglicht mithin (auch) die große Reichweite des Microstock-Portals und die große Anzahl von Unterlizenzen, was dem Urheber zugutekommt und so die geringe Lizenzgebühr für die Unterlizenzen kompensiert“, vertieft das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der klärungsbedürftigen Frage, ob ein Urheber in AGBs für jede Verwendungsart gegenüber einem Microstock-Portal wirksam auf sein Urheberbenennungsrechts verzichten kann, die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.9.2022, Az. 11 U 95/21 (Volltext: https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220003499)
(vorausgehend Landgericht Kassel, Urteil vom 5.7.2021, Az. 10 O 2109/20)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 29.09.2022

LG Saarbrücken: Telefonische Weitergabe einer TAN im Online-Banking

Einen interessanten Fall aus dem Bereich des Online-Bankings hatte das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 10.06.2022, 1 O 394/21 = https://recht.saarland.de/bssl/document/KORE261722022) zu entscheiden.

Der Kläger wollte seinen Online-Zugang nutzen. Auf dem Computer des Klägers öffnete sich ein Fenster mit der Mitteilung, dass er sich bezüglich eines „S-Cert-Banking“ Verfahrens legitimieren müsse. Dieses Fenster beinhaltete einen Link, welcher auf ein Formular zur Eingabe einer Adresse und Mobilfunknummer verwies. In dieses Formular gab der Kläger seinen Namen, Adresse und Telefonnummer ein. Ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten wurde avisiert. In der Folge meldete sich ein vorgeblicher Mitarbeiter der Beklagten und teilte mit, er wolle bei der Legitimierung behilflich sein. Diese setze die Generierung einer TAN voraus. Eine TAN wurde seitens des Klägers über das PushTAN-Verfahren erstellt und an den Anrufer weitergegeben.

Dem Kläger war ein Schaden in Höhe von ca. 7.700,00 Euro entstanden.

Das Landgericht Saarbrücken war der Meinung, dass das Verhalten des Klägers grob fahrlässig war. Im Rahmen des Online-Bankings kann auch die telefonische Weitergabe lediglich einer TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers begründen, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdienstleister stammen konnte. Das Gericht begründet dies damit, dass sich aus dem Text ergeben habe, dass der Kunde „allzeit“ seine „Legitimations-PIN“ bereithalten solle. Dabei seien schon die technischen Gründe, die einen Anruf außerhalb der Geschäftszeiten oder zum Wochenende bedingen sollen, nicht zu erkennen. Zum anderen müsse es sich dem Leser dieses Textes geradezu aufdrängen, dass bei einem ordnungsgemäßen Ablauf er nicht dazu aufgefordert werden könne, „allzeit“ seine Legitimations-PIN bereithalten zu müssen.

Das Landgericht wies daher die auf Gutschrift des Betrages auf das Konto gerichtete Klage gegen die Bank ab.

LG Arnsberg: zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung als elektronisches Dokument

§ 130d ZPO für die Zivilgerichtsbarkeit und § 32d StPO für das Strafverfahren normieren nahezu wortgleich die grundsätzliche Pflicht des Rechtsanwalts Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Das LG Arnsberg hat sich in einem Beschluss vom 06.07.2022 (Az. 3 Ns-360 Js 24/21-73/22) (= http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/arnsberg/lg_arnsberg/j2022/3_Ns_360_Js_24_21_73_22_Beschluss_20220706.html) damit auseinandergesetzt, was der Rechtsanwalt vortragen muss, um eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne der Vorschriften glaubhaft zu machen.

Das Gericht hat Folgendes ausgeführt.

Die bloße Erklärung des Verteidigers, dass eine Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist, rechtfertigt keine Ersatzeinreichung. ein Verteidiger muss vorgetragen, dass er über eine einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, und ob eine Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist ferner darzulegen, seit welchem Zeitpunkt die Störung besteht, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat.

In dem Berufungsschriftsatz ist lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbständige Prüfung ermöglichen.

Die Terminologie „vorübergehende technische Störung“ will der Gesetzgeber so interpretiert wissen, dass eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existiert und für eine Beseitigung eines temporären Ausfalls unverzüglich gesorgt wird (vgl. BT-Drs. 18/9416, Seite 51). Die Heilungsmöglichkeit ist deshalb nicht gegeben, wenn ein kein technischer, sondern ein menschlicher Fehler vorliegt; so stellt beispielsweise der Verlust der beA-Karte mit Signierfunktion keine technische Störung im Sinne der Norm dar (vgl. Radke in jurisPK, StPO, § 32d, RN 16 m.w.N.).

Der Verteidiger hat schon gar nicht vorgetragen, ob er überhaupt über eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, wozu ein Internetanschluss gehört, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte (vgl. OVG Münster, Beschluss 31.03.2022, 19 A 448/22 A zu § 55d VwGO). Unklar ist ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist auch nicht dargelegt, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. Es fehlt daher jegliche konkrete Darlegung etwaiger Schwierigkeiten mit der Hard- und/oder Software und deren Dauer.

Der unspezifische Verweis auf eine technische Störung ersetzt eine nachvollziehbare Tatsachenschilderung nicht, ebenso wenig die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung.

Stellungnahme:

Es erscheint fraglich, ob die vom LG Arnsberg und anderen Gerichten im Rahmen der Auslegung der §§ 130d ZPO und 32d StPO angenommenen Anforderungen die Wirklichkeit vor allem vieler kleiner Anwaltskanzleien in Deutschland abbilden. Viele gerade kleinere Kanzleien sind froh, die hohen Anforderungen an Ausstattung und technische Infrastruktur überhaupt bis zum Start des beA bewältigt zu haben. Viele Kanzleien waren zuvor technisch auf beA und elektronische Bearbeitungen noch gar nicht eingestellt, so dass diese (ggf. durch die Bundesrechtsanwaltskammer belegbaren) Tatsachen in die Überlegungen zum Maß der Pflichten des Rechtsanwalts zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Störung einfließen müssen. Im oben vorliegenden Fall lässt sich der Entscheidung leider nicht entnehmen, ob Amts- und/oder Landgericht dem betroffenen Anwalt einen dahingehenden rechtlichen Hinweis gegeben haben. Sollte der Rechtsanwalt trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts nicht reagiert haben, ist die Entscheidung zu akzeptieren.

OLG Frankfurt: Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch einer Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit heute verkündeter Entscheidung die Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns verpflichtet, es ab dem 01.01.2023 zu unterlassen, die klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit dadurch zu diskriminieren, dass diese bei der Nutzung von Angeboten des Unternehmens zwingend eine Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angeben muss. Bezüglich der Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherter personenbezogener Daten gilt das Unterlassungsgebot ohne Umstellungsfrist sofort. Zudem hat das Unternehmen an die klagende Person eine Entschädigung i.H.v. 1.000 € zu zahlen.

Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die klagende Person besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Die Person ist Inhaberin einer BahnCard und wird in diesbezüglichen Schreiben sowie Newslettern der Beklagten mit der unzutreffenden Bezeichnung „Herr“ adressiert. Auch beim Online-Fahrkartenverkauf der Beklagten ist es zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als „Frau“ oder „Herr“ auszuwählen. Die klagende Person ist der Ansicht, ihr stünden Unterlassungsansprüche sowie ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von € 5.000 gegen die Beklagte zu, da deren Verhalten diskriminierend sei.

Das Landgericht hatte den Unterlassungsansprüchen der klagenden Person stattgegeben und Entschädigungsansprüche abgewiesen.

Auf die Berufungen der Parteien hin hat das OLG die Unterlassungsansprüche der klagenden Person bestätigt, dabei allerdings der Beklagten hinsichtlich des Unterlassungsgebots bezüglich der Nutzung von Angeboten der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende eingeräumt. Zudem hat es eine Entschädigung i.H.v. 1.000 € zugesprochen. Die klagende Person könne wegen einer unmittelbaren Benachteiligung im Sinne der §§ 3, 19 AGG aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Identität bei der Begründung und Durchführung von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen im Massenverkehr Unterlassung verlangen, begründete das OLG seine Entscheidung. Das Merkmal der Begründung eines Schuldverhältnisses sei dabei weit auszulegen und nicht nur auf konkrete Vertragsanbahnungen zu beziehen. Es umfasse auch die Verhinderung geschäftlicher Kontakte, wenn Menschen mit nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gezwungen würden, für einen Online-Vertragsschluss zwingend die Anrede „Herr“ oder „Frau“ auszuwählen.

Allerdings hat das OLG der Beklagten eine Umstellungsfrist bis zum Jahresende von gut sechs Monaten eingeräumt. Dies bezieht sich insbesondere auf die Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten allgemeinen Buchungssystems für Online-Fahrkarten, das sich nicht nur an die klagende Person richtet. Das OLG hat die gewährte Umstellungsfrist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit im Hinblick auf den für die Anpassung erforderlichen erheblichen Aufwand bemessen.

Keine Umstellungsfrist hat das OLG der Beklagten dagegen gewährt, soweit sich der Unterlassungsanspruch der klagenden Person auf die Ausstellung von Fahrkarten, Schreiben des Kundenservice, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten bezieht. In der diesbezüglichen individuellen Kommunikation sei es für die Beklagte technisch realisierbar und auch im Hinblick auf den finanziellen und personellen Aufwand zumutbar, dem Unterlassungsanspruch ohne Übergangsfrist zu entsprechen.

Das OLG hat der klagenden Person zudem wegen der Verletzung des Benachteiligungsverbots eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000 € zugesprochen. Die klagende Person habe infolge der Verletzung des Benachteiligungsverbots einen immateriellen Schaden erlitten, begründet das OLG. Sie erlebe „die Zuschreibung von Männlichkeit“ seitens der Beklagten als Angriff auf die eigene Person, welche zu deutlichen psychischen Belastungen führe. Die Entschädigung in Geld sei angemessen, da sie der klagenden Person Genugtuung für die durch die Benachteiligung zugefügte Herabsetzung und Zurücksetzung verschaffe. Abzuwägen seien dabei die Bedeutung und Tragweite der Benachteiligung für die klagende Person einerseits und die Beweggründe der Beklagten andererseits. Die Benachteiligungen für die klagende Person sei hier als so massiv zu bewerten, dass sie nicht auf andere Weise als durch Geldzahlung befriedigend ausgeglichen werden könnten. Zu Gunsten der Beklagten sei aber zu berücksichtigen, dass keine individuell gegen die Beklagte gerichteten Benachteiligungshandlungen erfolgt seien. Zudem handele es sich bei der Frage der Anerkennung der Persönlichkeitsrechte von Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität um eine neuere gesellschaftliche Entwicklung, welche selbst in der Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 (RL 2004/11/EG) noch keinen Niederschlag gefunden habe. So sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Einführung ihrer Software in Bezug auf den Online-Ticketkauf bewusst oder absichtlich zur Benachteiligung nicht-binärer Personen eine geschlechtsneutrale Erwerbsoption ausgespart habe. Allerdings habe die Beklagte ihre IT-Systeme im Unterschied zu anderen großen Unternehmen bislang nicht angepasst. Zudem sei ihr vorzuhalten, dass sie gerade in der individuellen Kommunikation mit der klagenden Person – so etwa hinsichtlich der BahnCard – nach wie vor eine unzutreffende männliche Anrede verwende.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

(Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 21.06.2022)

OLG Frankfurt: Zum Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO

Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Prüfung eines datenschutzrechtlichen Unterlassungsanspruchs sowie eines Schadensersatzanspruches aus Art. 82 DSGVO zu befassen.

Der Kläger befand sich bei der Beklagten, einer Privatbank, in einem Bewerbungsprozess. Dieser fand über das Online-Portal Xing statt. Das Netzwerk ermöglicht es, Personen und Unternehmen zu folgen, Reaktionen und Beiträge zu hinterlassen sowie mediale Inhalte im Text-, Bild- und Videoformat zu veröffentlichen. Der Kläger hat dort seine Kontaktdaten nebst Lebenslauf eingestellt. Im Zusammenhang mit dem Bewerbungsprozess versandte eine Mitarbeiterin der Beklagten über den dortigen Messenger-Dienst am 23.10.2018 eine Nachricht, die eigentlich für den Kläger bestimmt war, an eine dritte, nicht am Bewerbungsprozess beteiligte Person.

Aufgrund dieses Sachverhaltes machte der Kläger einen Unterlassungsanspruch geltend mit dem Antrag, dass die Beklagte es künftig zu unterlassen habe, personenbezogene Daten des Klägers, die im Zusammenhang mit seiner Bewerbung bei der Beklagten stehen, zu verarbeiten bzw. verarbeiten zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Nachricht der Mitarbeiterin der Beklagten über das Portal XING an Herrn A vom 23.10.2018.

Zudem machte der Kläger einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend.

Das Gericht sprach den Unterlassungsanspruch wie beantragt zu. Grundlage sei Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Dass Art. 17 DSGVO Rechtsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch sein könne, sei höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Urteile vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19 – VI ZR 489/19 -, jeweils Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 20, 23 [zur Auslistung]; BSGE 127, 181 Rn. 13), so dass ein Rückgriff auf §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 BGB nicht erforderlich sei, um einen lückenlosen Individualrechtsschutz hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von natürlichen Personen zu gewährleisten (so noch: OLG Dresden, Urteil vom 14. Dezember 2021 – 4 U 1278/21 -, Rn. 47, juris; OLG München, Urteil vom 19. Januar 2021 – 18 U 7243/19 Pre -, Rn. 62, 65, juris).

Die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen nach Auffassung des Senats jedoch nicht vor, da es jedenfalls an der Darlegung des Eintritts eines Schadens bei dem Kläger fehlt.

Die Frage, ob bereits der Datenschutzverstoß als solcher für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs ausreicht oder es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (auch: immateriellen) Schadens bedarf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (für ein Ausreichen des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht: z.B. OLG München, Urteil vom 4.2.2019 – 15 U 3688/18 -, juris, Rn. 19 ff., Ehmann/Selmayr/Nemitz, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 82 DS-GVO Rn. 11-13; für das Erfordernis eines nachgewiesenen Schadens z.B. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.02.2021, 17 Sa 37/20, zit. nach juris, Rn. 96, LG Karlsruhe, Urt. v. 02.08.2019, 8 O 26/19, zit. nach juris, Rn. 19, Ernst, juris PR-ITR 1/2021 Anm. 6 in einer Anmerkung zu dem vorliegend angefochtenen Urteil des Landgerichts Darmstadt v. 26.05.2020, 13 O 244/19, m.w.N.). Insbesondere von den Verfechtern eines Anspruchs ohne Nachweis eines konkreten Schadens wird zudem vertreten, dass die Beeinträchtigung über eine bloße Bagatellverletzung hinausgehen muss (vgl. hierzu die Quellenangaben bei Ernst, a.a.O.).

Das Gericht schließt sich der Ansicht an, wonach die Darlegung eines konkreten Schadens erforderlich ist.

Das Vorliegen eines konkreten -immateriellen- Schadens, wozu auch Ängste, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen (Bergt in: Kühling/Buchner, DS- GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Rn. 18 b), habe der Kläger vorliegend nicht dargetan. Der Vortrag in seinem auf einen entsprechenden Hinweis des Senats eingereichten Schriftsatz vom 11.1.2022 (Bl. 326 ff. d. A.) erschöpfe sich in der – erneuten- Darlegung des Datenschutzverstoßes. Der Schadensersatzspruch war daraufhin vom Gericht abgelehnt worden. Das Gericht hat Rechtsmittel dagegen zugelassen, da die Frage noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt sei.

AG Köln: Vertragsanpassung eines gewerblichen Mietvertrags wegen Corona

Das Amtsgericht Köln hat mit Urteil vom 10.02.2022, Az. 221 C 248/21, entschieden, dass zwar aufgrund der Coronapandemie grundsätzlich eine Vertragsanpassung eines gewerblichen Mietvertrages wegen Wegfalls oder Veränderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB erfolgen kann, dass dies aber aufgrund der Abwägung der beiderseitigen Interessen dann nicht eingreifen kann, wenn der der Mieter bereits vor der Coronapandemie mit seinem Betrieb keine Gewinne erzielt hat.

Das Gericht führt aus:

„Maßstab für die von § 313 Abs. 1 geforderte umfassende Abwägung sind vertragsimmanente Kriterien (MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, BGB § 313 Rn. 77). Dies bedeutet vorliegend nach Auffassung des Gerichts, dass (nur) solche Vermögensgegenstände, Ansprüche etc. einzubeziehen sind, die als Zuflüsse in der konkreten Gewinn- und Verlustrechnung des betroffenen Unternehmens auftauchen. Dagegen sind sonstige Einkünfte, soweit sie nicht mit dem betroffenen Gewerbebetrieb verknüpft sind, davon losgelöst zu betrachten und nicht die Abwägung einzustellen. Das Gehalt des Beklagten im öffentlichen Dienst ist darum ebenso wenig zu berücksichtigen wie es ein Lottogewinn wäre oder Einkünfte aus dem Verkauf seines Privatwagens. Die Vertragsanpassung ist vorliegend aber dennoch, wegen der entgegenstehenden berechtigten Interessen der Klägerin, zu versagen. Der Beklagte kann redlicherweise keine Beteiligung der Klägerin an seinen Verlusten verlangen. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Betrieb des Beklagten sich insgesamt, d.h. auch ohne Ansehung der Corona-Pandemie und der Coronamaßnahmen nicht als wirtschaftlich darstellt.“

Und weiter:

„Vielmehr kommt eine Vertragsanpassung nur in Betracht, wenn für künftige Gewinne nach dem Ende der Pandemie starke Anhaltspunkte bestehen. Dafür ist eine Prognose zu treffen, die z.B. darauf gestützt werden muss, ob in den Geschäftsjahren vor der Pandemie ein dauerhafter Gewinn erwirtschaftet wurde. Genau das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Beklagte hat durch die Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Betriebsjahr 2019 (Bl. 50ff.), also vor der Pandemie, belegt, dass sein Geschäft einen Verlust von 7.045, 85 € eingefahren hat. Auffällig ist dabei, dass die Raumkosten (d.h. die hier streitgegenständliche Miete zzgl. Nebenkosten) von 28.330,84 € die mit Abstand größte Kostenposition darstellen. Sie machen einen Anteil von fast ¾ der Umsatzerlöse aus. Dies führt zu einer derartigen Schieflage, dass die weiteren notwendigen Kostenblöcke (Getränke, Personal) das Geschäft des Beklagten bereits in die Verlustzone geführt haben. Das Geschäftsmodell des Beklagten hat sich darum bereits im Jahr 2019 als nicht tragfähig erwiesen. Es wäre bereits 2019 mehr als 18% größerer Umsatz erforderlich gewesen, um wenigstens eine ausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung zu haben. Bei dieser Sachlage würde eine Vertragsanpassung in Form einer verminderten Miete dazu führen, dass die Klägerin gezwungen würde, das nicht nachhaltige betriebene Geschäft des Beklagten zu subventionieren. Dieses Ergebnis hält das Gericht selbst dann nicht für richtig, wenn der Beklagte, wie es unstreitig ist, von der Coronapandemie massiv betroffen ist. Es ist der Klägerin nicht zumutbar.“

AG Frankenthal: keine Zahlungen für Fitnessstudio während Lockdown

Mit Urteil vom 20.07.2021 hat das AG Frankenthal (Az. 3c C 4/21) eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob Beiträge für ein Fitnessstudio auch zu zahlen sind, wenn wegen Lockdowns kein Training möglich ist. Das Gericht entschied:

1. Sofern bei einer staatlich angeordneten pandemiebedingten Schließung eines Fitnessstudios dessen Betreiber nicht mehr in der Lage ist, Kunden die vertraglich geschuldeten Leistungen zur Verfügung zu stellen, liegt ein Fall vorübergehender Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge vor, dass für die Zeit des „Lockdowns“ sowohl der Studiobetreiber, als auch der Kunde von ihren wechselseitigen Leistungspflichten anteilig befreit sind (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2. Eine Vertragsanpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist demgegenüber subsidiär und auch vom Gesetzgeber, der aufgrund der COVID19-Pandemie in Art. 240 EGBGB eigens spezielle Sonderregelungen geschaffen hat, zumindest für Sportstudioverträge über die dem Betreiber in Art. 240 § 5 EGBGB eingeräumten Möglichkeiten (sog. „Gutscheinlösung“) hinaus, nicht vorgesehen worden.

Eine derartige Vertragsanpassung (z.B. durch Verlängerung der Vertragslaufzeit um den Zeitraum der Schließung) kommt jedenfalls für solche Verträge, die bereits vor Ausbruch der Pandemie und Schließung des Studios gekündigt waren, unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien auch aus sonstigen Erwägungen heraus nicht in Betracht.

Das Gericht begründet diese Ansicht wie folgt:

„Demnach liegt per Definition ein Fall (vorübergehender) Unmöglichkeit der von der Klägerin zu erbringenden Leistung mit der sich aus dem Gesetz (§ 275 Abs. 1 BGB) ergebenden Folge vor, dass der Anspruch der Beklagten auf Leistungserbringung für diesen Zeitraum ausgeschlossen und die Klägerin während der Dauer des Vorliegens des Leistungshindernisses von ihrer Leistungspflicht befreit war. Als Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung verliert der von der Leistungspflicht befreite Schuldner gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB damit auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung von „Mitgliedsbeiträgen“ für den Zeitraum der Schließung. Vielmehr bestand für die Klägerin nur ein Anspruch auf anteilige Zahlung der Beiträge für die Monate März und Mai 2020.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der den Wegfall der Geschäftsgrundlage regelnden Bestimmung des § 313 BGB. Denn diese ist gegenüber den spezialgesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit der Leistung grundsätzlich subsidiär (vgl. nur BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021 § 313 Rn. 20; speziell für Sportstudioverträge auch LG Freiburg – 9 S 41/20, Urt. v. 27.04.2021 Rn. 43, zit. n. juris, jew. mwN; aA – ohne auf die Abgrenzung zur Unmöglichkeit näher einzugehen – etwa LG Würzburg, GRUR-RR 2020, 540, 541/542). Eine die ausnahmsweise Anwendbarkeit der Norm anordnende oder zumindest ermöglichende Sonderregelung – wie sie etwa Art. 240 § 7 EGBGB für die Gewerberaummiete enthält – hat der Gesetzgeber auch angesichts der mit der Corona-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Probleme zu Gunsten von Betreibern von Fitnessstudios (an die in Art. 240 § 5 EGBGB freilich gedacht wurde) nicht getroffen.“

Das AG Frankenthal hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles zugelassen. Der Frage, ob der Anwendungsbereich des § 313 BGB in Fällen wie dem vorliegenden überhaupt bzw. auch dann eröffnet ist, wenn das Vertragsverhältnis bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie zu einem feststehenden Zeitpunkt gekündigt wurde, komme grundsätzliche Bedeutung zu.

LAG Hamm: keine eigenhändige Unterschrift beim Prozesskostenhilfeantrag

Das LAG Hamm hatte in einem Beschluss vom 06.12.2021 über die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrages per Computerfax ohne eigenhändige Unterschrift des Antragstellers zu entscheiden.

Das Gericht entschied, dass für die Wahrung der Schriftform bei einem Prozesskostenhilfegesuch die eigenhändige Unterschriftsleistung weder für die Antragsschrift noch für den amtlichen Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zwingend erforderlich sind.

Der Beschwerdeführer hatte sowohl seinen Prozesskostenhilfeantrag als auch den amtlichen Erklärungsvordruck sowie das beigefügte Begleitschreiben per Computerfax übersandt. Die Schriftstücke waren von ihm nicht eigenhändig unterzeichnet und sodann per Fax an das Gericht geschickt worden, sondern enthielten lediglich den „maschinenschriftlichen“ Eintrag „gez. A.r“ an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle. Sowohl in das Begleitschreiben als auch in das Prozesskostenhilfegesuch hatte der Beschwerdeführer zusätzlich den Hinweis aufgenommen: „Für das Gericht ist diese Zustellung durch Hinweis auf die fehlende Unterschrift aufgrund dieser Zustellform im Original rechtswirksam (GmSOGB 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98).“ In dem amtlichen Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse befand sich im Unterschriftenfeld der Eintrag „gez. A. – Computerfax“.

Das Gericht begründet seine Entscheidung wie folgt:

Ein Prozesskostenhilfeantrag, der nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, sondern schriftlich gestellt wird (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss vom Antragsteller unterschrieben und mit der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben versehen werden (vgl. BGH 4. Mai 1994 – XII ZB 21/94 – juris, Rn. 8).

Dieser Anforderung ist hinsichtlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügt, wenn feststeht, dass diese von der Partei stammt. § 117 Abs. 2 ZPO verlangt auch in der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts im Jahre 2013 geltenden Fassung nicht, dass die Erklärung, um wirksam zu sein, eigenhändig unterschrieben sein muss und im Original vorgelegt wird (vgl. BGH 10. Juli 1985 – IVb ZB 47/85 – juris, Rn. 3). Ein solches Erfordernis stellt auch die PKHVordruckVO vom 22. Januar 2014 nicht auf (vgl. LAG Schleswig-Holstein 17. Mai 2017 – 6 Ta 67/17 – juris, Rn. 14). Ein vollständig ausgefüllter Erklärungsvordruck kann auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden, wenn die Erklärung unzweifelhaft vom Antragsteller stammt und er zu seinen Angaben steht (Sächsisches LAG 25. Oktober 2018 – 4 Ta 52/18 (8) – juris, Rn. 18).

Es entspricht im Übrigen der langjährigen Entwicklung der Rechtsprechung, dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung zu tragen und die Übermittlung bestimmender Schriftsätze auch durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts zuzulassen. Entspricht bei einem solchen Computerfax ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann. Auch der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gericht zuzuleiten, kann in aller Regel nicht ernsthaft bezweifelt werden (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – juris, Rn. 15 f.; ebenso BVerfG 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00 – juris, Rn. 20 ff.). Insoweit ist zu beachten, dass ein Computerfax wie auch das Telefax kein im Sinne des § 46c ArbGG elektronisches, sondern weiterhin – nach Ausdruck – ein schriftliches Dokument ist und dementsprechend keiner elektronischen Signatur bedarf.